Anzeige

"Ich glaube, Deutschland hasst unverheiratete Eltern!"

Idiotie der Bürokratie: "Deutschland hasst unverheiratete Eltern!"
© fizkes / Shutterstock
Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Katrin, ich bin 30 Jahre alt, schwanger und mit meinem Partner nicht verheiratet. Dafür straft mich Deutschland mit bürokratischem Irrsinn. Ein Erfahrungsbericht.

Ein Wunschbaby zu erwarten gehört wohl zu den schönsten Dingen im Leben: Da wächst ein kleines, süßes Lebewesen im Bauch heran, das man schon liebt, bevor es überhaupt auf der Welt ist. Ein Faszinosum der Natur!

Doch wie so oft im Leben steht der Natur ein harter Konkurrent gegenüber, vor allem in Deutschland: die Bürokratie. Sie kann einem schon das Leben vermiesen, wenn man einfach nur atmet. Aber wenn man schwanger ist, dann geht die Post erst richtig ab – vor allem, wenn man mit dem Vater des Babys nicht verheiratet ist.

Was man als Schwangere beantragen muss (in Kürze):

  • Vaterschaftsanerkennung
  • Sorgerechtserklärung
  • Geburtsurkunde
  • das Kind bei der Stadt melden
  • Kindergeld
  • Mutterschaftsgeld
  • Krankenversicherung für das Baby
  • Elterngeld
  • Elternzeit
  • ggf. Staatsangehörigkeit des Babys
  • eine Hebamme suchen
  • ein Krankenhaus (oder Geburtshaus) kontaktieren
  • für einen Geburtsvorbereitungskurs anmelden

Ich glaube das war's. Ich hoffe es zumindest sehr. Mit Herz und Verstand.

Sinken die Geburtenzahlen, weil sich potentielle Eltern den Bürokratie-Quatsch ersparen wollen?

Wenn ich mir diese Liste ansehe, wird mir schwindelig. Mir drängt sich der Gedanke auf, dass die Geburtenzahlen in den letzten Jahrzehnten nur deshalb zurückgegangen sind, weil sich potentielle Eltern den ganzen Bürokratie-Quatsch ersparen wollen.

Versteht mich nicht falsch, ich bin dankbar dafür, in einem Land zu leben, in dem man quasi ein Geburtsrecht auf eine Hebammenbetreuung hat (bloß scheitert es an der Umsetzung, dazu in einer weiteren Kolumne bald mehr). Ich finde es großartig, dass Deutschland Kindergeld, Mutterschaftsgeld und ggf. auch Elterngeld zur finanziellen Unterstützung seiner jüngsten Bürger bereithält. Und es ist auch toll, dass wir in einem dermaßen freien Land leben, dass wir unverheiratet Kinder bekommen können, ohne dafür auf dem Scheiterhaufen zu landen.

Das Problem ist ja nicht das Angebot. Sondern die katastrophale Umsetzung desselbigen!

Der Staat legt mir Steine in den Weg. Also eher Brocken. Manchmal auch Felsen.

Als werdende Mutter habe ich das Gefühl, vom Staat Steine in den Weg gelegt zu bekommen. Oder besser gesagt: Brocken. Manchmal sogar auch Felsen. Man könnte meinen, Deutschland hasst unverheiratete Eltern.

Man fühlt sich verloren in dem irrsinnigen Labyrinth der Bürokratie. Für jeden einzelnen Antrag, den man stellen muss, ist eine andere Behörde zuständig. Und davon gibt es gerade in Deutschland sehr, sehr viele.

Ich möchte den Aufwand gerne an meinem persönlichen Beispiel demonstrieren, bzw. zunächst einmal nur an zwei Punkten, um den Irrsinn zu veranschaulichen:

  1. Drama für deutsche Behörden: Mein Partner und ich sind nicht verheiratet.
  2. Drama für deutsche Behörden: Ich bin gebürtige Deutsche, mein Partner gebürtiger Däne.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass beide Punkte keine Sonderfälle mehr darstellen im Zeitalter der Globalisierung, der Europäischen Union und steigender Zahlen unverheirateter Eltern.

Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch, dass Deutschland von dieser Konstellation in etwa so überrascht ist, wie die Deutsche Bahn von dem alljährlich wiederkehrenden Winter. Schauen wir uns das mal genauer an:

1. Drama: Mein Partner und ich sind nicht verheiratet!

Unverheiratete Eltern in spe stellen für deutsche Behörden anscheinend immer noch eine unfassbare Herausforderung dar, und das, obwohl in den letzten Jahrzehnten immer mehr Paare auf den Trauschein verzichteten.

Erwartet also ein nicht verheiratetes Paar ein Baby, muss es sich um folgendes kümmern: die Vaterschaftsanerkennung, die Sorgerechtserklärung und den Nachnamen den Babys. Dank Google konnte ich schnell herausfinden, dass man alle drei Anliegen bei ein und derselben Behörde beantragen kann – ich war entzückt! Man hat sogar die Wahl, ob man die Anträge beim Jugendamt oder Standesamt stellt. Ich entschied mich für's Jugendamt. Ob das die bessere Wahl war, wage ich inzwischen zu bezweifeln.

Vaterschaftsanerkennung und Sorgerechtserklärung

Ich schrieb eine Mail an die zuständige Abteilung des Jugendamtes in meinem Wohnbezirk mit der Bitte um einen Termin bezüglich jener Formalitäten. Einige Tage später erhielt ich eine Mail, in der ich gebeten wurde, die zuständige Frau telefonisch zu kontaktieren. Es folgten mehrere Tage, an denen ich drei Mal täglich diesen Anruf tätigte – ohne jemanden zu erreichen und ohne die Möglichkeit zu haben, auf einen Anrufbeantworter zu sprechen. Also schrieb ich erneut eine Mail, in der ich meine vergebenen Telefonanrufe erwähnte, meine Telefonnummer angab und um einen Rückruf bat. Der kam auch, sogar ein bis zwei Tage später – noch vor 8 Uhr morgens...

Ich fragte nach einem Termin für die Vaterschaftsanerkennung, die Sorgerechtserklärung und den Nachnamen des Babys. Prompt wurde ich darauf hingewiesen, dass die Sache mit dem Nachnamen keine Angelegenheit des Jugendamtes wäre, sondern vermutlich des Standesamtes. Natürlich. Deutschland wäre ja nicht Deutschland, wenn das alles mit einem Ruck ginge.

Für die Vaterschaftsanerkennung und die Sorgerechtserklärung könnten wir einen Termin vereinbaren. Wie mir denn der 19. Februar passe? Das war Anfang Januar. Sicherheitshalber stimmte ich zu und bat um einen Termin vor meiner Arbeit, also bekam ich einen um 8 Uhr morgens.

Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn alles mit einem Ruck ginge

Ich fragte ebenfalls am Telefon, ob die Dokumente, die wir zu unterschreiben haben, auch auf Englisch vorhanden wären, da mein Freund Däne ist. Selbstverständlich sind die Unterlagen nicht auf englisch vorhanden, bestätigte man mir.

Stattdessen müssen wir eine DolmetscherIn mitbringen, die aber keine Verwandte sein darf. Aber eine FreundIn schon. Ein Fremder ginge auch (Woher soll man den denn nehmen?!). Also musste ich mich auf die Suche machen nach jemandem, der Lust hat, um 8 Uhr morgens bürokratische Unterlagen auf Englisch zu übersetzen. Nichts Leichteres als das *Ironie.* Eine liebe Freundin, der ich auf ewig dankbar dafür bin, hat schließlich zugestimmt.

Jetzt heißt es nur noch, den 19. Februar abzuwarten. Ich traue mich nicht, Vorfreude zuzulassen. Stattdessen fürchte ich mich vor diesem Termin, wie vor einer Mathearbeit in der zehnten Klasse: Man weiß nie, ob die Aufgaben zu bewältigen sein werden.

Der Nachname des Babys

Während ich auf den Termin warte, habe ich zumindest Zeit, mich zu erkundigen, wie, wo und wann wir denn denn den Nachnamen des Babys festlegen können oder sollen. Da mein Partner und ich uns auf seinen hübschen dänischen Nachnamen für das Baby geeinigt haben, hieß es nun herauszufinden, welche Behörde dafür zuständig ist. Den ersten Tipp habe ich von der Frau beim Jugendamt bekommen: Ich solle im Standesamt anrufen.

Vom Jugendamt zum Standesamt zum Einwohnermeldeamt zum Einwohnerzentralamt...

Gesagt, getan. Ich schrieb eine Mail mit meiner Anfrage an das zuständige Standesamt. Vier Tage später erhielt ich eine Mail, dass das Standesamt nicht dafür zurtändig ist, sondern das Einwohnermeldeamt. Und dafür benötigt man u.a. die Vaterschaftsanerkennung, Sorgerechtserklärung und Unterlagen aus dem Krankenhaus, die ich erst nach der Geburt bekomme. Wenige Tage später bekam ich eine weitere Mail von einem Standesbeamten, der mich um meine Telefonnummer bat, damit wir meine Fragen klären könnten. Dieser Herr erwies sich als der auskunftsfreudigste Mensch im Bürokratie-Dschungel.

Einen Tag später rief er mich an und sagte mir, dass seines Wissens nach das Einwohnerzentralamt für die Nachnamensbestimmung zuständig wäre, nicht das Einwohnermeldeamt (ich weiß nach wie vor nicht, wo der Unterschied liegt). Außerdem klärte er mich über weiteren bürokratischen Irrsinn auf: Etwa, dass der Nachname des ersten Kindes zwangsläufig auch der Nachname möglicher weiterer Kinder festlegt, ich mir das also gut überlegen solle. Und dass ich auf Reisen mit dem Kind natürlich immer die Geburtsurkunde ("Am besten das Original!") immer dabeihaben solle, um keine Schwierigkeiten zu bekommen.

"Tragen sie die Original-Geburtsurkunde immer bei sich!"

Netterweise verriet mir der Standesbeamte den Kontakt der zuständigen Dame beim Einwohnerzentralamt, die ich noch am selben Tag kontaktierte. Ich fragte sie nach dem Ablauf der Nachnamenfestlegung und ob es nicht logischer wäre, den Nachnamen noch vor der Geburt des Babys festzulegen, damit zumindest der Name zum Zeitpunkt der Geburt schon feststünde. Natürlich geht das nicht (ich hatte da so eine Vermutung...). Die Regel lautet: Das Baby bekommt bei der Geburt den Nachnamen der Mutter, alles wird über diesen Namen laufen. Und nach der Geburt könne ich den Namen des Babys – tatsächlich beim Einwohnerzentralamt! – ändern lassen. Daraufhin werden alle anderen bis dahin ausgestellten Unterlagen auch neu ausgestellt, wie z.B. der Name im Kinderpass.

Eine Mutter hat mir kürzlich verraten, dass sie vor der Geburt ihres ersten Kindes auch nicht mit ihrem Partner verheiratet war. Als sie von der Idiotie der Bürokratie erfuhr, beschloßen sie, sich noch vor der Geburt das Ja-Wort zu geben – weil damit alles einfacher wird. Diese Entscheidung hat mich kein bisschen gewundert...

2. Drama: Die Staatsangehörigkeit des Babys!

Man könnte meinen, dass in unserer globalisierten Welt Dinge einfacher werden, statt komplizierter. Oder dass wenigstens EU-weit Dinge einfacher werden würden. Doch dem ist nicht so. Jedenfalls nicht, wenn es um multinationale, unverheiratete Paare geht, die ein Baby erwarten.

Wie erwähnt, bin ich Deutsche, mein Freund Däne. Er kommt also nicht von einem weit entfernten Kontinent oder aus einem hochexotischen Land, sondern schlicht und ergreifend aus einem an Deutschland direkt angrenzenden Nachbarland. Aus dem Land, das die Deutschen so gerne bereisen, von dem so viele Deutsche schwärmen und in das so viele Deutsche auswandern. Doch das alles zählt nicht, wenn es um die Staatsangehörigkeit eines halb dänischen, halb deutschen Babys geht.

Ist eine deutsch-dänische Staatsangehörigkeit erlaubt? Dänemark sagt ja. Deutschland hingegen...

Mein Freund und ich haben entschieden, unserem Baby fairerweise beide Staatsangehörigkeiten zu vererben. Die Frage ist nur: Ist eine doppelte Staatsangehörigkeit, in dem Fall unseres Babys deutsch-dänisch, erlaubt? Und wenn ja: Wer ist dafür zuständig und was müssen wir beantragen? Ich entschloß mich, bei meinem Bezirksamt in Deutschland nachzufragen, schließlich ist das unser Wohnsitz und das Land, in dem unser Baby zur Welt kommen wird.

Die Antwortmail auf meine Fragen fiel sehr knapp aus: "Das Kind wird bei Geburt durch Sie die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Für Fragen zur zweiten dänischen Staatsangehörigkeit erkundigen Sie sich bitte beim dänischen Konsulat." Natürlich.

Also wendete ich mich an das dänische Konsulat in Hamburg und bekam sogar ziemlich schnell eine Antwort: Ein Baby hat dann das Recht auf die dänische Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil diese Staatsbürgerschaft besitzt – perfekt! Von der deutschen Bürokratie traumatisiert, fragte ich nochmal nach, wo ich die denn beantragen müsse. Die herrliche Antwort, die ich niemals in Deutschland zu erwarten wage, lautete: "Ihr Baby hat automatisch die dänische Staatsbürgerschaft. Sie müssen nichts beantragen." Ein kurzer Moment des Glücks überkam mich. Und mir kam der Gedanke, nach Dänemark auszuwandern, um dem bürokratischen Irrsinn zu entfliehen.

Mir kam der Gedanke, nach Dänemark auszuwandern, um dem bürokratischen Irrsinn zu entfliehen

Klingt wie ein Happy End bezüglich Babys Staatsangehörigkeit? Natürlich nicht. Bei meinem Telefonat mit dem netten Herren vom Standesamt (s.o.) erwähnte ich die doppelte Staatsangehörigkeit und dass das dänische Konsulat mir bestätigte, dass es möglich sei. "Nein, nein", hieß es dann vom Standesbeamten. Zwar wäre es ja schön gewesen, dass ich damit die Zustimmung Dänemarks erhalten hätte. Doch zur doppelten Staatsangehörigkeit gehören zwei Staaten. Ich muss mich also nun mit der dänischen Bestätigung nach der Geburt meines Babys beim deutschen Einwohnermeldeamt melden und dort nachfragen, ob auch Deutschland meinem Baby die Erlaubnis zur doppelten Staatsangehörigkeit erteile. Dann soll ich mir das schriftlich geben lassen, mit dieser Erlaubnis nochmal zum dänischen Konsulat gehen, und dort den Kinderausweis entsprechend ändern lassen. Klingt verwirrend? Ist es auch!

Deutschland versucht wohl, möglichst viele Menschen vom Kinderkriegen abzuhalten

Das ganze Hin und Her ist nervenaufreibend, stressig und vermittelt mir als werdende Mama den Eindruck, dass Deutschland wohl alles versucht, um möglichst viele Menschen davon abzuhalten, Kinder in die Welt zu setzen.

Was soll der ganze Unfug? Warum muss es hier immer so undurchdringlich und kompliziert von statten gehen? Warum wird einem in Vollzeit arbeitenden Paar, das sich für Kinder entscheidet, das Leben schwer gemacht, statt ihm unter die Arme zu greifen?

I Have A Dream...

Ich habe einen Traum von einem Deutschland, dass eine einzige Behörde für alle Elternanliegen hat (schließlich gibt es ja genug Anträge, die man zu stellen verpflichtet ist, s. Liste oben).

Ich habe einen Traum von einer Behörde, mit der man im Falle einer Schwangerschaft einen Termin ausmacht und dorthin geht, sich mit der Dame oder dem Herren zusammensetzt und alles klärt, was es zu klären gibt.

Ich habe einen Traum von einem Mitarbeiter, der meine Unterlagen und die meines Partners entgegennimmt und sie an die zuständigen Mitarbeiter weiterleitet.

Ich träume von einem Deutschland, dass auf Lebensnähe statt auf Bürokratie setzt

Ich habe einen Traum von einem Deutschland, dass es versteht und zu würdigen weiß, dass Menschen parallel zum Schwangersein einem Vollzeitjob nachgehen und sich gleichzeitig auf ein Leben mit einem Baby vorbereiten; auf ein Leben, dass nie wieder so sein wird, wie es mal war. Das einen vor neue Herausforderungen stellen wird. Das einem eine zusätzliche 168-Stunden-Arbeitswoche bescheren wird.

Das Mindeste, was ein Staat tun kann, um werdende Eltern zu entstressen könnte so einfach sein: Statt auf Bürokratie, auf Lebensnähe setzen. Davon träume ich. Seit meiner Schwangerschaft jeden Tag ein bisschen mehr...

Videotipp: Warum heiraten Leute eigentlich? Diese Mädchen haben die beste Antwort!

Fallback-Bild

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel