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Leben ohne Kinderwunsch Kinderlos? Nein, kinderfrei!

Leben ohne Kinderwunsch: Frau mit ausgestreckten Armen in der Natur
© oatawa / Shutterstock
Ein Text über die bewusste Entscheidung gegen Kinder? Unsere Autorin mag Kinder. Braucht aber keine. Ihr habt Kinder. Und braucht Toleranz. Und jetzt – bitte lesen!

Ja, ich bin "so eine". Eine von den Frauen, die landläufig als egoistisch, karrieregeil und verantwortungsscheu bezeichnet werden. Eine, die ihre "gesellschaftlichen Pflichten" nicht erfüllt. Eine, die keine Kinder will. Und zwar ganz bewusst.

Was mich besonders ärgert, ist der Begriff "Kinderlos" an sich. In den USA hat man diesen Ausdruck mittlerweile durch "Childfree", also quasi "Kinderfrei" ersetzt und genau das sollten wir auch tun! Denn wenn ich mich bewusst gegen etwas entscheide, mache ich mich frei davon. Es wird mir nicht genommen, entrissen oder sonst was, ich habe es so gewollt. Demzufolge bin ich also nicht kinderlos, sondern kinderfrei. Bei Frauen, die aus welchen Gründen auch immer ungewollt kinderlos sind, sieht die ganze Sache anders aus. Doch darum geht es hier ausnahmsweise mal nicht. Soviel dazu. Weiter im Text.

Dreistigkeits-Level: 3000, oder: Geht ´s noch?!

Wie oft musste ich mir schon gut gemeinte Ratschläge ("Du wirst auch nicht jünger und bereust es später garantiert!"), hilfreiche Tipps ("Ach, beim Ersten hat man immer Angst, aber ab dem Zweiten gewöhnst du dich dran. Da mussten wir alle durch.") und Statements anhören, die mir mehr oder minder starken Anlass zur Selbstreflektion boten ("Du bist so egoistisch und Ich-fixiert, wie kannst du nur? Du bist doch eine Frau!". Oder auch sehr beliebt: "Na warte mal noch ein paar Jahre, dann kommt das schon.").

Und wie oft rechtfertigte ich mich wieder für etwas, dass a) meine ganz persönliche Meinung ist und b) andere genau deswegen nichts weiter als einen feuchten Furz angeht? Unzählige Male. Ob es etwas gebracht hat? Nicht im Geringsten – und genau das ist scheiße. Auch von euch.

Denn wie kann man bitte so dreist sein und sich anmaßen, eine Frau danach zu be- oder verurteilen, ob sie ihrer "gesellschaftlichen Pflicht" nachgekommen ist und ein Kind in diese Welt gesetzt hat? Wie können Mütter auch nur ansatzweise denken, sich über gewollt kinderlose Frauen stellen zu dürfen? Weil ihre Kinder sie zu vollwertigeren Mitgliedern der Gesellschaft machen? Weil wir "anderen" eher Menschen zweiter Klasse sind?

Meine biologische Uhr? Läuft. Aber lautlos.

Ich bin eine erwachsene Frau Anfang 30 (Hallooo ... gebärfreudiges Alter), habe einen aus- und erfüllenden Vollzeitjob (also sollte das Finanzielle auch keine großen Sorgen bereiten), bin seit fast sechs Jahren in einer festen Beziehung (Partner & potentieller Kindsvater: Check!) und kann es einfach nicht fassen, dass dieses Thema noch immer so polarisiert! Ihr habt alle auf das immer lauter werdende Ticken eurer biologischen Uhr gehört? Das ist toll, ganz ehrlich. Ich höre meine nämlich nicht. Kein Ticken, kein Piepen, nicht mal ein leises Rasseln – nichts. Eine absolute und wunderbare Stille, die mich ganz ohne inneren Druck und ständige Gedanken an persönliche Reproduktion durch den Alltag gehen lässt.

Kinder zu haben erfordert nicht nur Zeit, Geld und jede Menge Geduld – die Basis, auf der im besten Falle alles aufbaut, ist der feste Wille dazu. Der Wille und die volle Überzeugung, eine gute Mutter zu werden. Und im Endeffekt auch zu sein. Doch wie viele Kinder werden täglich OHNE diese Grundvoraussetzung geboren? Ich glaube ihr versteht, was ich damit sagen will. Wenn ich etwas tue, dann ganz oder gar nicht. Bei solch wichtigen Entscheidungen sehe ich keine Graustufen, es gibt Schwarz oder Weiß. Nur dass ich die Farben eben etwas anders interpretiere, als der Rest von euch ... .

Sie nennen es "Verantwortung" ...

Die landläufige Meinung beharrt sehr auf dem Punkt, Frauen ohne Kinder wären verantwortungsscheu und würden sich davor drücken, sie zu übernehmen. Aha. So so. Sorry, aber .. ernsthaft? Lasst uns die Sache doch einfach mal umdrehen: Ist es nicht wesentlich verantwortungsvoller, sich ganz bewusst GEGEN ein Kind zu entscheiden und damit wunderbar leben zu können, als halbherzig ein Kind zu bekommen (weil es "eben dazugehört"), damit aber unglücklich zu sein? Und im schlimmsten Falle diese Unausgeglichenheit und das Gefühl der Halbherzigkeit auch noch auf sein Kind zu übertragen? Ich finde schon. Denn Verantwortung für sich selbst übernehmen zu können, sollte immer ein Grundpfeiler für Entscheidungen dieser Tragweite sein. Und ja – das kann ich für mich selbst wirklich sehr gut, danke der Nachfrage.

Doch bevor hier gleich Stimmen laut werden, die mir eventuell etwas unterstellen möchten: Ich habe nichts gegen Mütter, Väter, Familien im Allgemeinen und schon gar nicht gegen Kinder – ganz im Gegenteil. Ohne meine beiden Nichten oder den kleinen Sohn meiner besten Freundin würde mir unglaublich viel fehlen, sie sind für mich alles und ich liebe sie von Herzen. Ob sich beim Gedanken an Babyklamotten, süßes Gebrabbel oder herzerfrischendes Kinderlachen dann nicht vielleicht doch etwas in mir regt? Ähm .. nö. Nichts. Keine Sehnsucht, kein Nestbautrieb im familiären Sinne, nix. Mein Uterus klatscht höchstens desinteressiert Beifall und genießt weiterhin seine Ruhe.

Biggest. Bullshit. Ever.

Leider wird diese aber jäh unterbrochen, wenn ich mich selbst wieder so unglaublich über die Taktlosigkeit einiger Mitmenschen ärgere, dass es meinen ganzen Körper erschüttert! Oder würdet ihr bei dem Kommentar "Hast du eigentlich auch mal an deine Eltern gedacht? Die werden auch nicht jünger und wollen doch noch was von ihren Enkeln haben ..." reagieren? Ja, genau so habe ich auch geguckt! Heißt das, ich soll ein Kind bekommen, um meinen Eltern einen Gefallen zu tun oder gar meine Pflicht als gute Tochter zu erfüllen? Und dann das Baby am besten direkt bei ihnen abgeben, weil ich es ja eigentlich gar nicht haben wollte, aber hey .. "das gehört einfach zum Leben dazu"? Ernsthaft? Ich kann gar nicht so lange mit dem Kopf schütteln, wie es dieser Bullshit verdient hätte.

Mütter-Club? Danke, aber ... NEIN! DANKE!

Mich persönlich interessiert es deshalb gerade herzlich wenig, wie ihr über mich denkt. Das macht mir nichts aus. Doch ich bin nicht alle, also hört bitte endlich damit auf, alle kinderlosen/kinderfreien Frauen über einen Kamm zu scheren! Würde man das nämlich ebenso mit euch machen, gäbe es nämlich nur zwei gute Gründe, warum gerade Mütter in diesem Punkt oft so ätzend sind:
1.: Sie haben sich ihrem gesellschaftlichen Schicksal/ihrer Rolle gefügt und das getan, was man "als Frau eben tun muss"?
Und 2.: Sie sind (mehr oder minder) neidisch auf die Frauen, die eben NICHT dem obligatorischen Mütter-Club beigetreten sind, sondern eine eigene, ganz bewusste Entscheidung dagegen getroffen haben. Weil sie zu genau dem stehen, was ihr euch vielleicht auch lieber gewünscht hättet?

Ein Kind macht nicht glücklicher als keins. Denn der Ursprung für wahres Glück liegt nicht in einem Kind, sondern – oh Wunder! – in uns selbst! Also bitte scheißt doch darauf, ob ich, die Kellnerin aus eurem Lieblingslokal, eure Steuerberaterin, Kinderärztin, Chefin oder wer auch immer, Kinder möchte oder nicht – bei Männern regt sich doch auch niemand auf!

Mein Leben. Meine Entscheidung.

Meine Einstellung macht mich weder zu einem schlechten Menschen, noch nimmt sie mir auch nur einen Hauch Weiblichkeit. Sie lässt mich nicht klischeemäßig das Geld verprassen. Sie lässt mich nicht vor Verantwortung davon laufen, oder ist der Grund, warum ich mich abends einsam und allein in meiner Wohnung (oder Eigentumswohnung, wir wollen ja bei den Vorurteilen bleiben) in den Schlaf weine. Sie ist einfach ein Teil von mir, meines Lebens und meiner Persönlichkeit. So wie eure Kinder von euch.

Können wir das Thema jetzt also endlich ad acta legen? Danke! 

Dieser Artikel ist ursprünglich auf Eltern.de erschienen.

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