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Schwanger: Warum ich gegen Ess-Verbote rebelliere!

Warum ich (fast) alles esse – "obwohl" ich schwanger bin!
© Syda Productions / Shutterstock
Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Katrin, ich bin 30 Jahre alt und schwanger. Die Liste der verbotenen Lebensmittel für Schwangere ist durchaus lang. Warum ich mich den Ess-Verboten widersetze.

Wenn man zum ersten Mal schwanger ist, versucht man sich über möglichst alles einen Überblick zu verschaffen: Was erwartet mich? Wie wächst das Baby wann wie viel? Wie verändert sich mein Körper? Was braucht mein Baby? Und was sollte ich in der Schwangerschaft beachten?

Schnell stößt man zum Thema Ernährung vor und liest – zu recht – Frauen sollen sich in der Schwangerschaft bitte gesund ernähren. Das heranwachsende Baby braucht Nährstoffe, Vitamine, Mineralien und ausreichend Wasser, um erfolgreich zu gedeihen. Verständlich.

Das darfst du nicht essen! Ach ja?

Doch wo Ess-Empfehlungen zu finden sind, sind Ess-Verbote nicht weit (vor allem in Deutschland!). Und davon gibt es für Schwangere nicht gerade wenige, wie folgende Liste beweist (Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund und Leben):

  • Sushi, Sashimi, Carpaccio
  • geräucherter und marinierter Fisch
  • Raubfische, wie z.B. Thunfisch, Schwertfisch, Steinbeißer
  • Muscheln
  • Salami
  • Räucherschinken
  • Weichkäse wie Camembert, Gorgonzola, Roquefort und Brie
  • eingelegter Käse und Frischkäse aus offenen Gefäßen an der Kühltheke
  • die Rinde von Gouda, Butterkäse und Edamer und anderem Hartkäse
  • Parmesan
  • Mett, Tatar
  • Teewurst, Hackepeter
  • Rohwurst und rohe Pökelfleischwaren
  • Steak (medium oder rare)
  • Leber, Leberpastete (vor allem im ersten Schwangerschaftsdrittel)
  • Tiramisu
  • Softeis
  • Lakritze
  • Mousse au Chocolat
  • Mayonnaise
  • Eis, Pralinen, Torten, Kuchen mit Alkohol
  • abgepackte Salate
  • Obststücke aus der Kühltheke
  • rohe Sprossen und Keimlinge
  • Waldpilze
  • Kräuter wie Petersilie, Liebstöckel, Zimt
  • Schokolde nur in Maßen (wegen des Kofffein- und Zuckergehalts)
  • Kaffee, Tee, Energydrinks nur in geringen Mengen

Die Gründe für die verbotenen Lebensmittel reichen von möglicheweise erhöhter Listerien-Gefahr (z.B. in rohem Fleisch) und erhöhtem Schadstoffgehalt (z.B. bei Waldpilzen) über Hygienemängel (z.B. beim Reiben und Verpacken von Käse) und Schwermetallbelastungen (etwa bei Seefischen) bis hin zu möglichen Toxoplasmose-Erregern und einer Überdosis an Vitamin A (etwa in Leber). Gewisse Kräuter und Tees sollen hingegen die Gebärmutter stimulieren und zu einer theoretischen Frühgeburt führen können. Zu viel Koffein und Zucker könne dem Ungeborenen schaden.

Ääääääähm. Ja.

Blicken wir mal in andere Länder unserer Welt. In Kanada beispielsweise werden Rohmilchprodukte für Schwangere als ungefährlich eingestuft, ebenso wie Produkte aus rohen Eiern (etwa Mayonnaise). Die Begründung: Das Ansteckungsrisiko sei zu gering. In Japan raten Experten Schwangeren zu rohem Fisch – überzeugt davon, dass er gesund ist. Das einzige, worauf sich alle Länder weltweit einigen können, ist das Alkoholverbot.

Rohmilch? Für Kanadier ungefährlich!

Wären die ganzen Warnungen und Richtlinien, die in Deutschland über Lebensmittelverbote in der Schwangerschaft kursieren, tatsächlich dermaßen große Gesundheitsrisiken, müssten in Kanada, Japan & Co. zahlreiche Schwangere und / oder Ungeborene mit Komplikationen zu kämpfen haben. Kleiner Spoiler: Ist aber nicht so.

Um eines vorwegzunehmen: Dies soll kein Aufruf dazu sein, sich gegen die "offiziellen Ernährungsempfehlungen" aufzulehnen. Ich finde es gut, dass gewisse Risiken öffentlich kommuniziert werden und jeder Schwangeren eine Art Leitfaden zum Essen mit auf den Weg gegeben wird.

Ich finde es aber auch wichtig, dass uns Schwangeren deutlich gemacht wird, dass wir weder uns noch unser Baby damit ernsthaft gefährden, wenn wir mal zur Pommes mit Mayo greifen, ein sauberes Salamibrötchen verspeisen, wenn es uns danach gelüstet, und dass der Gorgonzola auf der Pizza mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit harmlos ist. Natürlich schwingt bei diesen Lebensmitteln immer auch eine winzige Gefahr mit. Doch nicht jeder Käse ist toxisch und nicht in jedem Lebensmittel lauern Salmonellen. Es sind zwar die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Doch es bleiben eben Ausnahmen. 

Ja, das ist mein Outing

Was mich betrifft, halte ich mich von den knapp 50 oben genannten Index-Produkten an gerade mal 3,5: keine alkoholhaltigen Produkte, kein rohes Fleisch, kein roher Fisch, koffeinhaltige Getränke nur in Maßen.

Seien wir mal ehrlich: Die Gelüste, die man normalerweise "nur" während der Menstruation hat, hat man als Schwangere etwa neun Monate am Stück. Wer mich kennt, würde mir die Schokolade, den Käse und die Mayonnaise in dieser Phase nicht verwehren wollen. Aus Selbstschutz.

Bei der ausführlichen Recherche der obigen Liste habe ich übrigens oft die Augen rollen müssen. Ich erinnerte mich an die Menge Parmesan, die ich letztens in der Kantine über mein Cordon bleu streute. An mein Salamibrot zum Abendessen gestern. An den geräucherten Lachs zu meiner Ofenkartoffel. An die tägliche (Un)Menge Käse, die ich nach wie vor verzehre. An den Liter Softeis, den ich zu Beginn meiner Schwangerschaft mit meinem Freund vertilgt habe – in etwa 20 Minuten. An die Lakritzpralinen, die hier letztens in der Redaktion lagen (lecker!). An den Zimt, der auf alle Franzbrötchen in Hamburg gestreut wird. Und die Tafeln Schokolade, die ich alle paar Tage verzehre. Am Stück.

Vielleicht erscheint es der ein oder anderen Schwangeren zu leichtsinnig, sich gerade den "verbotenen" Lebensmitteln zu widmen. Umso besser, dass es jede Frau für sich selbst entscheiden kann, welche Risiken sie eingeht und welche nicht. Umso wichtiger ist es, dass Schwangere sich darüber informieren, bei welchen Lebensmitteln warum Vorsicht geboten ist. Nur wer die möglichen Risiken kennt, kann entscheiden, ob und inwiefern er sie eingeht.

Im Club der anonymen Esserinnen

Ja, das ist mein Outing. Ich fühle mich großartig, es öffentlich zu sagen. Denn im Alltag fühle ich mich, als müsste ich einem Club der anonymen Esserinnen beitreten, um für mein Essverhalten während der Schwangerschaft nicht geköpft zu werden.

Ich lebe noch. Mein Ungeborenes auch. Woran das liegt? An einer vernünftigen Abwägung wo man welche Lebensmittel unter welchen Umständen verspeist. Vermutlich würde ich in der Pampa Abstand von dem ein oder anderen Lebensmittel nehmen. Aber in Deutschland unterliegen gute Supermärkte und Restaurants der Lebensmittelsicherheit. Zudem achte ich auf das Maß. Natürlich verzehre ich kein Kilo Räucherlachs, eine meterlange Salami oder esse jeden Tag 500 ml Eis. Nur manchmal. Wenn mich die Lust packt. Und das darf ich auch. Schließlich bin ich schwanger und mein Körper sagt mir schon, was er wann braucht.

Ein Käsebrötchen ist kein Grund zur Panik!

Ich will niemanden dazu anstiften, sich ungesund zu ernähren – und schon gar nicht in der Schwangerschaft. Auch ist es nicht mein Anspruch, Schwangere zur Unvorsichtigkeit zu ermutigen – denn letzendlich muss jeder selbst wissen, welchem Risiko er sich aussetzen möchte. Ganz im Gegenteil. Mein persönliches Plädoyer lautet wie folgt: Liebe Schwangere, esst achtsam und gesund – aber lasst euch nicht verrückt machen! Vertraut eurer Intuition, aber auch eurem Wissen und Gewissen – und werdet nicht panisch beim Anblick eines Käsebrötchens!

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