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"Ich beneide dich um dein Baby"

Neidisch aufs Baby: Frau mit Nachwuchs
© g-stockstudio / Shutterstock
Was passiert zwischen Freundinnen, wenn die eine bekommt, was die andere will: ein Baby? BRIGITTE MOM-Mitarbeiterin Merle Wuttke über eine doofe Situation.

Sie hat einfach aufgelegt. Mitten im Satz. Dabei hatte ich mich so gefreut, es ihr zu sagen. "Suse, halt dich fest, ich bin schwanger!" Und dann? Klick. Aus. Vorbei.

Als ich es erneut versuchte, war das Telefon ausgestellt. Seitdem haben eine meiner engsten Freundinnen und ich ein Problem. Eines, mit dem ich vorher nie gerechnet hätte.

Alle freuen sich - außer Suse

Denn Suse will ein Kind, und ich bekomme eins. Ungeplant zwar, aber nicht unerwünscht. Ich freue mich. Mein Mann freut sich. Der Rest der Familie freut sich, die Freunde auch. Alle – außer Suse.

Nach dem Telefonat habe ich sie drei Wochen in Ruhe gelassen, bis ich mich wieder traute, mich zu melden. "Hey, können wir reden?" – "Ich habe viel zu tun, aber – meinetwegen."

Wir verabredeten uns in einem Café. Die Begrüßung? Kühl, verkrampft; Suse war verschlossen und unnahbar. Dabei kenne ich sie seit 15 Jahren, sie durfte damals in die WG einziehen, weil sie beim Vorstellungsgespräch "Moon Safari" von Air aus der Tasche zog.
Wir sind früher gemeinsam durch die Nächte gezogen, mit dem Bus nach Korsika gefahren, wir kennen uns ungeschminkt und mies gelaunt und wissen genau, in welchen Momenten der anderen nur noch teure italienische Schokolade und ein Klatschblatt hilft.

Ich dachte: Die will gar keine Kinder

Nichts, dachte ich, kann sich zwischen diese Freundschaft drängen. Kein Mann, keine Karriere, keine drei Jahre China oder Ähnliches und ganz bestimmt nicht das zwei Zentimeter kleine Wesen, das gerade in meinem Bauch heranwächst.
"Ich wollte es dir einfach so früh wie möglich sagen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass dich diese Nachricht so trifft. Auch wegen der Sache mit Christoph."

Suse sah mich bei diesem Treffen mit einem Blick an, den ich so nicht von ihr kannte und den sie mir in den folgenden Monaten öfter zeigen würde. Christoph, ihr Ex, hatte sie vor drei Jahren verlassen – er wollte damals eine Familie gründen, sie nicht. Suse wollte im Job weiterkommen, ein halbes Jahr lang die Auslandsabteilung ihres Unternehmens in Brasilien mit aufbauen, sich eine Wohnung kaufen. Wollte Verantwortung, aber nicht für ein Kind.

Sowieso: Kinder waren ohnehin nie ihr Thema. Dachte ich jedenfalls und deshalb automatisch: "Die will gar keine." Das war naiv und ziemlich dumm.

Ihr Freund will keine Kinder

"Ach, du weißt doch gar nichts!", zischte sie. "Ich bin 39. Was meinst du denn, wie viel Zeit ich noch habe, um über Babys nachzudenken?" Suse hat einen neuen Freund. Thomas. Guter Typ, richtiges Alter, ohne Ex-Frau und Kinder im Nacken. Ganz bitter klang Suses Stimme, als sie sagte: "Das nennt man wohl Schicksal: Diesmal will der Mann nicht, mit dem ich will."

Scheiße. Liebe ist kompliziert. Babys und Beziehungen sind noch komplizierter. Lediglich acht Prozent der Deutschen zwischen 25 und 59 Jahren wollen ausdrücklich keine Kinder. Und ausgerechnet Suses neuer Freund gehört dazu. Ich sah sie an, diese wunderschöne, kluge Frau, und sie tat mir leid. Einerseits.

Andererseits saß mir ein kleiner Teufel im Nacken und flüsterte: "Selber schuld. Du hättest längst eine Familie haben können. Mit Christoph. Aber da wolltest DU ja nicht."

Das war fies, ungerecht und respektlos, aber ich habe es gesagt. Und bin selber erschrocken. Für den Rest des Abends sprachen wir über ihren Job, meinen Job, den nächsten Urlaub, den letzten Kinobesuch. Bloß nicht über meinen Bauch.

Ist es zu viel verlangt, dass meine Freundin für mich da ist?

Danach fuhr ich nach Hause, ohne eine Ahnung, wie das weitergehen sollte zwischen uns. Wie konnte ich Suse trösten, ohne dass alles, was ich sage, falsch verstanden würde?

Ich will für Suse da sein. In guten und in schlechten Zeiten. Aber ist es zu viel verlangt, wenn ich möchte, dass sie als meine Freundin auch für mich da ist? Dass sie Anteil nimmt, an all den neuen aufregenden Dingen, die ich jetzt und in den nächsten Monaten erlebe. Ist das denn schon egoistisch? Darf ich mir nicht ein kleines bisschen wünschen, dass man sich auch in mich hineinfühlt?

Und: Dieser kleine Mensch, der in mir heranwächst, er ist schon jetzt ein Teil von mir, und er wird es immer sein. Muss Suse nicht auch lernen ihn anzunehmen, um meinetwillen, egal, wie es um ihre eigene Situation bestellt ist?

Auch ich habe Sorgen

Erst vor ein paar Tagen hatte ich so ein schmerzhaftes Ziehen im Unterleib und für kurze Zeit echte Sorge, ob mit dem Kind etwas nicht stimmt. Auch mir geht es nicht immer gut mit meiner Schwangerschaft. Ich reite nicht ständig auf der Glückshormonwelle.

Ich habe manchmal Angst vor der Zukunft: vor der Geburt, ob ich eine gute Mutter sein werde – wie gern würde ich Suse solche Dinge anvertrauen, weil ich weiß, dass sie mich oft besser trösten könnte als mein eigener Mann. Suse und ich, wir verfügen schließlich über so viele Jahre gegenseitige Trost-Erfahrung, dass mich kaum jemand so beruhigen kann wie sie.

Aber all das scheint gerade ausgeschlossen, weshalb mir manche Gespräche bei unseren Treffen schal vorkommen. Klassischer Fall von Prioritätenverschiebung. Suse redet dann über das neue Wellnesshotel an der Ostsee, in dem sie war, ich konzentriere mich auf den Schaum meines alkoholfreien Bieres. Wir bemühen uns, und trotzdem bleibt es: eine doofe Situation.

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Ein Artikel aus BRIGITTE MOM 1/2013

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