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Haben Frauen bei Hausgeburten künftig noch die Wahl?

Haben Frauen bei Hausgeburten künftig noch die Wahl?
© Ian Hooton/Science Photo Library/Corbis
Der Konflikt zwischen Hebammen und Krankenkassen geht in eine neue Runde. Streitpunkt sind neue Regelungen für Hausgeburten. Schränken sie die Wahlfreiheit der Frauen ein? Was wir bislang wissen.

Viele schwangere Frauen, die eine Hausgeburt planen, sind aktuell verunsichert. Wie frei sind sie wirklich in ihrer Wahl, die Geburt ihres Kindes nach ihren Wünschen durchzuführen? Können sich Ärzte einmischen und eine Klinikgeburt anordnen, über den Kopf der Hebamme und der Frau hinweg?

Grund für die Verunsicherung ist die Entscheidung eines Schiedsgerichts in dieser Woche. Es hat über mehrere strittige Fragen zwischen dem Deutschen Hebammenverband (DHV) und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) geurteilt.

Dabei ging es um den Ausgleich für die gestiegenen Versicherungsprämien - aber auch um die Regelungen für Hausgeburten.

Die schriftliche Form des Schiedsspruchs liegt noch nicht vor, daher existieren bislang nur die Presseinfos der beteiligten Parteien.

Was wir bislang wissen:

Was ändert sich künftig bei den Hausgeburten?

Der GKV-SV hatte darauf bestanden, dass die so genannten Ausschlusskriterien, die bereits für Geburten im Geburtshaus gelten, auch für Hausgeburten verpflichtend werden.

Demnach sollen bei bestimmten medizinischen Problemen eine Hausgeburt ausgeschlossen werden. Dazu gehören: ein Riss in der Gebärmutter, eine gefährliche Blutgruppen-Inkompatibilität zwischen Mutter und Kind oder eine bestehende Diabetes.

Wird der Geburtstermin um drei Tage überschritten, soll es bei geplanten Hausgeburten außerdem eine verpflichtende ärztliche Untersuchung geben.

Und über diese Untersuchung wird nun gestritten: Der Hebammenverband und auch viele Mütter befürchten, dass Ärzte in solchen Fällen grundsätzlich pro Klinikgeburt sind und von Hausgeburten abraten.

"Die Einführung von Ausschlusskriterien hat nichts mit einer Verbesserung der Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe zu tun, sondern bewirkt ihre Abschaffung", meint Katharina Jeschke, Verhandlungsführerin des DHV.

Wer entscheidet über Hausgeburten - der Arzt oder die Hebamme?

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Fakt ist: Es entscheidet weiterhin die schwangere Frau. Nora Imlau, Fachautorin und Journalistin, hat beim GKV-SV nachgehakt und versichert bekommen, dass die Ärzte nach Überschreiten des Geburtstermins lediglich ein "Facharztkonsil" abgeben.

Das heißt: Es gibt einen Ultraschall und einen ärztlichen Befund. Und mit dem könne die Frau zur Hebamme gehen und selbst entscheiden, ob sie die Geburt wie geplant zuhause durchführen wollen oder lieber in einer Klinik. Ausnahme: Es liegt eines von den oben genannten schwerwiegenden Problemen vor.

"Der Arzt entscheidet also weder, ob die Hausgeburt stattfindet oder nicht, noch muss er für die Sicherheit einer Hausgeburt haften, was die Entscheidung sonst sicher beeinflusst hätte", so Nora Imlau.

Wann wird die Hausgeburt von den Kassen bezahlt?

Die Kosten für Hausgeburten werden laut GKV-SV weiterhin von den Kassen übernommen, auch dann, wenn es in den drei Tagen nach dem Geburtstermin zu einer Spontangeburt kam und kein Arztbesuch mehr möglich war.

Gezahlt würde auch dann, wenn sich Mutter und Hebamme für die Hausgeburt entscheiden, obwohl der ärztliche Befund auf Probleme hinweist.

Allerdings: Komme das Kind zu Schaden, werde in einem zweiten Schritt geprüft, ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliege und ob die Krankenkasse sich die Kosten vom Verursacher erstatten lasse.

An genau diesem Punkt wird sich wohl auch entscheiden, wie frei die Beteiligten wirklich in ihren Entscheidungen sind. Gilt das Urteil der Hebamme ebenso viel wie der ärztlichen Befund? Kommt es womöglich zu mehr Rückzahlungsforderungen wegen grober Fahrlässigkeit? Das wird wohl erst die Praxis zeigen.

Haben Frauen weiterhin die Wahl?

Für Nora Imlau, die selbst mit dem dritten Kind schwanger ist und eine Hausgeburt plant, sind die aktuellen Fakten aus Sicht der Schwangeren dennoch erstmal beruhigend. Sie sieht in den neuen Regelungen weder eine Abschaffung der Hausgeburt noch fühlt sie sich in ihrer Wahlfreiheit bei der Geburt eingeschränkt.

Das Verhalten der Konfliktparteien habe aber zu Chaos geführt. "Ich finde es problematisch, dass beide Seiten Pressemitteilungen herausgegeben haben und sich auf einen Schiedsspruch beziehen, der noch nicht veröffentlicht ist." So entstehe bei Schwangeren viel Verunsicherung. "Es wäre professioneller gewesen, erstmal abzuwarten."

Nora Imlau kritisiert auch den Hebammenverband. "Statt den Schwangeren Angst zu machen, dass die Hausgeburt abgeschafft werde, wäre es hilfreich gewesen, sie zu beruhigen und genau darüber aufzuklären, was diese Ausschlusskriterien überhaupt sind."

70 Prozent der Versicherungsprämien werden ausgeglichen

Die zweite Entscheidung des Schiedsgerichts ging über den Konflikt über die Hausgeburten ziemlich unter. Demnach bekommen die Hebammen für die gestiegenen Haftpflichtprämien (auf 6274 Euro pro Jahr) künftig von den Kassen eine Ausgleichszahlung von bis zu 4340 Euro. Voraussetzung ist, dass sie mindestens eine Geburt im Quartal betreuen.

Bislang gab es zwar auch einen Zuschlag - allerdings nur pro Geburt, was Hebammen mit wenigen Geburten benachteiligt hat. Jetzt bekommen alle die gleiche Ausgleichszahlung.

Das entlastet vor allem die Hebammen auf dem Land, wo es weniger Geburten gibt und wo viele bereits ihren Beruf aufgeben mussten, weil die Versicherungsprämien so hoch sind.

Für den Deutschen Hebammenverband geht dieser Beschluss jedoch nicht weit genug. Er fordert, dass die Versicherungsprämien voll ausgeglichen werden und will dafür weiter kämpfen.

Der Streit wird also weitergehen.

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