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Mein Ex wird wieder Vater - warum es so höllisch wehtut

Ex wieder Vater
© Shutterstock / ChameleonsEye
Wenn der Ex-Mann nochmal Vater wird, beginnt ein großes Gefühlschaos. Diese Mutter hat versucht, die Gefühle in Worte zu fassen - in einem Brief an die "neue Mutter" im Leben ihres Kindes.

Liebe Karin,

wir sprechen eigentlich nicht miteinander. Nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Und niemals würde ich Dir schreiben. Dieser Brief ist für mich, ich werde ihn nicht abschicken.

"Spring über deinen Schatten", sagen selbst meine Freundinnen, "er hat sich doch nicht wegen dieser Karin von dir getrennt. Und deine Franziska freut sich doch so, dass sie jetzt eine große Schwester ist."

Aber über diesen Schatten komm ich einfach nicht hinweg: Euer größtes Glück macht mein Leben so schwer. Die Geburt von Eurer kleinen Nelly ist noch schlimmer für mich als die Trennung von ihrem Vater vor drei Jahren.

Weißt Du eigentlich, wie ich mich an diesem Wochenende gefühlt habe, als Ihr es Franziska gesagt habt? Martin hatte sie wie immer am Freitag nach der Kita abgeholt, eine halbe Stunde später kam seine SMS: "Karin und ich bekommen ein Kind. Wir wollen es Franziska heute Abend noch sagen. Hoffen, dass du dich mit uns freuen kannst."

Mein Traum ist endgültig kaputt

Diese Nachricht hat mir komplett den Boden unter den Füßen weggezogen. Mit einer Wucht, die ich nie für möglich gehalten hätte.

Vielleicht war erst in diesem Moment mein Traum von der heilen Familie endgültig kaputt. Die Familie, das wart jetzt ihr. Und Martin hat alles bekommen, was ich mir immer gewünscht habe. Er hat unser Hausboot behalten, nachdem ich mit Franziska ausgezogen bin, in eine winzige Zweizimmerwohnung am anderen Ende der Stadt.

Martin ist einfach geblieben, hat weitergewerkelt, bald mit Dir, seiner "Neuen". Ich kann nicht begreifen, dass er sich einfach schüttelt und noch eine Familie gründet. Er hat diese Reise durchs Leben doch mit mir angetreten. Ich dachte, das geht nur einmal, erst recht, wenn ein Kind dabei ist.

Das war naiv. Ich fühle mich, als habe Martin im Rückspiegel was Neues entdeckt, mich aus dem Auto geschubst und das Steuer rumgerissen. Für ihn geht die Reise jetzt wieder los. Mit neuem Baby an Bord und Franziska, die eben manchmal daneben sitzt.

Ihr hockt in meinem Nest

Was ist nur schiefgegangen? Dieses verdammte Hausboot war mein und sein großes Projekt. Wir haben so viel Zeit und Energie in den familiengerechten Ausbau gesteckt, bis von unserer Liebe nichts mehr übrig war. Nur noch Stunk wegen Geld und jedem anderen kleinen Scheiß.

Martin muss mich eigentlich auszahlen, noch heute streiten unsere Anwälte deswegen. Aber er will das Boot nicht aufgeben, und jetzt hockt Ihr da in meinem Nest. In Franziskas Zimmer auf dem Boot haben wir einen Alkoven gezimmert – für zwei Kinder, eins oben und eins unten.

Franziska hat sich schon eine Schwester gewünscht, seit sie sprechen kann: "Ich will auch ein Kind", hat sie immer gesagt. Und natürlich dachte ich, ich würde die Mutter dieses Kindes sein.

Ich heulte unter der Bettdecke

Am Tag, als die SMS kam, war es draußen unerträglich schön. Die Nachricht vom neuen Leben war für mich der Sargnagel. Und dieses Kind ist der Gong, der mein ganzes Unglück wieder zum Schwingen bringt und noch verstärkt. Ich war wie ohne Haut, schutzlos gegen den Schmerz. Vergraben unter meiner Bettdecke habe ich durchgeheult bis Sonntagmittag. 

Und dann habt Ihr unten geklingelt, und Franziska kam wie immer allein die Treppe hoch zu unserer Wohnung: "Mama, freust du dich eigentlich auch, dass ich ein Geschwisterchen kriege?", hat sie gefragt, da war sie noch nicht mal durch die Tür.

Ich hab sie einfach nur ganz fest an mich gedrückt. Ich konnte nichts sagen, sonst hätte ich sofort wieder geheult. Wir haben dann an diesem Tag nicht mehr über das Baby geredet, so wie wir eigentlich auch über euch nie viel reden, wenn Franziska zurück zu mir nach Hause kommt. Sie will mich schützen, das weiß ich. Ich frage: War’s schön? Sie sagt: Ja.

Die Kinder sollen glücklich sein

Vermasseln darf ich das jetzt nicht mit Franziska und ihrer kleinen Schwester, das weiß ich. Diese beiden Zwerge sollen glücklich sein dürfen. Und zwar miteinander. Egal, was zwischen uns Erwachsenen ist. Ein Wunsch, der nicht von Herzen kommt, sondern aus meinem Kopf. Und der sich trotzdem erfüllen soll. Meine Franziska soll gern große Schwester sein. Dafür habe ich jetzt auch noch die Verantwortung.

Ich will ja, dass Franziska sich freut, dass sie nicht weint, wenn sie ihren Koffer fürs Papa-Wochenende packt. Sie soll stolz sein aufs Baby.

Aber es gibt immer wieder Momente, da kann ich es kaum ertragen. Was hätte ich Franziska sagen sollen, als sie "ihre Kiste" für Nelly mitnehmen wollte? Darin habe ich den winzigen Nickistrampler aufbewahrt, den sie auf der Karte trägt, mit der wir der Welt unser Glück verkündet haben: "Ein bisschen Mama, ein bisschen Papa – und ganz viel Wunder." Und die rosa Seidenbodys, Wolljäckchen, Mützen, Lätzchen.

Die Babyklamotten waren mein Schatz

Ich habe nicht viel mitgenommen aus unserem alten Leben, aber diese Schachtel mit der in Seidenpapier eingeschlagenen Erstausstattung war mein Schatz. "Das Baby braucht doch jetzt meine Sachen", hat Franziska gesagt. Das sollte ihr Geschenk zur Geburt sein. Sie hat alles mitgenommen. Und Du hast mir nichts zurückgegeben, obwohl die Kleine doch aus allem längst herausgewachsen sein muss. 

Ich will Dich nicht danach fragen, aus Angst, dass Du alles mit einem großen Sack Babyklamotten an irgendeine Familie weitergegeben hast. Aus Angst, dass Du denkst: Was will die denn noch damit? Ein Kind wird sie wohl nicht mehr kriegen. Das stimmt. Ich habe keinen Vater für dieses Kind, und die Zeit läuft mir davon.

Weißt Du eigentlich, dass ich den Himmel für die Wiege genäht habe? Weiße Lochspitze mit Pünktchen-Samtborte. Oder hat man Dir nur erzählt, dass das ein Erbstück ist, in dem seit fast 100 Jahren alle Kinder aus Martins Familie liegen?

Als er seinen Eltern gesagt hat, dass er die Trennung will, waren sie total sauer auf ihn. Ich hätte ja noch weiter um unsere Familie gekämpft, wäre wieder zur Paartherapeutin gegangen. Als er sich geweigert hat und ohne uns weiterwollte auf seiner Lebensreise, bin ich mit Franziska ausgezogen.

Aus dem Weg gehen? Schwierig

"Wir sind immer für euch beide da", haben meine Schwiegereltern gesagt. Beim ersten großen Familienfest nach unserer Trennung, ihrer goldenen Hochzeit, war ich noch eingeladen. "Du gehörst doch dazu, du bist doch die Mutter", hat seine Mutter gesagt. 

Das nächste große Familientreffen war dann schon Nellys Taufe. Natürlich ohne mich. "Die Mutter" – in den Augen seiner Familie bist Du das jetzt. Wir können einander nicht aus dem Weg gehen. Natürlich will Franziska, dass alle bei ihrer Einschulung dabei sind. Und ihren Freundinnen endlich mal die Schwester zeigen.

Wer bin ich? Eine Tante?

Also stehen wir nebeneinander auf dem Pausenhof, und alle drängen sich um den Kinderwagen, während ich mich an der Schultüte festhalte oder hinter der Kamera verstecke. "Schön, Sie kennen zu lernen", sagt die Lehrerin, und natürlich hält sie Euch beide für die Eltern, und Ihr schüttelt ihr die Hand und erzählt gemeinsam mit der aufgeregten Franziska, dass das Baby sechs Monate alt ist und gerade seinen ersten Zahn bekommt. Und wer bin ich? Eine Tante? Sie fragt mich nicht. Sie schaut mich nicht mal an.

Nie hätte ich gedacht, dass ich so eifersüchtig auf Dich sein würde. Es geht nicht um Martin, den will ich nicht mehr. Ich bin eifersüchtig, weil Du Nelly bekommen hast – und mit diesem Baby auch ein Stück von meinem Kind.

Bisher konnte ich mir immer sagen: Ach, die Karin kann mir doch egal sein. Jetzt bin ich für mein Lebtag mit Dir verbunden, weil Du immer die Mutter von Franziskas Schwester sein wirst.

Klar, ganz egal warst Du mir nie. Ich habe mir sofort Dein Foto auf Facebook angeschaut, als Freunde mir erzählt haben, dass Martin Dich trifft. Wenigstens sieht sie ganz nett aus, hab ich gedacht und sofort versucht, Dich mit Franziskas Augen zu sehen.

Wie das fünfte Rad am Wagen

Was wird mein Kind zu dieser Fremden sagen? Wird sie noch mehr leiden unter der Trennung, weil es jetzt diese Frau gibt? Weil sie ihren Papa am Wochenende mit jemandem teilen muss? Am Anfang warst Du für Franziska so was wie die Stiefmutter im Märchen. Nicht gerade böse, aber lästig. Keine Konkurrenz für mich, die einzig wahre, über alles geliebte Mama.

Mittlerweile fühle ich mich selbst manchmal als "die fremde Frau". Die Stiefmutter, die nicht richtig dazugehört, so wie auf dem Schulhof. Das fünfte Rad am Wagen. Das ist eine Rolle, für die es nicht mal einen Namen gibt. Was werde ich mal für Nelly sein?

Undankbar ist diese Rolle. Ich muss gute Miene machen, egal, wie fair das Spiel gerade ist. Und ich kann nicht aussteigen und meinen Weg ohne Euch gehen. Wegen Franziska.

Die Angst, meine Tochter zu verlieren

Ich weiß nicht, ob Du mit Franziska kuschelst, wenn sie bei Euch ist. Ob Du sie küsst. Sie würde es mir nicht erzählen, um mir nicht weh zu tun. Aber Ihr beide schmust mit dem Baby, und manchmal liegt Ihr alle vier im großen Bett, das weiß ich, weil Franziska nachts zu ihrem Papa darf, wenn sie aufwacht.

Sie soll sich geborgen und geliebt fühlen bei Euch. Aber für mich ist das kaum auszuhalten. Ich weiß, dass Eure Nelly schon "Mama" sagen kann. Und dass es auch Franziska jetzt immer wieder rausrutscht, wenn sie bei Euch ist. Als sei es ganz normal. Martin hat mir das erzählt. Er ist stolz darauf, dass es mit Franziska und Nelly so gut läuft.

Warum habt Ihr alles, während ich allein zu Hause sitze und darauf warte, dass mein Kind am Montag wieder zu mir zurückkommt? Es tut mir weh, dass ich sie jetzt schon so oft loslassen muss, obwohl sie doch noch so klein ist. In den nächsten Ferien will sie mit Euch und ihrer Schwester ans Meer. Drei Wochen.

Wird es ihr irgendwann zu langweilig werden mit mir allein? Meine größte Angst ist, dass ich sie eines Tages an Euch verliere. Dass sie irgendwann sagt: "Ich will zu meinem Vater ziehen." Weißt Du, ich will die einzige Mama sein in ihrem Leben. Für immer. Du sollst die fremde Frau bleiben. Und gleichzeitig will ich, dass Du so gut wie nur irgend möglich zu ihr bist. Dass sie sich in jeder ihrer Welten sicher fühlen kann, gleichermaßen geliebt und beschützt, von allen.

Nur deswegen kann ich es ertragen, dass sie "Mama" zu Dir sagt, auch wenn das Mutterherz dabei blutet. Ich weiß nicht, ob Du mich verstehst. Vielleicht blutet das Stiefmutterherz ja mit.

Stephanie

Ein Artikel aus BRIGITTE MOM 2/2013

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