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Elternliebe "Ich liebe dich, wie du bist" – kannst du das immer sagen?

Elternliebe: Weinender Junge
© Kamelia Ilieva / Shutterstock
Sein Kind annehmen, wie es ist – nicht immer einfach, wenn der Nachwuchs in der Trotzphase steckt, sich gerade zu einem rebellischen Teenager entwickelt oder eine Eigenschaft zeigt, die man überhaupt nicht mag. Schaffst du es trotzdem?

"Ich mag mein Kind nicht" – gibt es das überhaupt?

Eltern sind ganz normale Menschen, die manchmal schlechte Laune haben, hin und wieder ungerecht und ungeduldig sind und sich zu Tode langweilen, wenn sie Autoquartett spielen müssen. Eltern haben alle möglichen Gefühle, und eines davon ist tatsächlich bedingungslose Liebe. Doch dazwischen kennen sie wie jeder andere das ganze Spektrum von Wut und Panik bis zu Frust und schlichtem Angeödetsein.

Das verbindet sie mit ihren Kindern. Die sind bekanntlich auch keine Engel, sondern werfen sich brüllend auf den Boden, wenn sie kein neues Wii-Spiel bekommen. Ständig verlieren sie etwas, und wenn man sie auffordert, richtig zu suchen, sagen sie: "Mach's doch selbst.“ Sie sind stur, impulsiv und gedankenlos. Sie machen einen verrückt mit ihrem ständigen "Ich weiß nicht", "Das ist nicht fair", "Ist mir doch egal", "Alle anderen dürfen aber". Manchmal lügen und stehlen sie und hauen andere Kinder. Sie enttäuschen ihre Eltern, missbrauchen deren Vertrauen und sind undankbar. Nur ein Zen-Meister auf der höchsten Stufe der Erleuchtung wird dabei nichts anderes als grenzenlose Liebe, Achtung, Offenheit, Güte und Mitleid empfinden.

Psychologen empfehlen daher, nicht das Kind, sondern sein Verhalten in den Fokus zu nehmen. Nicht zu denken (oder gar zu sagen): "Ich mag mein Kind nicht", sondern: "Ich mag nicht, wie sich mein Kind benimmt." Zum Glück beherzigen die meisten Eltern diesen Ratschlag. Trotzdem: Kinder beeinflussen durch ihr Verhalten die Gefühle ihrer Eltern, so wie umgekehrt deren Gefühle sie beeinflussen. Wenn es um Liebe geht, spielt das Verhalten der anderen Person immer eine Rolle. Auch wenn diese andere Person erst zwei Jahre alt ist.

Wie Eltern mit ambivalenten Gefühlen umgehen können

"Niemand kann einen anderen Menschen 24 Stunden am Tag lieben!"

Das bedeutet nicht, dass sich Kinder so verhalten sollten, wie Eltern das erwarten. So, dass es ganz leicht wäre, sie zu lieben. Es heißt auch nicht, das einzigartige Band zwischen Eltern und Kindern infrage zu stellen. Es geht darum, sich bewusst zu machen, dass niemand in der Lage ist, einen anderen Menschen 24 Stunden am Tag bedingungslos zu lieben und alles, was er tut und lässt, mit Güte und Nachsicht zu behandeln, sei er auch noch so klein und hilflos.

Es ist völlig normal, dass Eltern ausflippen, weil ihr Kind zum dritten Mal hintereinander das Klo mit Papierrollen verstopft. In solchen Momenten liebt man sein Kind nicht – ein Gefühl blendet immer das andere aus. Deshalb kann man sich auch nicht vorstellen, dass man eben noch den heftigen Wunsch verspürt hat, seinem Goldstück, das jetzt so lieb mit der kleinen Schwester auf dem Sofa kuschelt, den Hintern zu versohlen.

"Gefühle sind nichts Statisches. Deshalb ist Liebe immer wieder neu möglich. In einer Minute, in der nächsten Stunde und manchmal am nächsten Tag", sagt die britische Psychologin Rozsika Parker. Wenn man sich das bewusst macht, kommen die Gefühle in Fluss, und die Angst, man sei unfähig, sein Kind zu lieben, löst sich in Luft auf.

"Weil Kinder sehr emotionale Wesen sind, bewegen sich Eltern immer zwischen den Polen Liebe und Abneigung. Das ist nicht schlimm, sondern schärft die Sinne und vertieft Beziehungen", schreibt die Autorin des Buches "Torn in Two" ("Entzwei gerissen"). Ihre These: Wenn sich Eltern ihre mitunter ambivalenten Gefühle eingestehen, können sie ihr Kind mit größerer Klarheit sehen, besser erkennen, was zwischen ihm und ihnen selbst abläuft, und was es braucht. Werden negative Gefühle dagegen tabuisiert, verdrängt, verleugnet, haben sie die unangenehme Eigenschaft, an anderer Stelle aufzubrechen.

Das zeigt sich dann in Überreaktionen auf eigentlich harmlose Ausrutscher. In einer überkritischen und unterschwellig feindseligen Haltung, die nur noch Fehler und Defizite sehen lässt. In ständiger Überbesorgtheit, um sich selbst zu versichern, dass der mehr als verständliche Wunsch, sein schwieriges Kind mal kurz loszuwerden, um auftanken zu können, gar nicht vorhanden ist.

Kinder wollen gar nicht die ganze Zeit nur geliebt werden, sie wollen, dass man sie sieht, sich mit ihnen abgibt und ansonsten die Ecken, Kanten, Macken ihrer kleinen Persönlichkeit aushält. Mal mit Humor und freundlicher Nachsicht, mal mit einem "Geh mir mal kurz aus dem Weg, bevor ich platze". Alle Gefühle, auch die unaussprechlichen, sind normal und natürlich. Und wenn man die weniger guten mit den guten Gefühlen verbindet, wird dieses einzigartige Band geknüpft, das allen Stürmen standhält.

Kannst du dein Kind immer annehmen, wie es ist?

Kennst du auch dieses Gefühl, dein Kind einen Moment lang weniger zu mögen – weil es einen Tobsuchtsanfall an der Supermarktkasse bekommen, ein anderes Kind gemein gehauen oder eine Eigenschaft an den Tag gelegt hat, die du bei anderen Menschen eigentlich ablehnst? Oder schaffst du es, dein Kind stets einfach so anzunehmen und zu lieben, wie es nun einmal ist? 

Dieser Artikel ist ursprünglich auf Eltern.de erschienen.

von Jennifer Litters und Marie Kollwitz

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