Um Frauen während der Geburt eine würde - und respektvolle Behandlung zu ermöglichen, bringt die Illustratorin Martina Bürger das Thema mit ihren Texten und Bildern ins Bewusstsein der Menschen. Mit ihrem Blog und ihrem Instagramkanal versucht sie aufzuklären und wachzurütteln. Unter dem Hashtag #drehtdiefrauenum erfahrt ihr mehr.
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3 Fragen an die Künstlerin Martina Bürger
Liebe Martina, warum liegt Ihnen das Thema Gewalt bei der Geburt so am Herzen?
"Ich durfte durch die Geburten meiner beiden Kinder erleben, was es bedeutet gut betreut, sicher und absolut selbstbestimmt zu gebären. Ich bin als selbstbewusste Frau aus den Geburten gegangen, mit einem enormen Zuwachs an Vertrauen in mich und meinen Körper. Ein Gefühl von: 'Ab jetzt kann ich alles schaffen. Keiner kriegt mich klein', trägt mich bis heute. Die typischen Komplexe gegenüber meinem Körper sind verschwunden und kein (Kosmetik-)Unternehmen der Welt kann mir nun einreden, ich müsse seine Produkte kaufen, um meine Unvollkommenheit zu überschminken. Da dachte ich: 'Wow, wenn das alle Frauen so erleben könnten ... wie großartig wäre diese Welt!' Wir hätten all diese starken, mutigen Frauen, die Kraft genug haben, um ein gutes Leben für sich, ihre Familie und ihr Umfeld zu erschaffen. Die sich trauen, den Mund auf zu machen und sich zu behaupten. Tja, und dann – zu dem Zeitpunkt war ich bereits aktives Mitglied bei der Elterninitiative Mother Hood e.V. – las ich die ersten Berichte der Roses Revolution, dem internationalen Aktionstag gegen Gewalt in der Geburtshilfe. Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Es machte mich wütend, traurig ... und ich konnte den Schmerz meiner 'Schwestern' so deutlich spüren. Von einer guten Geburtshilfe sind wir in Deutschland meilenweit entfernt, geschweige denn von einer, die das Wort 'empowering' auch nur ansatzweise verdient hätte. Schlimmer: nicht einmal 'gewaltfrei' bekommen wir hin. Das ist ein Riesenskandal! Die Auswirkungen dieser Traumata auf unser gesellschaftliches Zusammenleben, sind immer besser erforscht. Wir spüren sie täglich, seit Jahrzehnten. Allein die Folgekosten durch körperliche und psychische Erkrankungen müssten Politiker und andere Verantwortliche aufschrecken lassen. Doch nichts. Das Thema ist 'kein Thema'. Dabei wissen meine MitstreiterInnen und ich längst, wie sehr unser 'Start' unser weiteres Leben beeinflusst. Ich wünsche mir, dass jede Geburt mindestens die selbe Aufmerksamkeit und Bedeutung in unserer Gesellschaft bekommt, wie eine Hochzeit, eine Schiffstaufe, die Eröffnung einer Apple-Filiale. Das würde für den Anfang schon reichen. (Dabei ist es ähnlich dringend wie der Klimaschutz ... aber eins nach dem anderen.) Und natürlich wünsche ich mir am allermeisten, dass am Ende alle Beteiligten nicht nur lebend aus einer Geburt heraus gehen, sondern stark, mutig und das Leben liebend! Es ist nicht egal wie wir geboren werden."
Haben Sie oder Personen aus Ihrem Bekanntenkreis Erfahrungen mit dem Thema gemacht?
"Ich selbst bin nicht betroffen gewesen durch Gewalt, jedoch bin ich durch mein ehrenamtliches Engagement bei Mother Hood e. V. und das Mitverfolgen des jährlich stattfindenden Roses Revolution Days in Kontakt mit immer mehr betroffenen Familien. Auch im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis beginnen immer mehr ihre Geschichten offen zu erzählen. Sie beginnen zu hinterfragen, ihre Gefühle ernstzunehmen und einzuordnen, sich nötigenfalls Hilfe zu holen."
Wieso haben Sie Illustrationen genutzt, um auf das Thema aufmerksam zu machen?
"Als Illustratorin war für mich natürlich schnell klar, dass ich mit dem Medium Bild, die Thematik wohl am einfachsten würde bedienen können. Darüber hinaus sehe ich in Bildern aber noch einen grundsätzlichen und entscheidenden Faktor dafür, wie wir unsere Welt wahrnehmen und erleben. Die Bilder in unseren Köpfen bestimmen, ob wir etwas fürchten oder lieben, ob wir etwas ernst nehmen oder belächeln, ob wir für oder gegen etwas sind oder irgendwo dazwischen. Bilder lösen Emotionen aus und je stärker diese Emotion, desto größer ist ihr Speichereffekt. Auch Bilder mit starkem Identifikationspotenzial bleiben uns lange im Kopf. Oder solche Bilder, denen wir so lange ausgesetzt sind, bis wir uns an sie gewöhnt haben. Die Summe aller Eindrücke formt unser großes, buntes, sehr persönliches Weltbild. Ich habe sehr bald festgestellt, dass das Bild, das uns in Büchern, Filmen und journalistischen Artikeln über 'Geburt' präsentiert wird, bloß ein dürftiger Abklatsch der Realität ist. In meinem Blogartikel 'Dreht die Frauen um – wie die mediale Darstellung von Geburten unserer Geburtskultur schadet' – durch den das Bilderprojekt ins Rollen kam – habe ich mich ausführlich mit diesen 'falschen Bildern' auseinandergesetzt. Mein ursprünglicher Plan war es, das negative Bild von Geburt zu durchbrechen und nur noch positive, bestärkende Geburtsbilder zu zeigen. Doch dann drängten sich sehr schnell diese anderen Bilder in mir auf. Ich hatte so gut wie keine Chance. Diese Bilder wollten gemalt werden, sie wollen an die Oberfläche. Und es werden noch einige folgen. Sofern mein Alltag es zulässt, lasse ich abends, wenn die Kids schlafen, dann die Bilder entstehen, die aufrütteln, wehtun und sicher oft 'zu viel des Guten' sind. Doch 'zu viel des Guten' scheint momentan gerade so auszureichen, um überhaupt etwas zu bewegen. Ich merke, die Bilder kommen an ... aber nicht mit Blümchen durch die Hintertür, sondern mit einem kräftigen Schubs über den Tellerrand. Solange die Dramatik der Lage nicht im Bewusstsein der Leute und der Verantwortlichen angekommen ist, können wir noch so oft erzählen und zeigen wie toll und wichtig Geburt ist, es würde nicht verstanden werden. Die positiven Bilder werden kommen, sobald die Zeit für sie reif ist. Bis dahin muss es aber noch ein paar Mal knallen im Kopf derer, die Geburt immer noch für einen Nebenschauplatz halten, der nichts oder nur für einen kurzen Moment etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun hat."