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Erziehung Ich bin eine Glucke

Erziehung : Mutter liest Sohn vor
© popcorner / Shutterstock
Sabine, 38, hat ihre drei Söhne, 2, 6, und 15 Jahre alt, am liebsten immer um sich. Dass viele sie darum als spleenige Glucke abstempeln, findet sie unfair und fragt: Haben nicht auch moderne, aktive Frauen das Recht, fürsorglich zu sein? Wie sehen Sie das? Kommentieren Sie den Artikel.

Am glücklichsten bin ich abends. Nach schönen Tagen, an denen alles ruhig und friedlich war, gehe ich gern durchs Haus und sehe in die Kinderzimmer. Ich liebe diesen Moment, wenn ich ganz sicher weiß: Alle sind da und zufrieden. Ja, ich habe meine drei Söhne gern ganz nah bei mir. Schon als sie klein waren, haben alle mit im Familienbett geschlafen. Florian ist letztes Jahr mit fast fünf ausgezogen, heute schläft Tobias bei meinem Mann und mir – obwohl er auch schon zwei ist. Mit Nico, heute 15, habe ich während der Trennung von meinem ersten Mann wochenlang zusammen auf einer schmalen Couch übernachtet. Das hat uns richtig zusammengeschweißt.

Ich habe auch alle Jungs über ein Jahr lang gestillt. Tobias gebe ich immer noch ab und zu die Brust, ganz gleich, ob sich andere Mütter wundern. Alle meine Kinder habe ich am liebsten nah am Körper getragen, und Tobias hängt jetzt immer noch ziemlich an mir dran. Aber ich genieße das Kuscheln, das Zusammensein und überhaupt das Gefühl, von den Kindern auch körperlich gebraucht zu werden, ganz intensiv. Die schlimmsten Momente sind für mich, wenn eines der Kinder weg ist. Bei Florians Kindergartenübernachtung habe ich den ganzen Abend mit flauem Magen vor dem Telefon gesessen. Gott sei Dank hat es nicht geklingelt.

Nicos Sprachreise neulich war auch der Horror. Er lebte zwei Wochen lang in England bei fremden Eltern. Viele finden das extrem. Aber warum ist es eigentlich so verpönt, sich um seine Kinder zu sorgen? Angst zu haben, ihnen könnte etwas zustoßen? Nico wurde auf der Straße schon mal von einem Unbekannten angesprochen, der ihn mitnehmen wollte. Es ist nichts geschehen. Aber man hört so viele schlimme Nachrichten: Amokläufe, Busunglücke, Entführungen... So unrealistisch sind meine Befürchtungen doch gar nicht. Mein Kopfkino braucht jedenfalls nur einen kleinen Anstoß – und der Film geht los.

Hinzu kommt, dass Florian eine Muskeltonusstörung hat, die erst kürzlich besser wurde. Die vergangenen Jahre war es für mich deshalb einfach selbstverständlich, den ganzen Tag um ihn herum zu sein, ihn zu Therapien, zum Reiten und zum Trommeln zu fahren. Manche aus unserem Ort halten mich für spleenig, weil ich immer ein Kind um mich herum habe oder vor mir hertrage. Oder für ein Muttertier, das keinen anderen Lebensinhalt hat und deshalb die eigenen Kinder einengt und sie zu unselbstständigen Angsthasen macht. Das ärgert mich, denn beides stimmt überhaupt nicht!

Ich will meine Kinder nicht "nebenher laufen" lassen

Ich nur, Kinder brauchen bis zum Ende der Grundschulzeit ihre Eltern viel enger bei sich, als es derzeit Mode ist. Diesen Wunsch, das Kind so früh wie möglich allein im Kinderzimmer spielen und schlafen zu lassen, es spätestens nach einem Jahr Elternzeit in eine Krippe zu geben oder es mit fünf schon über Nacht auf Ferienfreizeiten zu schicken, verspüre ich überhaupt nicht.

Ich will meine Kinder nicht "nebenher laufen" lassen. Ich führe sie gern persönlich an der Hand ins Leben. Ich fahre sie zu ihren Hobbys, komme zur Schulaufführung, backe Kuchen fürs Buffet, nehme an allem teil. Und trotzdem bin ich berufstätig: Ich betreibe von zu Hause aus mein eigenes Modelabel, lasse Kleider im Ausland produzieren und vertreibe sie über meinen eigenen Internet-Großhandel. Wenn ich das erzähle, staunen immer alle: Was, eine Frau kann eigenes Geld verdienen und trotzdem mit Leib und Seele Mutter sein? Das kriegen viele nicht in den Kopf.

Auch meine Fürsorge hat Grenzen

Vor allem aber lege ich sehr wohl Wert darauf, dass Nico, Florian und Tobias selbstständig werden. Ich will ihnen schließlich nicht noch mit 20 das Brot klein schneiden müssen. Irgendwann müssen sie allein klarkommen, das weiß ich. Und deshalb hat meine Fürsorge eine klare Grenze: Ich verbiete es mir, die Kinder mit meinen Ängsten zu belasten. "Wenn du weggehst, ist Mama ganz traurig" – so eine emotionale Erpressung würde ich nie begehen! Ich reiße mich zusammen und erlaube natürlich, dass Tobias den Tag bei der Oma verbringt, wenn er das toll findet. Und wenn es mir damit schlecht geht, rufe ich eben eine Freundin an und heule mich aus.

Ich habe auch bei der schulärztlichen Untersuchung alles darangesetzt, Florian dieses Jahr einschulen zu lassen. Er wollte es so gern. Dabei habe ich riesige Angst, dass ihn die Kinder wegen seines Sprachfehlers hänseln. Ihn in solchen Situationen allein zu wissen, macht mich traurig. Aber ich weiß auch: Letztlich muss er seinen Weg gehen.

Die Kinder sind wichtiger als wir

Glücklicherweise steht mein Mann voll hinter mir. Er findet es gut, dass wenigstens einer in der Familie so eine enge Bindung zu den Kindern eingehen kann und dass er das durch seine Arbeit und sein Einkommen überhaupt erst möglich macht. Nicht nur für mich, auch für ihn stehen die Kinder im Mittelpunkt. Wenn der Kleine schlecht träumt, verschieben wir unseren romantischen Abend zu zweit eben. Die Kinder sind einfach wichtiger als wir. Ich weiß, das klingt so, als ob wir uns und unsere Beziehung aufgeben. Aber wir betrachten das als Bereicherung. Wir wissen schließlich, dass es nur ein paar Jahre sind, in denen wir die Prioritäten so eindeutig setzen. Wenn Tobias größer ist, sind wir wieder mehr füreinander da.

Was ich mache, wenn die Jungs ausziehen? Wenn der Kleinste fort ist, habe ich 30 Jahre Kindererziehung hinter mir, das reicht dann auch! Dann engagiere ich mich endlich wieder in Vereinen, schreibe Geschichten, kümmere mich um mein Modelabel, lese Bücher, verreise. Es gibt so viele Dinge, die ich gern tue. Aber eben nicht jetzt. Jetzt behüte ich am allerliebsten meine Kinder.

Dieser Artikel ist ursprünglich auf Eltern.de erschienen.

Isabel Winklbauer

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