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Junge oder Mädchen? Warum ich das Geschlecht nicht wissen will

Kinderschühchen
© iravgustin / Shutterstock
Und? Ab wann kann man denn das Geschlecht sehen? Unsere Autorin ist genervt von den vielen Nachfragen, ob sie denn jetzt ein Mädchen oder einen Jungen bekommt – oder mehr davon, dass viele nicht verstehen, wieso man es nicht wissen will.
von Franziska Steinberg

Anfangs hielt ich es einfach für eine witzige Idee, mich beim Geschlecht überraschen zu lassen. Ich bin von Natur aus eine wirklich sehr neugierige Person und ein bisschen quäle ich mich auch selbst mit dieser Unwissenheit. Aber ich mag auch Überraschungen sehr – und davon gibt’s tatsächlich sehr, sehr wenige in unserem Leben und Alltag. Nicht mal das Wetter kann uns mehr großartig überraschen. Mittlerweile ist es jedoch keine witzige Idee mehr, sondern zu einem Prinzip geworden: Ich hatte keine Ahnung, wie es die Menschen in meinem Umfeld verwirren kann, nur weil ich das Geschlecht während der Schwangerschaft nicht wissen möchte. Natürlich sind einige dabei, die das total toll finden. Aber auch einige, die mich mit völligem Unverständnis anblicken und sich nicht damit abfinden können, dass wir es wirklich nicht wissen. „Ich wette 10 Euro dagegen – das tut sich doch niemand neun Monate an.“, sagte eine Freundin. Oh doch, jetzt erst recht – her mit der Kohle! Weitere Reaktionen, mit denen ich immer wieder konfrontiert werde: 

Aber du wünscht dir doch bestimmt ein Mädchen?

Hä, warum sollte ich? Weil ich selbst ein weibliches Geschlechtsorgan besitze? Auch wenn viele behaupten, jede Schwangere hat auf jeden Fall insgeheim einen Wunsch für das Geschlecht des zukünftigen Kindes, trifft das auf mich einfach nicht zu. Ich kann noch so sehr in mich gehen, da ist keinerlei Tendenz – ich wünsche mir ganz floskel- und klischeemäßig ein gesundes Baby. Besonders "freue" ich mich über Kommentare wie „Na hoffentlich wird’s ein Mädchen, sonst pinkelt es dich an“ (meine Oma) oder Schwiegermütter, die sich lieber eine Enkeltochter als einen Enkelsohn wünschen. Was soll das? Soll ich nachher sagen: „Tut mir leid, liebe Gisela, liebe Welt, es ist leider nur ein Junge geworden.“ Mich macht das wütend. Für alle: Ich kann mir sowohl vorstellen, Mutter eines Jungen oder eines Mädchen zu werden und sehe viele Vorteile in beiden Geschlechtern – und keine Nachteile. Entscheidend ist nachher sowieso die Persönlichkeit meines Kindes. Und die wird ganz wundervoll, da bin ich mir sicher.

Aber wie plant ihr denn jetzt Babyzimmer, Erstausstattung & Co?

Ganz normal!? Wir planen, dass wir im Sommer ein Baby bekommen und darauf wollen wir natürlich vorbereitet sein. Es bekommt ein Babybett, einen Kinderwagen und natürlich auch etwas zum Anziehen. Dass es überhaupt keine schönen, neutralen Babysachen gibt, stimmt nicht. Sicherlich, man muss etwas genauer hinschauen, suchen und sich von Jungs- und Mädchenabteilungen in den Shops nicht abschrecken lassen. Aber Grau, Weiß, Beige, Mint gehen problemlos – schwierig ist eigentlich nur die Farbe Rosa, aber selbst das wäre dem kleinen Wesen erst einmal ziemlich egal. Shopping geht übrigens nach der Geburt weiter. Dann kann immer noch ausgiebig in allen Farben und Mustern geshoppt werden, sofern man das überhaupt möchte. Das Babyzimmer wird übrigens in Grau- und farbenfrohen Pastelltönen gehalten. Total niedlich und neutral! 

Aber willst du denn nicht wissen, wer da in deinem Bauch wohnt?

Klar! Ich bin total fasziniert davon, wie da so ein kleines Wesen in mir heranwächst. Ich weiß auch schon total viel über mein Baby, zum Beispiel wann es wach ist und wann es schläft. Ich fühle, wie es sich bewegt. Und ich habe auf dem Ultraschall bereits Gesichtszüge und sämtliche Organe in allen Details erkennen können. Ich sehe, wie das kleine Herzchen schlägt, wie das Baby am Daumen lutscht und es Purzelbäume schlägt. Es ist gesund und fühlt sich wohl – das ist für mich die wichtigste Info nach jedem Termin beim Gynäkologen. Ich weiß also schon unfassbar viel über mein Baby. Irgendwie finde ich den Gedanken schön, dass das Küken noch ein kleines Geheimnis für sich behalten kann. Ich weiß, dass in meinem Bauch ein Mensch mit einer eigenen Persönlichkeit wohnt, auf den wir uns komplett neu einstellen müssen – dabei spielt es für mich überhaupt keine Rolle, ob es sich dabei um einen Jungen oder Mädchen handelt. 

Aber dann müsst ihr ja zwei Namen aussuchen? Puuuh!

Sieht ganz so aus. Ich verstehe jedoch nicht, warum das für so viele eine Horrorvorstellung ist. Natürlich ist die Namenssuche eine Herausforderung, aber mir persönlich macht sie echt Spaß. Und wir haben dafür ja einige Monate Zeit. Mal reden wir über Mädchennamen, mal über Jungsnamen. Diese hängen als Post-it an unseren Kleiderschrank. Hin und wieder verschwindet ein Zettel im Müll, manchmal kommt ein neuer Name hinzu. Es gibt einige Namen, die wir gut finden. Vermutlich werden wir uns am Tag der Geburt die Post-its mit ins Krankenhaus nehmen und den Namen so auswählen, wie wir ihn in dem Moment am passendsten finden. Mal sehen.

Aber warum sollte man sich das denn nicht sagen lassen?

Die schönste aller Fragen, da sie einem das komplette Unverständnis ins Gesicht haut. Es ist tatsächlich nicht selbstverständlich, dass man das Geschlecht vorher weiß oder wissen möchte. In einigen Fällen traut sich der Arzt keine eindeutige Prognose zu oder das Baby liegt jedes Mal ungünstig – so kann sich eine Vorhersage auch mal irren. Darüber hinaus scheint das auch eine sehr deutsche Angewohnheit zu sein, die komplette Kontrolle haben zu wollen. Von einer Freundin in Großbritannien, die das Geschlecht vor der Geburt auch nicht wusste, erfuhr ich, dass sich dort schätzungsweise die Hälfte aller werdenden Eltern überraschen lassen und da das Prozedere ganz normal ist. Ich konnte für Deutschland keine Zahlen finden, aber eine Hebamme schätzte, dass es hier unter fünf Prozent sein müssen, die unwissend in die Geburt starten. Sehr interessant!

Geschlecht wissen oder nicht? Jeder wie er möchte!

Abschließend möchte ich betonen, dass ich es überhaupt nicht verurteile, wenn jemand die Chance beim Ultraschall ergreift und sich sagen lässt, ob man denn jetzt ein Junge oder Mädchen erwartet. Die Technik ist weit entwickelt und es doch großartig, dass wir heute mittlerweile die Möglichkeit haben, so etwas vorab schon erfahren zu können. Jedes werdende Elternpaar darf das also selbstverständlich alleine entscheiden und im Zweifel der Neugier nachgeben. Manchen hilft diese zusätzliche Info auch, um sich mehr an den Gedanken zu gewöhnen, dass man bald ein Persönchen mehr ist. Nur liebe Leute, schaut gerne mal ein wenig über den Rand der verkorksten und klischeebehafteten Mädchen-Jungen-Welt – es gibt einfach vieles in der Schwangerschaft, das einfach viel wichtiger ist.

Brigitte

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