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Wie wir mit Mädchen über unsere Körper reden sollten

Wie wir mit Mädchen über unsere Körper reden sollten
© Corbis
Wenn schon Grundschülerinnen sich "zu dick" finden, läuft etwas verdammt schief. Eine Mutter über die schwierige Aufgabe, ihren Töchtern ein gutes Körpergefühl zu vermitteln.

Jetzt im Frühling haben wieder alle Frauenzeitschriften ihre Diäten auf dem Titel. Die Hefte, die bei uns zuhause in der Küche liegen, dreh ich dann immer mit dem Cover nach unten. Warum? Weil ich manche Dinge von meinen Kindern fern halten möchte, um sie so lange wie möglich davor zu beschützen.

Ich finde, sie müssen sich nicht unbedingt darüber im Klaren sein, dass viele Menschen – vor allem Frauen – mit ihrem Körper unzufrieden sind und sich ständig bemühen, ihn zu optimieren, hin zum Dünneren.

Ich möchte nicht, dass meine beiden Töchter, sieben und zehn Jahre alt, lernen, Menschen in "dick" und "dünn" einzuteilen. Ich möchte nicht, dass sie, jetzt oder später, ihren eigenen Körper kritisch beobachten, ihn unzureichend finden und meinen, dass sie ihn verändern müssen. Ich wünsche mir zwei starke, selbstbewusste, Mädchen, die sich wohl in ihrer Haut fühlen und sich als die Menschen annehmen, die sie sind.

Schon Grundschülerinnen sprechen von Diäten

Ich finde es ganz schrecklich, wenn meine erwachsenen Freundinnen sich in Gegenwart ihrer Töchter im Spiegel anschauen, sich in den eigenen Hüftspeck kneifen und murmeln: "Mann, Mann, hab ich im Winter zugelegt, das muss runter." Mich macht die Selbstverständlichkeit, mit der schon Grundschulmädchen von "Diäten" sprechen und sich selbst oder gegenseitig als "zu dick" bezeichnen, traurig. Ich sehe sie zu unzufriedenen Frauen heranwachsen, immer nur ein paar Schritte von einer Essstörung entfernt.

Körpergefühl lernen Kinder zuallererst von ihren Eltern. Wie soll ein Mädchen den eigenen Körper lieben, wenn sie dauernd erlebt, wie ihre Mutter an ihrem herummäkelt?

Wir reden vor den Kindern nicht über Körper

Mit meinem Mann habe ich ausgemacht: Wir reden vor den Kindern nicht über Körper – nicht über die eigenen und nicht über die von anderen. Also, natürlich schon, wenn was weh tut oder nicht richtig funktioniert. Aber mein Mann bemerkt jetzt nicht mehr ständig beim Anziehen, dass seine Hosen alle zu weit geworden sind, seit er regelmäßig Sport treibt. Und ich gratuliere der Freundin, die 15 Kilo abgenommen hat, nicht vor meinen Mädchen dazu, dass sie toll aussieht. Die Kinder sollen nicht das Gefühl bekommen, dass sich der Wert eines Menschen an seinem BMI bemisst.

Die beiden gucken "Alf" und "Pan Tau" auf DVD, aber nicht "Germany's Next Topmodel" im Fernsehen. Sie wissen, dass man Obst und Gemüse essen soll, weil es gesund ist, und wenig Zucker, weil der nicht gut für den Körper ist. Aber ich wäre entsetzt, wenn ich mein eigenes Kind so was sagen hören würde wie neulich eine Freundin meiner Großen: "Eigentlich kann ich mir ja keinen Keks mehr leisten, aber ausnahmsweise gönn ich mir jetzt trotzdem noch einen." (Meine Kleine sagte darauf ganz erschrocken: "Aber den musst du doch nicht bezahlen, du bist doch bei uns zu Besuch!")

"Die Sophia, die ist ja dick."

Natürlich weiß ich, dass ich meine Kinder nicht unter eine Glocke packen kann. Sie hören auf dem Schulhof den ganzen Kram, den ihre Freundinnen von ihren Müttern und großen Schwestern aufschnappen. Schon Erstklässlerinnen bewerten ihre Körper.

Meine jüngere Tochter bemerkte einmal ganz sachlich: "Die Sophia, die ist ja dick." Ich fragte entsetzt, ob sie die Sophia aus ihrer Klasse meine und dass die doch alles andere als dick sei. Sie schaute mich mit großen Augen an: "Sophia, Mama. Natürlich ist die dick."

Sophia ist das normalste, gesündeste Mädchen, das man sich vorstellen kann, nur eben nicht ganz so mager wie manche Mädchen aus der Klasse (was bei uns genau so wenig kommentiert wird wie ein kleines Speckpolster).

Und es war auch meine Kleine, die einmal, als sie keine Lust hatte, ihre Salatgurke zum Abendbrot zu essen, empört ausrief: "Immer zwingst du mich zum Essen! Du willst wohl, dass ich dick werde!" Noch ist so ein Spruch putzig, aber wenn eine 13-Jährige ihn sagt, würde ich aufhorchen.

Doch auch, wenn meine Töchter draußen in der Welt mit einer Körperwahrnehmung in Kontakt kommen, die ich für ungesund für heranwachsende Mädchen halte: Unsere Wohnung soll ein geschützter Ort sein, wo die Bewertung von Äußerlichkeiten keinen Platz hat.

Manche Mütter übertreiben mit der Angst vor Speckröllchen

Zu gut kenne ich die Geschichten von Freundinnen, deren – zweifellos liebevolle und wohlmeinende – Mütter sie schon als Kinder auf Diät gesetzt haben, weil sie befürchteten, die Mädchen könnten pummelig werden. Eine Freundin hat mir unter Tränen erzählt, wie ihre Mutter zu ihr sagte, als sie acht war: "Schätzchen, jetzt können wir noch was machen mit deinem Gewicht, später wird es von Jahr zu Jahr schwieriger."

Die Mutter entwarf Essenspläne und erlaubte ihrem Kind nicht, einen Bikini zu tragen. Auf Kinderfotos sieht man ein anfangs fröhliches, aktives, später zunehmend traurig dreinschauendes Mädchen. Vor allem aber sieht man ein vielleicht etwas speckiges, aber keineswegs adipöses Kind.

Weder diese Freundin noch die anderen, die ähnliche Geschichten haben, konnten jemals ein normales Essverhalten oder Liebe zu ihrem Körper entwickeln. Alle wurden als junge Frauen dick und hangeln sich seitdem von Diät- zu Fressphasen und wieder zurück. Schön finden sie sich nur, wenn ihr Gewicht auf dem Tiefststand ist.

Die Freundin, die keinen Bikini tragen durfte, sagt: "Am schlimmsten dabei ist, dass niemand mich als Kind zu dick zu finden schien, weder meine Freundinnen noch meine Klassenkameradinnen. Nur zuhause hat man mir das Gefühl gegeben, dass ich so, wie ich war, nicht richtig war."

Und das ist genau das, was ich meinen Kindern vermitteln will: Ihr seid genau richtig, so wie ihr seid, egal ob pummelig oder mager oder irgendwo dazwischen. Ihr werdet größer, eure Körper verändern sich, ihr werdet in eurem Leben mal dicker und mal dünner sein, und solange ihr euch mit euch selber wohl fühlt, wird es okay sein. Oder, um es mit den Worten des großen Don Draper aus "Mad Men" zu sagen: "Change is neither good nor bad. It just is."

Video: 5 Fragen, die du deinem Kind statt "Wie war dein Tag?" stellen kannst

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