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Doppelbelastung? Ich bin heilfroh, nicht nur Mutter zu sein!

Doppelbelastung - was soll's?
© Sunny studio / Shutterstock
Mütter müssen heute alles sein, heißt es: am besten CEO, Super-Nanny und MILF in einem. Wirklich? Unsere Autorin ist froh, dass sie heute Mutter ist - und nicht vor 50 Jahren.

Die Ansprüche an Mütter sind gewachsen - auch die eigenen

Ich habe einen Sohn, einen Job, einen Partner und eine betagte Mutter, was mich selbst zur Mutter, Arbeitnehmerin, Liebhaberin und Tochter macht. Manchmal ist mir alles zu viel und es kommt vor, dass ich über meine Grenzen gehe. Vor allem das Leben mit Baby und Kleinkind habe ich als aufreibend empfunden, aber nicht, weil ich einen Job hatte, sondern weil ein Kind unendlich viel Aufmerksamkeit braucht. Trotzdem:

Ich will kein anderes Leben – schon gar nicht das einer Hausfrau!

Umso mehr wundere ich mich über das Lamento, das zurzeit überall erklingt: Mütter litten darunter, dass sie in allen Lebensbereichen brillieren müssten, heißt es – sie sollen Liebhaberin mit Knackpo sein, erfolgreich im Job, Supermom und Sterneköchin. Bei "Ze.tt" beschreibt eine Kollegin das "Unwohlsein der modernen Mutter", die "heute alles sein soll." "Nido" zählt sechs Gründe auf, warum Mütter es heute "so schwer haben wie noch nie." Beklagt werden "der Spagat zwischen Job und Familie" und "der Druck immer gut auszusehen und niemals gestresst zu wirken." Die Autorin fragt: "Hatten Mütter es jemals so schwer wie heute?"

Hatten Mütter es jemals so leicht wie heute?

Kleine Gegenfrage: Hatten Mütter es jemals so leicht wie heute? Denn trotz des Stresses, den der Alltag zwischen Job, Kinderzimmer, Bettlaken, Spiegel und Waage mit sich bringt: Mütter müssen heute nicht alles sein – sie dürfen alles sein. Und darüber bin ich unendlich froh.

Noch in der Generation meiner Mutter waren die meisten Frauen: Mütter. Sonst nichts. Mit der Ehe tauschten sie ihre Identität als junge Frau auf der Suche nach einem guten Leben gegen ein Leben als Dienerin ein. Sie waren dazu da, für Kinder und Mann zu sorgen, während der seiner Sekretärin auf den ansprechend drapierten Busen starrte oder ihn anfasste (ob erwünscht oder nicht, war nicht so wichtig).

Derweil verschwand die Ehefrau hinter den Mauern des gemeinsamen Heims, das in Wahrheit seines war, und "verblühte", wie man damals über weibliche Schönheit sagte. Jenseits ihrer Rolle als entsexualisierte Hausfrau existierte sie nicht mehr. So wurde ihr im "Guide für die perfekte Ehefrau" von 1955 der haarsträubende, weil selbstverleugnende Tipp gegeben: "Versuche zu verstehen, dass das Leben deines Mannes voll von Stress ist und er sich entspannende Momente verdient hat." Mit anderen Worten: Nerv ihn bloß nicht mit deinem Mist, wenn er nach Hause kommt. Lächeln, stillhalten, dem "Versorger" Freude und Augenweide sein: Das war der Lebenszweck unserer bürgerlichen Vorfahrinnen. Selbstständig und begehrenswert waren jetzt nur noch die anderen; die Vorzimmerdame, die Kellnerin, die Prostituierte - Frauen, die nicht wie sie einem Mann "gehörten".

Heute trinken Mütter Wein zur Entspannung – früher nippten sie am 4711-Fläschchen

Das Leben der Frauen ist heute fordernd und anspruchsvoll, früher war es unterfordernd und eintönig. Ich kenne Mütter, die jeden Abend zum Weinglas greifen, weil sie was zum Runterkommen brauchen, und ich mache das auch gelegentlich. Das ist keine gute Entwicklung. Doch war es früher besser? Im 19. Jahrhundert nippten Hausfrauen heimlich am Kölnisch Wasser (90 Prozent Alkohol) oder am Klosterfrau Melissengeist (79 Prozent Alkohol), nach dem Krieg wurde das Frauengold erfunden, um ihr einsames Schattendasein erträglicher zu machen. Werbebotschaften wie „Lebensfroh mit Frauengold!“ (1963) betonten die antidepressive Wirkung des Tranks.

Dank der Frauenbewegung haben wir heute viel mehr Möglichkeiten: eigenes Geld, selbstbestimmte (oder keine) Liebesbeziehungen, Affären, Autos, die Freiheit, den Kilimandscharo zu besteigen oder auszuwandern. Es stimmt, der gefühlte Druck ist groß, perfekt zu sein, alles richtig und noch besser zu machen oder es zumindest so aussehen zu lassen (Social Media sei Dank). Doch wir haben auch eine Wahl, uns von diesem Druck nicht erdrücken zu lassen.

Ich bin dankbar, dass ich nicht nur Mutter sein darf

Das Diktat der Selbstoptimierung bedroht doch unser aller Gelassenheit – Mutter oder nicht. Weil damit haufenweise Geld verdient wird: mit Beauty-Produkten, Fitnessangeboten (und den dazugehörigen Accessoires), Mode, Statussymbolen jeglicher Art. Wir sollten versuchen, uns davon zu befreien – und nicht von der großen Errungenschaft, Mensch und nicht nur Mutter sein zu dürfen.
 
Ich möchte jedenfalls nicht tauschen mit den Frauen von früher. Ich freue mich über meine Beziehung, die ich führe, weil ich sie von Herzen will, und nicht, weil ich einen Versorger brauche. Ich erlebe es als Privileg, alles Mögliche sein und machen zu können. Das einzige, was ich in meinem Leben wirklich hasse, ist der Haushalt. Ich verbringe möglichst wenig Zeit mit dieser Sisyphusarbeit, bei der man nie, aber auch niemals fertig wird. Ich bin dankbar, dass Hausarbeit und Kinder nicht mein Lebensinhalt sind, sondern nur ein Teil meines Lebens.

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