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Frühe Fehlgeburt: "Du warst doch gar nicht richtig schwanger"

Frühe Fehlgeburt
© PranThira / Shutterstock
Während der ersten Wochen findet eine Schwangerschaft meistens im Geheimen statt. Der Bauch wächst noch nicht, und die Mutter hat ihre Freude erst mit wenigen geteilt. Bei einer frühen Fehlgeburt ist sie dann oft auch mit ihrer Trauer allein.

Vier Schwangerschaften, ein Kind

Wenn meine 5-jährige Tochter Lili* fragt, warum sie kein Geschwisterchen bekommt, lenke ich schnell ab und sage so etwas wie: "Ach, das ist nicht so einfach. Aber wir sind unendlich froh, dass wir dich haben".

Zum Glück fragt sie nicht weiter nach. Irgendwann werde ich ihr erzählen, dass ich viermal schwanger war und drei Kinder verloren habe.

Ich wollte immer zwei Kinder. Mein Mann und ich haben lange erfolglos probiert, schwanger zu werden. 2010 entschieden wir uns zu einer Kinderwunschbehandlung, beim ersten Mal nistete sich die Eizelle zwar ein, aber schon nach wenigen Tagen bekam ich Blutungen.

Ich blieb cool, hoffte auf die nächste Behandlung. Dieses Mal hatten wir mehr Glück, bei den ersten Untersuchungen war alles gut. Mein Mann und ich waren so happy, dass wir es allen erzählten. Viele reagierten zurückhaltend. So früh freut man sich nicht, es geht doch oft noch schief, dachten sie wohl. Und sie hatten recht.

"Ich wollte einfach nur bei meinem Kind sein, am liebsten auch tot"

Wir feierten das schönste Weihnachten überhaupt, schmiedeten erste Pläne als werdende Eltern, überlegten uns Namen für unser Baby. Doch in der 7. Woche, kurz nach Silvester, zeigte sich beim Ultraschall kein Herzschlag. Zwei Tage später war die Ausschabung.

Ich fiel in eine starke Depression, lag nur noch im Bett, wollte einfach nur bei meinem Kind sein, am liebsten auch tot. Ich habe mich eingeigelt, bei Facebook alle Kontakte gelöscht, wollte keine Babybauch-Postings mehr sehen.

Ich konnte mit niemandem reden, niemand war in einer ähnlichen Situation.

Mein Mann hatte nach ein paar Wochen damit abgeschlossen. Ich war bei einem Therapeuten, wir hatten bei ihm auch Paargespräche, aber es war trotzdem nicht einfach, zu akzeptieren, dass wir so unterschiedlich trauerten.

In den nächsten Monaten habe ich langsam wieder zu leben gelernt. Geholfen hat mir dabei vor allem eine Selbsthilfegruppe für Eltern von Sternenkindern, dort fühlte ich mich in meiner Trauer ernst genommen.

Ich habe mir neue Aufgaben gesucht, meinen ungeliebten Job gekündigt, mich selbstständig gemacht, unsere Ferienwohnung aufgebaut.

Im Herbst machten wir den dritten Versuch, dieses Mal ging es gut, aber ich hatte monatelang Angst. Erst in der 36. Woche der Schwangerschaft habe ich mich getraut, Babysachen zu kaufen. Lilli wurde im Juli 2012 geboren,
endlich waren wir glücklich!

Dann hatte ich wieder eine frühe Fehlgeburt

Es folgten zwei Jahre randvoll mit Friede, Freude,
Eierkuchen. Als wir gerade über eine
weitere Kinderwunschbehandlung nachdachten, kam uns das Leben dazwischen. Die Eltern meines Mannes starben innerhalb eines Jahres, wir hatten beruflich viel Stress, und mein Mann hatte Angst davor, dass ich noch mal so tief in eine Depression fallen könnte, falls es wieder nicht klappt. Also schoben wir die Entscheidung ewig vor uns her.

Im Mai 2016 war ich plötzlich unerwartet schwanger, ohne Kinderwunschbehandlung. Ich habe mich gleich riesig gefreut, mein Mann musste das erst mal verdauen. Und dann bekam ich in der 8. Woche Blutungen und hatte einen natürlichen Abgang.

Wir hatten diesmal niemandem davon erzählt, auch nicht unserer Tochter. "Mama, dein Bauch ist dick, bekommst du ein Baby?", fragte sie ein paar Tage, nachdem ich es verloren hatte, abends im Bad. Ich ging schnell raus, damit sie meine Tränen nicht sah. Es war unglaublich schwer, ganz alleine traurig zu sein. Am liebsten hätte ich es laut herausgeschrien, aber ich schluckte den Schmerz runter.

Der Wunsch nach einem zweiten Kind wird bleiben

Die Frauenärztin wollte mich trösten: "Beim nächsten Mal unterstützen wir das gleich mit Hormonen", meinte sie. Hätte ich mein Kind retten können, wenn ich das gewusst hätte?

Die Info hat mich nur noch trauriger gemacht. Denn es wird kein nächstes Mal geben. Es sind so viele Jahre vergangen, mein Mann möchte jetzt kein weiteres Kind mehr. Letztes Jahr im Sommer hat er den Kinderwagen und Kindersitz verkauft, und ich habe schweren Herzens sechs Kisten mit Kinderklamotten abgegeben.

Die letzten Eizellen für eine weitere Behandlung sind noch eingefroren, die Rechnung dafür flattert jedes Jahr im Herbst ins Haus. Ich müsste dort eigentlich mal kündigen, aber dieses Schreiben wird das schwerste meines Lebens werden.

*Namen der Kinder von der Redaktion geändert

Ein Artikel aus BRIGITTE MOM 02/2018

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