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TV-Film "Die Mütter-Mafia": Allein unter Super-Mamas

TV-Film "Die Mütter-Mafia": Allein unter Super-Mamas
© Selina Pfrüner
Bei der Verfilmung des Bestsellers "Die Mütter-Mafia" trafen sich Autorin Kerstin Gier und Hauptdarstellerin Annette Frier am Set - und rotteten sich sofort zusammen. BRIGITTE MOM sprach mit ihnen über Frauen, die sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen.

BRIGITTE MOM: Die Hölle – das sind die anderen Mütter. Kerstin Giers Bestseller "Die Mütter-Mafia" warnt vor Super-Mamas, die einen nur runterziehen. Er erzählt von der alleinerziehenden Constanze, die ihr unperfektes Leben und ihre unperfekten Kinder gegen die Bilderbuch-Mütter mit ihren Bilderbuch-Kindern verteidigen muss. Waren Sie auch in den Fängen einer solchen "Mütter-Society"?

Kerstin Gier: Ja, und ich fand das soooo anstrengend: Da kommen diese Mütter mit den ganzen Kindern und man muss das Haus aufräumen, weil es bei denen immer aussieht wie aus dem Ei gepellt. Und eigentlich will man seine Zeit gar nicht mit Putzen und diesen Leuten verbringen. Bei mir war ?s einfach schlechtes Timing. Die Kinder meiner Freundinnen waren entweder schon groß oder sie kamen nie. Und dann sucht man sich eben Gleichgesinnte. Will Anschluss wie ein unsicherer Teenager. Aber das sind ja keine Seelenverwandten. Das sind nur Menschen, die Kinder im gleichen Alter haben. Und die tun einem nicht unbedingt gut.

Auf der Homepage der "Mütter-Society", die in Buch und Verfilmung ihr Unwesen treibt, heißt es: "Wir sind ein Netzwerk fröhlicher, aufgeschlossener Frauen, die alle eins gemeinsam haben: den Spaß am Mutter-Sein. Ob Karrierefrau oder "Nur"-Hausfrau: Hier tauschen wir uns über relevante Themen der modernen Frau und Mutter aus und unterstützen uns gegenseitig."

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Kerstin Gier: Schön wär's. Junge Mütter brauchen alle Unterstützung der Welt, echte Solidarität wäre da ein Segen. Ich kenne allerdings Frauen, die erzählen, dass sie in einer PEKIP-Gruppe Freundinnen fürs Leben gefunden haben. Dann denk ich immer: Oh, vielleicht liegt's doch an mir...

Annette Frier: Diese angeblich so perfekte Mutter-Welt, die bei unserem Film ein bisschen nach "Desperate Housevives” aussieht, hat wirklich was Monströses. Man glaubt nicht, dass sie wirklich so existiert, bis man zum ersten Mal zu einem Kurs eingeladen wird. Kerstin Gier: Ich habe diese Super-Mütter schon früher getroffen. Als frisch gebackene Diplompädagogin habe ich Mutter-Kind-Kurse gegeben, und diese Mütter waren alle Laktations-Beraterinnen im Nebenberuf. Und ihre Einjährigen: lauter hochbegabte Überflieger. Die waren ziemlich fies zu mir, weil sie sich allen, noch kein Kind hatten, meilenweit überlegen fühlten.

Annette Frier: Da war deine "Mütter-Mafia" dann ja eine schöne Rache. Hast du mal Ärger gekriegt deswegen?

Kerstin Gier: Im Kindergarten meines Sohnes gab es mal eine ganz fürchterliche Mutter. Was sie von sich gegeben hat, war so druckreif, das ich es zu Hause einfach aufschreiben MUSSTE. Als das Buch dann draußen war, kam sie eines Tages zu mir und sagte: Ich hab die "Mütter-Mafia" gelesen. Zuerst hab ich gedacht: Die verklagt dich. Und dann: Die verarscht dich. Sie war nämlich ganz begeistert und hat Tränen gelacht. Und nicht gemerkt, über wen sie da eigentlich lacht...

Annette Frier: Mittlerweile weiß ich: Tja, es gibt die Zeit vor den Feuchttüchern und die Zeit nach den Feuchttüchern. Das ist definitiv so. Kerstin Gier: Bist du denn auch in einem Mütter-Parelleluniversum gelandet, nur weil du dazu gehören und alles richtig machen wolltest?

Annette Frier: Ich bin ja in Köln aufgewachsen, wo ich heute noch lebe, und brauchte mir jetzt nicht unbedingt neue Mutter-Freundinnen zu suchen. Aber in dieses Paralleluniversum der perfekten Mütter gerät man trotzdem: Beim ersten Elternabend im Kindergarten zum Beispiel, bin ich fast vom Stuhl gefallen. Ich hab ich an meinem Mann festgekrallt und ihn gefragt, was hat diese Mutter da gerade gesagt: Europäische Leistungsstandards?

Kerstin Gier: Dein Mann war mit?

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Annette Frier: Der ist ja öfter da als ich. Im Gegensatz zu mir kennt er alle im Kindergarten mit Vornamen. Kinder und Eltern. Beim Elternabend flüstert er mir dann immer zu: Das ist die Mutter vom Matts, das sind die Soundsos...

Kerstin Gier: Bei Elternabenden machen wir bis heute Schnickschnackschnuck – der Verlierer muss hingehen. Mein Mann konnte immer die besten Laternen basteln. Er hat seine Arbeitszeit reduziert, damit ich mehr Zeit zum Schreiben habe. Da haben wir uns wohl die Richtigen ausgesucht.

Annette Frier: Und Riesenschwein gehabt. Das weiß man ja vorher auch nicht, wie sich der eigene Mann so als Vater macht. Wenn meiner jetzt nicht Drehbuchautor wäre und nicht sagen würde, mach du mal deine Arbeit, ich find das zu Hause gar nicht schlecht, dann wüsste ich auch nicht, wie wir das hinkriegen sollen. Beide müssen beruflich zurückstecken, sich die Aufgaben teilen - das liest man immer als Forderung oder als Paradebeispiel aus Skandinavien. Aber normal ist das noch lange nicht, schau dich doch mal um...

Kerstin Gier: Bei uns auf dem Land ist das noch seltener. Wenn dann doch mal ein Mann im Kindergarten aufkreuzt, flippen alle gleich aus: "Wahnsinn, du ziehst dem Kind die Schuhe an! Mein Mann weiß gar nicht, wie das geht. Mein Mann kriegt nicht mal den Reißverschluss von der Jacke zu, das muss alles immer ich machen.... Das nervt dann auch.

Annette Frier: Das kenn ich. Als ich die Zwillinge bekommen habe, lag ich schon eine ganze Woche im Krankenhaus. Dann hat mein Mann da auch mal übernachtet, und sofort waren alle hin und weg: "Das ist so toll, der Vater hat hier geschlafen." Da dachte ich, ihr habt sie ja nicht mehr alle.

Kerstin Gier: Bei Vätern ist eben immer alles super.

Annette Frier: Und als Frau machst es auf jeden Fall falsch. Egal, was du tust.

Kerstin Gier: Und am Ende hat wirklich jede ein schlechtes Gewissen. Alle haben das Gefühl, dass sie es nicht richtig machen. Oder nicht gut genug. Klar, wir alle machen Fehler. Aber wenn man sich das eingesteht, kann das schon eine enorme Entlastung sein. Man kann die Fehler ja minimieren. Oder sich entschuldigen. Beim Kind.

Annette Frier: Oder ihm erklären, warum man das macht. Dass man das mit dem Kind verhandelt und sagt: Ich geh arbeiten, nicht nur fürs Geld, sondern weil ich da Bock drauf hab. Ich mach den Film, weil ich dazu Lust habe.

Kerstin Gier: Man fragt sich ja, warum so viele Frauen völlig den Humor verlieren, wenn sie Kinder bekommen. Wo bleibt die Selbstironie?

"Am Anfang habe ich gedacht: Ich bin falsch. Mit mir stimmt was nicht."

Annette Frier: Dabei ist Humor doch die einzige Waffe. Aber die Guten kriegen sich alle wieder ein. Die sind dann irgendwann wieder wie früher. Nur am Anfang sind alle Mütter Mutanten. Weil man so gar nicht weiß, wie man mit der Situation umgehen soll. Ich hab nichts auf die Reihe gekriegt und nur noch gedacht: Wenn das jetzt immer so ist, werde ich nie wieder allein aus dem Haus gehen. Mit dieser Angst bin ich dann am Rhein mit dem Kinderwagen auf- und abgefahren, nachdem ich anderthalb Stunden gebraucht habe, um überhaupt rauszukommen. Ich war einfach nur todmüde, und dann sagten die Leute zu mir: Na, ist das nicht die schönste Zeit deines Lebens? Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Und hab nur verstrahlt gelächelt.

Kerstin Gier: Du kommst nicht vom Sofa runter. Du stillst und stillst und wickelst und stillst und stillst. Und alle fragen: Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Und du weißt es irgendwie auch nicht, aber selbst darüber traust du dich nicht zu reden.

Annette Frier: Das ist wie mit der Mutterliebe. Ich wäre für meine Kinder ins Meer gesprungen, aber es war nicht so, dass ich gleich nach der Geburt gesagt hätte: Ja, fertig ist die Mutter. Das hat total gedauert. Am Anfang habe ich gedacht: Ich bin falsch. Mit mir stimmt was nicht. Weil ich alles so höllisch anstrengend fand. Es gibt bestimmt Mütter, bei denen alles von Anfang an toll ist. Aber das sind vielleicht 10 bis 15 Prozent. Und dann gibt es was dazwischen. Aber bestimmt fühlen sich 20 Prozent so wie ich am Anfang: Nämlich völlig daneben. Du glaubst, alle anderen sind glücklich. Und du? Du bist immer nur angestrengt.

Kerstin Gier: Oft ist es auch die Kombination der Gefühle, die einfach eine krasse Mischung ergibt: Ich hatte noch nie so starke Gefühle für jemanden wie für meinen Sohn. Und auf der anderen Seite ist es sau-langweilig und schweine-anstrengend, den ganzen Tag mit so einem kleinen Kind zusammen zu sein. Du liebst es so sehr, du fühlst diese riesige Verantwortung. Du willst es keine Sekunde aus den Augen lassen – und wirst dabei fast irre.

Annette Frier: Du bist völlig überfordert und unterfordert zugleich. Weil du etwas tust, was du noch nie gemacht hast. Und am Anfang, wo die Kinder sich noch so krass verändern, musst du ja auch jeden Monat was anderes können.

"Man muss die Frauen anlügen, in ihrem eigenen Interesse."

Kerstin Gier: Und wenn man dann noch zwei auf einmal hat wie du.... Schon mit einem Kind war diese erste Babyzeit für mich eine Extremsituation. Ein bisschen wie ein Flugzeugabsturz – nur dass es eben viel länger dauert.

Annette Fier: Ich hab anderen Zwillingsmüttern gesagt, wenn die mich mit ihren drei Monate alten Kindern gefragt haben, wann es endlich besser wird: spätestens mit 6 Monaten. Ich konnte ihnen einfach nicht sagen: in zwei Jahren. Frühestens. Man muss die Frauen anlügen, in ihrem eigenen Interesse.

Kerstin Gier: Aber dann denken die doch spätestens in drei Monaten, alle kriegen das hin, sogar die Frier, nur ich nicht.

Annette Frier: Wichtiger ist aber, dass sie in dem Moment einfach weiter atmen. Ich hab manchmal sogar gesagt: Morgen früh ist es bestimmt schon besser. Halt nur noch eine Nacht durch.

Kerstin Gier: Dieser Schlafmangel ist Folter. Das ist eine Art von Erschöpfung, die man einfach nicht kennt. Und man kann keinen Gedanken zu Ende denken, weil das Kind schon wieder was will. Ich war damals so verpeilt. Einmal kam ich voll beladen mit dem Maxi-Cosi nach Hause und hab schnell die Einkäufe in die Tiefkühltruhe geworfen. Deckel auf, alles rein, schnell zurück zum Kind. Nur dass das nicht die Tiefkühltruhe war, sondern die Waschmaschine. Ich hab aber nicht angestellt.

Annette Frier: Das ist allerdings geil. Warum ist das nicht in deinem Buch drin?

Kerstin Gier: Das konnte ich mir damals nicht merken, ist mir gerade erst wieder eingefallen.

Annette Frier: Meine Freundin und ich standen im Supermarkt, endlich mal ohne Kinder, und sie schuckelte trotzdem die ganze Zeit ihren Einkaufswagen. Da hab ich zu ihr gesagt: Jetzt reicht ?s, da ist doch nur Hack drin, totes Fleisch. Das geht so nicht weiter mit uns. Wir müssen uns konzentrieren. Das Leben geht weiter.

Nicht verpassen!

Die Verfilmung von Kerstin Friers Roman "Die Mütter-Mafia" mit Annette Frier in der Hauptrolle wurde am 6. April um 20.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt. 

Interview: Angela Wittmann

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