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Familienkolumne Schwimmenlernen im Mama-Kind-Urlaub

Beine baumeln im Pool
© k8most / Adobe Stock
Was macht man mit einem Kind, das zu große Angst hat, um schwimmen zu lernen? Man gönnt sich einen Mama-Kind-Urlaub mit "Seepferdchen"-Kurs. Eine Mutter erzählt, wie sie ihr Abzeichen-Trauma (fast) überwunden hat.

Wer hätte gedacht, dass ich noch einmal eine solche Prüfungsangst entwickeln würde? Ich dachte, das hätte ich seit Schule und Ausbildung hinter mir, aber mit meinen drei Kindern kam ein kleines Ungeheuer in mein Leben: Ich habe ein "Seepferdchen“-Trauma!

Nachts wälze ich mich hin und her und grübele, wie es so weit kommen konnte: Als ich selbst noch klein war, kam das orangene Schwimmabzeichen ohne Probleme zu mir. Erst kaufte mir meine Mutter auf dem Flohmarkt einen Badeanzug, auf dem das Ding zu ihrer großen Freude schon sachkundig aufgenäht worden war. Kurz danach erwarb ich meine eigene rechtmäßige Urkunde im Schwimmunterricht der ersten Klasse. Ich habe keinerlei Erinnerung an die Prüfung, die haben mir Sportlehrerin und Bademeister wohl sehr spielerisch abgenommen. Ich habe auch keinen extra Schwimmkurs gemacht. Die beim Planschen mit meinem Papa erworbenen Paddelfähigkeiten im Freibad waren wohl Vorbereitung genug.

Umso kälter hat es mich erwischt, als mir bei meinem ältesten Sohn klar wurde, dass die Sache mit dem "Seepferdchen“ plötzlich zum Kampf wird. Er war schon 6, kurz vor der Einschulung, und plötzlich hatten alle Gleichaltrigen ihr Abzeichen schon gemacht. Schwimmen ist wichtig, sogar überlebenswichtig, das weiß ich. Aber zu jener Zeit hatte das Kind zahlreiche Warzen an den Füßen und wollte nicht verpflastert in die Umkleidekabine. Und er sollte ja auch keinen anstecken. Kurz vor Schulbeginn schleppte ich ihn dann zu einer Schwimmschule, die mit dem Prinzip "Schwimmsocken“ warb: Bei der Buchung kaufen alle Teilnehmenden Spezial-Socken, damit sie die Füße bei den Übungen im Wasser besser spüren, an Land nicht auf dem nassen Kachelboden ausrutschen und vor Warzen und Fußpilz geschützt sind dank "Silbergarn“. Dementsprechend war der Preis. Aber man gönnt sich ja sonst nix. Im Kurs war ein Kind, das ihn "getunkt“ hat, er hatte große Angst. Als er am Ende bestand, hat er vor Erleichterung geweint.

Manchmal hilft selbst die beste Vorbereitung nicht

Nach dieser Erfahrung verdrängte ich das leidige Thema Schwimmenlernen bei meiner Tochter bis zum letzten Kindergartenjahr. Dann war ich schwanger und bekam die ganze Sache mit zwei kleinen Kindern und dickem Bauch logistisch irgendwie nicht mehr rechtzeitig hin. Allein beim Gedanken an die Umkleidekabine hatte ich Platzangst. Das Ergebnis: Meine Tochter kam in die erste Klasse und konnte nicht schwimmen. Außer ihr gab es nur noch einen weiteren Jungen, der kein "Seepferdchen“ vorweisen konnte. Er hatte ebenfalls gerade ein Geschwisterchen bekommen. Die beiden mussten Schwimmflügel tragen, wenn die Klasse im Hallenbad Sportunterricht hatte. Für meine Tochter ein knallorangenes Zeichen der Schande und des mütterlichen Versagens, das sie mir bis heute vorwirft.

Beim dritten Kind wollte ich also alles besser machen. So früh wie möglich fingen wir mit Babyschwimmen an. Mein jüngster Sohn hatte allerdings von Anfang an eine große Abneigung gegen Kontakt mit Wasser. Das fing beim Waschlappen an, noch immer lässt er sich die Haare nur mit Taucherbrille waschen, und Freude am Baden hatte er weder als Baby noch als Kindergartenkind. Schon beim Anblick eines Planschbeckens bekam er Panik, und wenn im Kindergarten an heißen Tagen der Wassersprinkler lockte, zog er noch nicht mal die Schuhe aus.

Als er mit der Vorschulgruppe seiner Kita zur "Wassergewöhnung" gehen sollte, war ich trotzdem voller Zuversicht. Einmal in der Woche mit seinen Lieblingserzieherinnen und seinen besten Freunden zur spielerischen Vorbereitung aufs Schwimmenlernen? Was sollte da schon schiefgehen? Ich hoffte auf Gruppendynamik und ein bisschen Spaß.

Doppelte Belastung für Eltern und Kind

Was folgte, war eine einzige Qual, und jeder Schwimmtag war Bauchwehtag. Mein Jüngster stellte sich heimlich bei Eiseskälte auf den Balkon, um sich rechtzeitig einen Schnupfen zu holen, und auf meine Frage, ob er denn gar kein Fünkchen Freude am Blubbern, Strampeln und Spritzen habe, sagte er: "Ich weine da immer, aber das sieht keiner, weil ja mein ganzes Gesicht nass sein muss."

Zu seiner und meiner Beruhigung las ich ihm in dieser Zeit jeden Abend "Ein Seepferdchen für Oskar“ von Elisabeth Zöller und Heike Herold vor. Am besten an diesem Mutmach-Buch gefällt mir bis heute, dass die Mutter in dieser Geschichte gleich zu Beginn ihre Koffer packt, um einmal im Jahr ihre "Mamatage“ zu machen – und damit das Projekt "Seepferdchen“, das auch Oskar großen Kummer bereitet, an den Vater deligiert. Meinem Sohn gefällt am besten, dass am Ende keiner mehr "Angsthase, Pfeffernase!“ ruft. Weil Oskar das Wummern im Bauch überwindet und die "mindestens zehn Meter Angst“, die ihn beim Fußsprung vom Beckenrand von der Wasseroberfläche trennen – und damit vom "Seepferdchen“.

Wie sehr das Thema nicht nur mein Kind, sondern auch mich belastete, begriff ich, als ich in der U-Bahn in Tränen ausbrach: Ich las eine Kolumne von Harald Martenstein im "ZEIT-Magazin“. Ich bin nicht nah am Wasser gebaut, aber der Einblick in den Schwimmkurs seines Sohnes und die neuen Vorschriften beim Ausatmen gaben mir den Rest. "Bei der Prüfung zum Seepferdchen, dem ersten und einfachsten Schwimmabzeichen, müssen die Kinder 25 Meter Strecke schaffen, ins Tiefe springen und einen Ring heraustauchen. Das alles konnte er im Schlaf“, schrieb Martenstein. Sein Sohn war nervös, schwamm die Strecke schnell wie nie und das gleich zweimal und bekam am Ende von der Schwimmmeisterin zu hören: "So kann ich den nicht durchkommen lassen."

Rettung in Sicht!

Das Kind halte beim Ausatmen den Kopf zu hoch. Man müsse beim Schwimmen immer ins Wasser ausatmen. "Der Junge stieg weinend aus dem Becken", schrieb der Vater. "Er verstand nicht, was gerade passiert war." Ich weinte mit und wusste: Mein Sohn und ich brauchen einen "Seepferdchen"-Flüsterer, damit es uns nicht ganz genauso geht.

Ich machte mich auf die Suche. Mittlerweile herrschte Corona-Zeit. Die Schwimmkurse fielen aus. Gab es doch mal einen, durften die Eltern nicht mit ins Bad. Als die Bedingungen wieder besser wurden, war die Warteliste der "Seepferdchen“-Anwärter:innen mehrerer Jahrgänge so lang wie zuvor die Liste der Hygieneregeln. Dann musste Energie gespart werden, und das Wasser im städtischen Hallenbad war so kalt, dass mein Sohn schon nach einer Minute blaue Lippen bekam und vor Kälte schnatterte.

Unsere Rettung war der "Sonnenpark", ein Familotel in Willingen im Hochsauerland, das berühmt ist für seinen Spa-Bereich und seine Aqua-Landschaften, in denen es warm ist und freundlich und wo man sich mit seinem Kind sogar dann erholen kann, wenn es eigentlich ein Wasserphobiker ist. Dort gönnten wir uns eine Woche Mutter-Kind-Urlaub, eine größere Investition als "Silbergarn“, aber auch viel besser. Denn in Willingen gibt es Jörg Pietschmann, der genau weiß, wie man Kindern die Angst nimmt. Er hat als Schwimmlehrer wohl ein Viertel aller Willinger fit fürs "Seepferdchen“ gemacht, darunter seine eigenen Kinder. Und er trainiert die nerven- wie leistungsstarken Skisprung-Talente in Willingen, wo die größte Großschanze der Welt steht!

Das Wichtigste: Keine Angst mehr vor dem Wasser

Mein Sohn geht jeden Morgen zu Jörg Pietschmann und das sogar gern. Mit ihm sind drei Kinder im Schwimmkurs, und jeden Tag traut er sich ein bisschen mehr. Am Ende der Woche hat er zwar noch nicht sein "Seepferdchen“, aber er war zum ersten Mal im Leben mit dem Kopf unter Wasser. "Ich kann tauchen“, sagt er. Eigentlich schwimmt er auch schon, er kann es nur selbst noch nicht fassen. Der Durchbruch ist geschafft, das ist wichtiger als das Abzeichen. Den Rest nimmt sich der Papa fürs heimische Freibad vor, bevor die Ferien rum sind und mit der Schule der Schwimmunterricht beginnt.

Zu Hause wartet auch schon der große Bruder. Er will die letzten freien Tage ebenfalls nutzen, um im Freibad für ein Abzeichen zu trainieren. Er hat auf den letzten Drücker festgestellt, dass er bei seiner anstehenden Klassenfahrt an die Ostsee nur beim Surfkurs mitmachen darf, wenn er das Schwimmabzeichen in Silber hat. So verlangt es die Versicherung. Nach dem "Seepferdchen“ wollten meine beiden Großen keinen weiteren Kurs machen. Jetzt ist mein Ältester 16 und will nicht uncool am Strand hocken, während die andern auf den Brettern stehen. Bei meiner Tochter kommt die Ostsee-Fahrt dann in zwei Jahren, und das Kind kann bis heute keinen Köpfer. Es hört nie auf, denke ich.

In der Nacht träume ich den bösen Traum, der immer kommt, wenn ich Stress habe: Meistens muss ich eine Matheprüfung machen, merke aber zu meinem Schrecken, dass ich seit einem Vierteljahrhundert nicht im Unterricht war, diesmal sitze ich beim Frauenarzt und frage, ob ich noch ein Kind kriege. Der Mann schaut mich entgeistert an und sagt:, "Das geht nicht. Sie haben ja gar kein Seepferdchen." Ich bin schon wieder reif für den "Sonnenpark“. Das nächste Mal komme ich allein und mache nur Wellness.

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