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Das passiert, wenn man mit Kleinkindern Fußball guckt

Das passiert, wenn man mit Kleinkindern Fußball guckt
© Turbo/Fuse / Gettyimages
Bei dieser EM fiebern auch schon die Kleinsten mit, Panini sei Dank. Das bedeutet aber auch, dass statt Fußballgucken Farbenlehre und Moralfragen auf dem Plan stehen. Das Protokoll eines aufregenden Fußballabends.

Der Fernseher wird eingeschaltet, die Spieler singen gerade die Hymne. Die Tochter (4) hibbelt aufgeregt auf dem Sofa herum.

"Mama, Mesut Özil sieht so lieb aus. Ist der auch lieb?"

"Ich weiß es nicht, ich kenn ihn ja nicht persönlich. Aber im Fernsehen wirkt er immer sehr lieb."

"Spielt Mesut Özil beim HSV?"

"Nein, der spielt für Deutschland."

"Und Mario Götze spielt auch mit?"

"Ja."

"Gut. Das ist ja auch mein Lieblingsspieler. Ist der beim HSV?"

"Nein, auch bei Deutschland. Bei der EM spielen ja die Länder gegeneinander, nicht die Städte."

"Ah." Verständnisloser Blick.

Die Mutter versucht es zu erklären, aber das Kind schmeißt lieber fröhlich mit seinen 50 neuen Panini-Bildern herum.

Anpfiff. Das Spiel geht los.

"Mama, wer sind die Weißen?"

"Das sind die Deutschen."

"Und die grünen Spieler sind Bremen, oder?"

"Nein, das ist Nordirland."

"GAR NICHT! Das ist Bremen, das weiß ich ganz genau! Papa hat gesagt, die Grünen sind Bremen!"

"Ja, das war bei einem anderen Spiel, aber die Spieler aus Nordirland haben auch grüne Trikots."

"Nein, Mama, du lügst!"

Erst nachdem das Panini-Album als Beweis angeführt wurde, beruhigt sich das aufgebrachte Kind wieder.

"Und wer ist der Rote?"

"Hm?"

"Mamaa, wer ist der rote Spieler?"

"Das ist der Torwart von Deutschland."

"Und der Gelbe?"

"Das ist der Torwart von Nordirland."

"Und der hellblaue?"

"Der Schiedsrichter."

"Und der mit der Fahne?"

"Der Linienrichter. Mäuschen, und jetzt möchte ich mal kurz ein bisschen zuhören, ja?"

Pause.

"Mama! Der Schiedsrichter hat ja gar keine Pfeife!"

"Doch, natürlich."

"Nein! Die hängt nicht um seinen Hals."

"Die hat er sicher in der Hosentasche."

"Aber der Schiedsrichter hat die Pfeife IMMER um den Hals hängen, an einer Schnur. Das hat Robert (der Kita-Erzieher) so gesagt."

"Vielleicht stört den Schiedsrichter die Pfeife beim Laufen, Schätzchen."

"Gar nicht."

"Doch. Und nun lass uns mal gucken, was die da auf dem Spielfeld machen, ok?"

Kurze Pause.

"AUAA!"

Die Mutter erschrickt fast zu Tode.

"Meine Güte, was ist denn?"

"Der Mann hat sich wehgetan!"

"Ja, der Spieler aus Nordirland hat ihn auch geschubst."

"Das DARF der gar nicht!"

"Nein, deshalb hat der Schiedsrichter auch gepfiffen."

"Muss der jetzt 'Entschuldigung' sagen?"

"Ähm, ja bestimmt."

"Schimpfst du nachher mit dem?"

"Nein, das macht der Schiedsrichter ja schon."

"HAHA, ich hab Mario Götze gesehen!"

"Mhm."

"Spielt Marco Reus auch mit?"

"Nein, der ist verletzt."

"Hat der einen Bänderriss?"

"Nein. Irgendwas mit den Muskeln."

"Aber Lars Bender, der hatte mal einen Bänderriss, oder, Mama?"

"Mhm."

"Doch hatte er, deshalb heißt er auch Lars Bender."

Noch mehr Panini-Bilder fliegen durchs Wohnzimmer. Eine Glas Orangensaft landet auf dem Teppich.

"Mama, der hat den Ball in die Hand genommen! Das DARF der gar nicht."

"Ähm, doch, wenn der Ball vom Spielfeld fliegt, darf man den mit der Hand ... - "

"Iiiih!"

"Was denn?"

"Der Spieler hat ja KACKA an der Hose!"

"Nein, das ist nur Schmutz vom Rasen." Das Kind lacht sich kaputt. "Nein, das ist KACKA! KACKA! KACKA! KACKA! ..."

Von den letzten Minuten der ersten Halbzeit kriegt die Mutter weder akustisch noch optisch etwas mit, weil das Kind unter lautem Kacka-Geheul vor dem Bildschirm herumspringt, mit einem klebrigen Orangensaft-Panini-Klumpen an den Füßen. Endlich, der erlösende Halbzeitpfiff ertönt.

"Mama, können wir jetzt was anderes machen. Mir ist langweilig."

Mutter, hoffnungsvoll: "Schätzchen, willst du vielleicht ein Hörspiel hören?"

"Au ja!"

Die Mutter atmet auf, legt im Kinderzimmer die CD ein und holt sich erstmal ein Bier aus dem Kühlschrank.

Artikel aktualisiert am 21.6.2016

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