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Kita-Fotograf färbt pinke Jogginghose eines Jungen um - ungefragt

Pinke Jogginghose
© Privat
Weil er die Hose eines Jungen für eine "Mädchenhose" hielt, hat ein Kita-Fotograf die Abzüge nachträglich bearbeitet. Die Eltern sind empört.

Manche Geschichten lassen uns daran zweifeln, ob wir wirklich im Jahr 2017 leben. Und nicht 1957.

Diese Geschichte gehört dazu. Darin spielen mit: Eine Kita, irgendwo in Deutschland. Ein Junge, der die Farbe Pink mag. Eltern, die ihren Kindern keine Rollenbilder aufstülpen wollen. Ein übereifriger Fotograf. Und 150.000 Twitter-User.

Doch der Reihe nach.

Die Geschichte beginnt mit einem normalen Ereignis: Der Kita-Fotograf kommt. Fast alle Kindergärten und Schulen bieten den Service an, die Kinder professionell fotografieren zu lassen. Bei Eltern sind die Abzüge als Geschenk für Großeltern und weitere Verwandte beliebt – und als Erinnerung an die Kita-Zeit.

Super Sache, dachten sich auch Sebastian und seine Frau, die zwei Söhne in der Kita haben. Die beiden sind Zwillinge, vier Jahre alt.

Die Eltern wurden über den Fototermin informiert, auch um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Kinder an diesem Tag schick anzuziehen oder Kleidung für das Foto mitzugeben. "Das hat oft rein praktische Gründe, ich sage nur Tomatensauce ...", so Sebastian gegenüber BRIGITTE MOM.

Der Junge wählte an dem Tag seine Lieblingshose

Am Tag des Shootings hatten Sebastian und seine Frau den Termin jedoch völlig vergessen. Er erzählt:

"Unsere Kinder suchen ihre Kleidung meist selbst aus, wir schreiten nur bei offensichtlichen Fehlgriffen ein (z.B. ein T-Shirt im Winter). So hat unser Sohn an diesem Tag die pinke Jogginghose gewählt. Diese haben wir vor Jahren mal für unsere Tochter gekauft. Sie hat eine sehr gute Qualität und ist gemütlich. Darum liebt er die Hose auch, seit er sie von seiner Schwester bekommen hat."
Pinke Jogginghose
© privat

Als sie später erfuhren, dass der Fototermin an dem Tag war, dachten sich die Eltern nichts dabei. Wichtiger als schickes Aussehen ist ihnen, dass der Junge sich wohlgefühlt hat.

Auf den Fotos war die Hose plötzlich blau

Zwei Wochen nach dem Termin wurden den Eltern die fertigen Abzüge mitgegeben. Sebastian schaute nur flüchtig in die Mappen und nahm die Bilder mit. Erst am Nachmittag dann die große Überraschung:

"Du weißt schon, dass das nicht unsere Hose ist?"

Das sagte Sebastians Frau, als sie sich die Bilder ansah. Und tatsächlich: Einer der Jungs trug auf den Bildern eine blaue Jogginghose – und nicht seine geliebte pinkfarbene.

Auf den zweiten Blick wurde den beiden dann klar, dass die Hose gefärbt worden war. Am Computer. "Wenn man dann noch genauer schaut, sieht man auch, dass die Qualität eher mittelmäßig ist. Am T-Shirt und Arm ist jeweils am Übergang zur Hose ein pinkfarbener Schimmer zu sehen."

Die Eltern konnten es kaum glauben. Sebastian musste seiner Empörung Luft machen und setzte einen Tweet ab:

Die Netzgemeinde reagierte mindestens so irritiert wie er. Sein Tweet verbreitete sich schnell und hatte bald über 150.000 Impressionen.

Sebastian versuchte das Fotostudio zu kontaktieren, um nach den Gründen für die Blaufärberei zu fragen. Dort sagte man ihm, dass der Fotograf im Urlaub sei. Aber offenbar habe man gedacht, dass dem Jungen eine Mädchenhose angezogen worden sei und daraufhin habe man sie blau gefärbt.

Allerdings sei das ungewöhnlich, normalerweise würden Farben in dem Fotostudio nicht nachträglich verändert.

Das Studio schickte der Familie dann noch die unbearbeiteten Originale – und mehrere Wochen später meldete sich auch endlich der Fotograf.

Seine Reaktion: Er lachte. Die Eltern sollten sich nicht so anstellen. Das sei doch nicht so schlimm.

Ist es das wirklich nicht? Mal abgesehen vom veralteten Geschlechter-Klischee - hat nicht auch ein Vierjähriger so viel Respekt verdient?

Die Eltern hätten sich zumindest eine Nachfrage gewünscht

Für Sebastian ist es nach wie vor vollkommen unverständlich, wie man auf die Idee kommen kann, dem Vierjährigen einfach die Hose umzufärben. Noch dazu ungefragt. Er sagt über ihren Erziehungsstil:

"Wir mögen die offene Gesellschaft und interessieren uns nicht für Rollenbilder. Andererseits zwingen wir unsere Kinder aber auch nicht dazu, nicht 'typisch' Junge oder Mädchen zu sein. Meine Tochter hatte beispielsweise mit ca. drei Jahren mal eine Phase, in der sie keine Jeans anziehen wollte. 'Die sind Blau, das ist für Jungs' hieß es damals. Von uns hat sie das nicht. Aber die Erfahrungen muss sie selbst machen."

Die Kita-Erzieher waren übrigens ebenso sprachlos über den Vorgang. In der nächsten Eltern-Versammlung will Sebastian das Thema nochmal ansprechen. Und auch über einen Wechsel des Fotostudios diskutieren lassen.

Was lernen wir nun aus dieser Geschichte?

Vielleicht das: Es ist noch ein weiter Weg bis zu einer Gesellschaft, die wirklich "offen" ist - zumindest, was die Erwachsenen betrifft. Vierjährige haben das nämlich schon ganz gut drauf.

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