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Erzieher gesteht: "Windelwechseln ist eklig!“

Manuel Zerwas (29) hat als Erzieher gearbeitet – und ein lustiges Buch über die Absurditäten des Kita-Alltags geschrieben.

Wie fühlen sich die Erzieher eigentlich so?

Morgen für Morgen drücken wir den Erzieherinnen und Erziehern in der Kita unsere lieben Kleinen in den Arm – und machen uns kaum Gedanken darüber, wie die sich wohl fühlen. Die haben sich den Job ja schließlich ausgesucht. Hat sie ja niemand dazu gezwungen, das Erbrochene unserer Kinder aufzuwischen oder ihnen die Plastikbirne aus dem Hintern zu ziehen, die andere ihnen reingesteckt haben.

Und wie sehr wir Eltern zuweilen die Nerven der Erzieherinnen und Erzieher strapazieren, auch darüber denken wir vielleicht ein bisschen zu selten nach.

Wie gut, dass es Manuel Zerwas gibt. Der 29-Jährige hat nicht nur ein Jahr lang unter lauter Frauen als Kita-Erzieher gearbeitet. Er erzählt auch in seinem Buch „Jonas, nimm den Dinosaurier aus der Nase! 33 Geschichten aus dem absurden Alltag eines Kita-Erziehers" sehr humorvoll von seinen Erlebnissen mit seinen Schützlingen und deren Eltern.

Hier könnt ihr das erste Kapitel "Schnick Schnack Schnuck" lesen, in dem Zerwas berichtet, wie eklig er das Windelwechseln findet:

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SCHNICK SCHNACK SCHNUCK

Wenn der bösartige Geruch zuschlägt und das Atmen erschwert, dann stellt sich die alles bedeutende Frage: Wer wechselt die Windel?

Der Geruch ist durchaus ein Problem. Keines, das man nicht lösen kann, das nicht. Die meisten Probleme sind lösbar. Probleme sind Möglichkeiten, maskierte Gelegenheiten, um zu zeigen, was man kann, wie Duke Ellington so schön sagt. Aber nur weil ein Problem lösbar ist, macht es das nicht weniger zu einem Problem. Und zu etwas Tollem erst recht nicht. Also der Geruch, der ist wirklich ein Problem. Ich will eigentlich gar nicht weiter darüber nachdenken. Es gibt Tage, da kann man die olfaktorische Extremsituation mehr oder weniger ausblenden. Meist weniger. An wenigen Tagen. An sehr wenigen Tagen. Dem Tag vor Vollmond vielleicht. Heute ist nicht dieser Tag.

Meine Kollegin und ich spielen Schnick Schnack Schnuck. Unsere Blicke sind verbissen, höchst konzentriert. Die Muskeln meines schnuckenden Arms sind angespannt und kampfbereit. Lara beißt sich auf die Unterlippe.

Wir sprechen gemeinsam die Zauberformel, Worte, mit denen man siegen kann oder mit denen man dem Untergang geweiht ist. Ich habe Stein. Sie hat Papier.

»Verdammt!«, springt es unaufhaltsam aus meinem Mund, nicht daran denkend, wer mir nachplappern könnte.

Ich schnappe mir Lucas und trage ihn mit weit von mir gestreckten Armen zum Wickeltisch. Der Geruch schlägt mir bereits brutal und unerbittlich entgegen. Ich glaube, sogar Jean-Baptiste Grenouille würde angesichts dieser Duftnote, dieses Tritonus der Geruchswelt, zusammenbrechen.

Auf dem Rücken liegend, blickt mich Lucas mit seinen tiefblauen Augen von unten an, sodass ich einfach lächeln muss. Er lächelt zurück, ein seliges Kinderlächeln in einem derart niedlichen Gesicht, dass ich fast glauben will, so ein Gesicht muss alle Kriege der Welt auf einen Schlag beenden können. Dann öffne ich die Windel.

Blau sehe ich nicht, aber ansonsten leuchtet mir der Inhalt der Windel in allen Regenbogenfarben entgegen. Und auch in ein paar Farben, die ich nicht benennen kann. Der Geruch steigert sich noch einmal, versucht, sich selbst zu übertreffen, ein Geruch, den man als biologische Waffe einsetzen könnte.

Ich muss Lucas daran hindern, mit seinen kleinen Händen in seiner körpereigenen Produktion herumzupanschen. Gleichzeitig halte ich seine Beine nach oben, mache seinen Popo sauber, versuche, ihn mit einem Gummifrosch abzulenken, hole eine neue Windel und versuche, mich nicht zu übergeben. Und das alles mit zwei Händen. Ein Oktopus könnte es nicht besser machen.

Fast fertig, dann ein dummer, kleiner Aufmerksamkeitsfehler, und eine kleine Hand landet doch noch in der gefüllten Windel.

»Nein! Lucas, bäh!«


Worte, die in einem endlosen Dasein verloren gehen.

Ich wasche seine Hände gründlich am Kinderwaschbecken und krümme dabei meinen Rücken in einem ungesunden Winkel. Während ich mir selber die Hände wasche und desinfiziere, bekommt Lucas die Klobürste zu fassen. Erneut wasche ich seine Hände. Ich öffne die Tür und rufe Lucas hinter mir her. Seine Hände stecken bereits im Windeleimer.

Das kann ich besser, denke ich und wasche zum dritten Mal die kleinen Finger, die fasziniert den Wasserstrahl aus dem Wasserhahn untersuchen. Anschließend treibe ich ihn aus dem Badezimmer vor mir her wie ein kleines Lamm.

Im Gruppenraum rümpft Lara die Nase, zeigt auf Jaqueline und streckt mir ihre Faust entgegen.

»Doppelt oder nichts«, sagt sie, und ich lasse den Kopf auf die Brust fallen.

Das ist doch scheiße, denke ich und muss kurz innerlich über meinen eigenen Wortwitz lachen. Dabei ist das Ganze nicht wirklich lustig. Eigentlich ist es sehr traurig.

Zauberformel. Ich habe Schere. Sie hat Stein.

»Fuck!«, sage ich, diesmal etwas leiser.


Lucas steht neben mir und schreit mir nach: »Fak!«

Lara und ich sehen uns einen Moment an.


Dann sage ich: »Das merkt keiner.«

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jonas-nimm-den

Liebe Eltern, freut euch drauf! Das Buch gibt's ab 1. August im Handel:

"Jonas, nimm den Dinosaurier aus der Nase! 33 Geschichten aus dem absurden Alltag eines Kita-Erziehers", Manuel Zerwas (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, 9,99 Euro).

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