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Gute Mütter lassen schlafende Kinder nicht im Auto

Schlafender Junge im Auto
© Sokolova Maryna / Shutterstock
Diese hat es getan. Und prompt kam die Polizei. Schlimm? Verständlich?

Ja, es war heiß. Der erste schöne Sommertag. Sonntagnachmittag, Eisstimmung. Und ja, unser Auto ist schwarz. Trotzdem: Ich hatte doch im Schatten geparkt; die Fenster einen Spalt geöffnet, gerade so weit, dass genug Luft ins Auto kommt - und sonst keiner. Ich hatte extra noch eine Minute gewartet, um ganz sicher zu sein, dass das Klacken der Zentralverriegelung den Schlaf meiner beiden Söhne nicht gestört hatte, eineinhalb und drei Jahre alt. Alles friedlich.

Erst dann bin ich rauf in die Wohnung, nur kurz was holen. Den Kinderwagen, Windeln, Geld für Eis, die Zeitung. Es kommt ein Telefonat dazwischen; ganz kurz; dann noch eins. Wo ist verdammt noch mal der Geldbeutel? Auf dem Anrufbeantworter kündigen sich die Schwiegereltern zum Abendessen an; also noch schnell einen Pizzateig ansetzen - und plötzlich sind 20 Minuten weg. Macht nix. Erstens schlafen die beiden mindestens eine Stunde, und zwar immer; zweitens sind sie vom Vormittag im Tierpark derart erledigt, dass daraus heute locker zwei werden können.

Ich schiebe den leeren Geschwisterwagen zur Haustür raus, vorbei an der Polizistin, die am Klingelschild herumnestelt. Was will die denn da? Egal. Hinter mir höre ich die Polizistin in ihr Funkgerät sprechen: "Wie war der Name? Jetzt buchstabier halt mal!" Ich gehe weiter. Und langsam, ganz langsam sickert durch, was das bedeuten könnte. Polizei? Buchstabieren? Bei uns im Mietshaus? Die Beine begreifen es schneller als der Kopf. Die rennen schon, als mir schwant, wen die Polizistin sucht: diese unverantwortliche Frau, die ihre verwahrlosten Kinder in diese Mikrowelle von Auto steckt - und sich selbst einen schönen Nachmittag macht. Die weltschlechteste Mutter. MICH! Ich renne, noch eine Kurve - ich erstarre: Das Auto ist sperrangelweit offen, darin zwei zaghaft verzweifelte Kinder, verklebt vom Streichelgehege und einer abklingenden Erkältung. Davor: ein Polizist. Er versperrt mir den Weg. "Sind Sie die Mutter?" Ich nicke. "Ihren Ausweis!" (Gibt es eine Schlechtemütterkartei?)

Ich bin fassungslos. Sprachlos. Unglaublich unsouverän und unfair. Ich raunze die Passantin an, die die Polizei gerufen hat: "Haben Sie überhaupt Kinder?" (Was denkt die blöde Kuh sich eigentlich?) Sie schüttelt den Kopf. "Die haben so geschrieen", sagt sie. Und da habe sie Gummibärchen durch den Fensterschlitz gesteckt. (Kinder mit Süßkram beruhigen, ha!) "Aber die haben nicht aufgehört, und die Gummibärchen sind auch immer runtergefallen."

Die Polizisten diskutieren, ob sie mich dem Jugendamt melden müssen. Sie ist dafür. Ich halte die Luft an. In meinem Kopf steigen Mitarbeiter des Jugendamts über dreckige Wäscheberge, ­ziehen saure Milchfläschchen unter dem Gitterbett hervor. Sie werden kommen, mich für erziehungsunfähig erklären, mir die Kinder nehmen. Zuerst knacken sie dir das Auto, dann...

Der Polizist deutet auf den leeren Kinderwagen: "Immerhin: Sie hat an die Kinder gedacht." Am Ende belassen sie es bei einer Ermahnung - und ich darf endlich zu den weinenden Kindern.

Später an diesem Nachmittag sitzen wir alle drei mit Eis in der Sonne. "Polizei tütata kommt!", sagt der Große und weint noch mal. Mag ja sein, dass es richtig war von der Passantin, die Polizei zu rufen. Meinetwegen. Sollen meine Kinder etwa dafür büßen, dass ich meinen Alltag nicht gebacken bekomme? Nein. Ganz ­sicher nicht. Werden meine Kinder leiden? Ja, natürlich. Denn irgendwas werde ich immer verkehrt machen. Punkt. Und dazwischen: mitlachen, zuhören, Eis essen.

Und mal ganz ehrlich: Kindern, die im abgesperrten Auto sitzen, kann nichts passieren - selbst wenn sie eine halbe Stunde heulen. Im Schwimmkurs schon.

Also gut, fallt über mich her! 

Ein Artikel aus der BRIGITTE MOM 1/2011

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