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Hilfe! Von der Unmöglichkeit eine Hebamme zu finden

Hilfe! Von der Unmöglichkeit eine Hebamme zu finden
© Syda Productions / Shutterstock
Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Katrin, ich bin 30 Jahre alt, zum ersten Mal schwanger und wohne in Hamburg. Was mir am meisten Sorgen bereitet? Die Suche nach einer Hebamme – ein Ding der Unmöglichkeit.

In deutschen Großstädten eine Hebamme zu finden ist in etwa so unterhaltsam, wie eine Mietwohnung zu finden – also reine Glückssache, die nervlich an die Substanz geht. Ich bin in der 28. Schwangerschaftswoche und habe die Hebammensuche aufgegeben. Ich habe schlicht und einfach resigniert.

Wann ich mit den Anfragen an Hebammen begonnen habe? Etwa in der 13. (!) Woche, kurz bevor mein Frauenarzt mir bestätigte, dass das "kritische" erste Trimester um ist. Am 24. Dezember 2018 schickte ich meine erste Anfrage an eine Hebamme ab, mit der Information, dass ich voraussichtlich am 21. Juni 2019 entbinden würde und mich über eine Hebamme für das Wochenbett freuen würde. Die Antworten, die ich bekam, waren folgende:

  • "leider arbeite ich nächstes Jahr nicht mehr als Hebamme"
  • "in dem Zeitraum bin ich leider im Urlaub"
  • "leider bin ich schon ausgebucht"
  • keine Antwort

Ausgebucht, umgeschult, keine Antwort

Allein bis zum 9. Januar, also in einem Zeitrahmen von etwa zwei Wochen, habe ich um die 20 Hebammen angefragt. Eine positive Antwort habe ich nicht bekommen. Es ging einige frustrierende Wochen so weiter, bis ich es aufgegeben habe, zu suchen. Ohnehin wird die Wahrscheinlichkeit immer geringer, eine Hebamme zu finden, je näher der Geburtstermin rückt.

Wer an dem Hebammen-Dilemma Schuld ist? Gewiss nicht die Hebammen selbst. Die 3 häufigsten Gründe, warum jede fünfte werdende Mutter auf eine Hebamme verzichten muss, sind:

  1. Fehlende Verfügbarkeit einer Hebamme im Umfeld
  2. Fehlendes Wissen, dass ein gesetzlicher Anspruch auf eine Hebamme besteht
  3. zu lange oder zu späte Suche nach einer Hebamme

Jede 5. Mutter findet keine Hebamme

In meinem Fall trifft wohl Ersteres zu: fehlende Verfügbarkeit. Ich weiß um meinen gesetzlichen Anspruch auf eine Hebamme (von der Geburt bis zur zwölften Lebenswoche des Babys) und kann mir auch nicht vorwerfen, zu spät mit der Suche angefangen zu haben. Und trotzdem: nada. Fakt ist einfach: Es gibt einen horrenden Mangel an Hebammen in Deutschland. Ihre Haftpflichversicherung wurde erhöht, die Bezahlung ist grenzwertig, Krankenkassen zwingen sie zu einem zeitraubenden Qualitätsmanagement – zahlreiche Hebammen hängen ihren Beruf an den Nagel und schulen um.

Die Hebammenkunst ist eine der ältesten Künste der Welt. Sie wurde schon im dritten Jahrtausend vor (!) Christus erwähnt. Es ist ein Beruf mit Tradition, Historie. Hebammen verfügen über eine einmalige Geburtserfahrung und ein phänomenales Einfühlungsvermögen. In Deutschland müssen bei Geburten in Kliniken Hebammen dabei sein, die der Gebärenden bei der Verarbeitung der Wehen helfen und auf ihre Wünsche eingehen.

Während der anschließenden Wochenbettbetreuung steht eine Hebamme der neugebackenen Mama mit Rat und Tat zur Seite. Von der Stillberatung bis zu Ernährungstipps, von der Überwachung der Rückbildungsvorgänge bis zu geburtsbedingten Dammverletzungen behält sie den Überblick. Auch bei der Rückbildungsgymnastik und im Fall von Wochenbettdepressionen kann die Hebamme helfen. Alles in allem scheint sie unverzichtbar zu sein. Und dennoch: Für mich fällt sie weg.

Was tun, wenn man keine Hebamme für's Wochenbett findet?

Ich beginne mich nun zu erkundigen, was man in diesem Fall macht – schließlich bin ich nur eine von vielen werdenden Müttern, die auf die Wochenbettbetreuung verzichten müssen.

Lösungsvorschläge: Zum einen kann man wohl noch im Kreißsaal das Problem ansprechen und darauf hoffen, dass eine am Krankenhaus angestellte Hebamme noch frei ist und die Wochenbettbetreuung übernimmt. Ist das nicht der Fall, muss man auf ambulante Hebammenbetreuungen oder Hebammenpraxen zurückgreifen, wo man alle paar Tage z.B. zum Wiegen des Babys hingeht.

Ich bin zum ersten Mal schwanger und hoffe, dass meine Geburt gut verlaufen wird. Dennoch kenne ich mehr als genug Mütter, die mir versicherten, wie physisch am Ende man nach einer Geburt ist. In diesem Zustand – inklusive schmerzendem Unterleib – durch Hamburg zu tingeln, lässt mich jetzt schon ehrfürchtig erstarren.

Hebammenpraxen, Kinderärzte, Gynäkologen

Wenn ich Fragen zur Kindsentwicklung habe, soll ich, so die Empfehlungen, bei einem Kinderarzt anrufen. Ich habe mir schon vertrauenswürdige Bücher zum Thema gekauft. Narben und Wunden im Vaginal- und Dammbereich soll man beim Frauenarzt kontrollieren lassen.

Das klingt alles nach nachvollziehbaren Alternativen. In meinen Augen kann jedoch nichts davon eine vertraute Hebamme ersetzen.

Was man langfristig tun kann? Hebammen und AktivistInnen haben eine wunderbare Aktion gestartet namens Lieber Jens, die sich an unseren Gesundheitsminister Jens Spahn richtet. Unter www.lieberjens.deweisen sie auf die Problematik in der Hebammenbranche hin:

  • erheblicher Mangel an Hebammen
  • unterbesetzte Kreißsäle
  • überbelegte Kreißsäle
  • Mangel an Geburtshilfeangeboten
  • Überbelastung der (noch) praktizierenden Hebammen
  • der grausige Umstand, dass immer mehr Frauen keine Wochenbettbetreeung finden.

Digitale Postkarte an Gesundheitsminister Spahn

Auf der Webseite kann man auf seinen eigenen Umstand aufmerksam machen und eine digitale Postkarte an Spahn schicken. Ich habe mich beteiligt unter der Kategorie Frau ohne Hebamme. Der vorgefertigte Text, bei dem man bloß noch die individuellen Zahlen eintragen muss, trifft es auf den Punkt:

"Lieber Jens, wir müssen reden: Ich bin schwanger! Seit der XX Schwangerschaftswoche bin ich auf der Suche nach einer Hebamme. Ich habe bereits XX Hebammen kontaktiert. Von diesen habe ich XX Hebammen persönlich erreicht und XX haben sich bei mir zurückgemeldet. Ich bin nun XX Wochen schwanger und habe immer noch keine Hebamme gefunden. Mein lieber Jens Spahn, was soll ich jetzt tun?!?"

Ich hoffe, dass sich ganz viele Schwangere an dieser Aktion beteiligen. Es wäre ein zu großer Verlust, wenn einer der ältesten Künste der Welt ausstürbe: die der Hebamme.

Allen Schwangeren da draußen, die keine Hebamme gefunden haben, wünsche ich eine komplikationsfreie Geburt und ein möglichst entspanntes Wochenbett ohne Zwischenfälle.

Eine Sache noch: Falls eine Hebamme in Hamburg das liest und ab dem 21. Juni 2019 Zeit für Wochenbettbesuche hat: Bitte melde dich...

Videotipp: 5 Gründe, warum wir Hebammen brauchen

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