Wir beobachten es alle: So viele Mütter bewegen sich ständig am Rande eines Burnouts. Übermüdet, überreizt, eigentlich dauernd reif für die Kur.
Doch woran liegt das? Es gibt verschiedene Erklärungen dafür, viele sehen die Doppelbelastung durch Job und Familie als Grund. Aber es gibt auch Stimmen, die glauben, dass Mütter selbst für den Stress verantwortlich sind – weil sie sich zu sehr aufopfern.
Annemarie_83, eine Userin der BRIGITTE-Community, hat solche Beobachtungen in ihrem Umfeld gemacht und in unserem Forum eine lebhafte Diskussion angestoßen. Sie schreibt:
Warum "versklaven" sich heutzutage so viele Mütter?
“Mir ist in letzter Zeit immer wieder aufgefallen, wie sehr sich manche Mütter selbst aufgeben/aufopfern und unter ihrer Situation leiden. Und das vor allem, wenn es um die Themen Schlafen, Essen, Trotzen geht. Ich meine dabei nicht diejenigen Familien, die sich beispielsweise mit den Kindern ein Familienbett teilen und das auch genießen, weil es allen passt.
Mir geht es in erster Linie um Frauen, die sich einreden, ein dreijähriges Kind bräuchte nachts noch Milch, so dass sie dann mehrmals nachts raus müssen, obwohl auf sie am folgenden Tag 8 Stunden Arbeit warten. Oder eine Bekannte, die behauptet, der Vater könne den ebenfalls Dreijährigen nicht beruhigen, so dass sie seit der Geburt keinen einzigen Abend allein unterwegs sein konnte. Wenn wir uns treffen, immer nur mit Kind - da sind entspannte Gespräche über andere Themen kaum drin.
Bloß kein schreiendes Kind in der Öffentlichkeit
Ähnlich ist es mit dem Essen, Trotzen usw. An erster Stelle steht, dass das Kind ja nicht schreit, schon gar nicht öffentlich. Aus dem Grund werden die Kleinen beim Autofahren, Einkaufen, Warten an welchem Ort auch immer durchgefüttert. Oder die Mamas hängen rückwärts über das Bettgitter gebeugt über dem Nachwuchs, weil dieser nur einschlafen kann, wenn er Mamas Haare berühren kann. Eine andere Bekannte stand regelmäßig nachts auf, um ihrer Tochter Brote zu schmieren...
Woran liegt das? Daran, dass man alles richtig machen will, oder daran, dass man so gefangen in der Situation ist? Oder ist langfristiges Denken zu abstrakt, wenn es akut brennt? Hatte Frau früher "einfach" andere Probleme/Sorgen, als sich damit zu beschäftigen, wie sie sich - möglichst dauerhaft - für den Nachwuchs aufopfern kann oder geht es der heutigen Gesellschaft zu gut, sodass man sich solchen Themen in einem solchen Ausmaß überhaupt widmen kann?
Lernen Kinder nie ihre Grenzen kennen?
Ich hab gerade erst mit einer Freundin über diese Frage diskutiert, weil ich der Meinung bin, dass Kinder, die nie ihre Grenzen kennen lernen, später vermehrt Probleme haben. Ich kenne Teenies, die nicht mit auf Klassenfahrt können, weil sie mit 13 noch bei der Mutter im Bett schlafen oder ohne Hilfsmittel gar nicht einschlafen können. Oder auch Kinder, die nicht mal ansatzweise warten können, weil sie genau das eben nie gelernt haben. (...)“
Auf ihre Frage hat Annemarie viele Antworten bekommen – manche bestätigen ihren Eindruck, andere versuchen, Erklärungen zu finden, wieder andere halten den Vergleich von “früher“ und “heute“ für fehl am Platz.
Opfern sich Mütter zu sehr auf? Stimmen aus der Community:
Userin Alte Hexe:
"Ich habe manchmal das Gefühl, dass es heute einen gefühlt irren Druck für Mütter gibt. Sie müssen Beruf, Haushalt und Kinder auf die Reihe kriegen. Und dieses "auf die Reihe kriegen" bedeutet oft eben: konfliktfrei.
Dabei gibt es den unaufgelösten Widerspruch zwischen der modernen berufstätigen Frau und der "Rabenmutter". Die "Ramafamilie" beherrscht nach wie vor das Bild des gelungenen Zusammenlebens mit Kindern und für jeden "quersitzenden Pups" gibt es einen Erziehungsratgeber.
Es erfordert schon viel Widerstandskraft, sich von diesen Bildern zu lösen und auch einmal unperfekt zu sein.
Meine Theorie: Da diese verinnerlichten Ansprüche nicht so leicht aufzulösen sind, wird vielfach getan, was das Kind vorgibt, damit es zufrieden ist (quasi als Gradmesser für das Familienleben, äquivalent für das Gehalt im Beruf).
Das haut aber meistens nicht hin, trotz Ratgebern und Machen und Tun - wie soll frau da durch, ohne an sich selbst zu zweifeln?“
Userin Phyllis:
"Was mir auffällt ist - die Kinder liefen früher einfach im Leben mit, heute wird viel ‘Gesch...’ gemacht. Das Kind ist ein Projekt, und da spreche ich jetzt nicht von meiner eigenen Familie.
Es gibt viele Vergleiche und der Druck wird untereinander gemacht. Alles soll perfekt sein. Das war früher nicht so, das Kind war eben da, wurde geliebt und war nichts ‘Besonderes’ und wurde auch nicht frühgefördert. Es wurde losgelassen und nicht mit Handy ausgestattet kontrolliert. Wenn es die Realschule wurde und es nicht für Gymnasium reichte, dann war das eben so und wurde nicht hinterfragt. Es gibt heute auch in dem Bereich Kindererziehung einen Optimierungszwang.
Was mir auch aufgefallen ist, ist dass Kinder ständig etwas essen müssen. Wenn ich mit Enkeline auf dem Spielplatz bin, sehe ich immer Mütter mit Tupperdosen voller Kekse, die dann ständig gegessen werden müssen. Das verstehe ich nicht, warum reichen nicht die Mahlzeiten aus?“
Userin Xanidae:
"Als ich klein war, wurde Kindern, die nicht durchschliefen, Schlafmittel auf Valiumbasis verabreicht. Ich weiß das von meiner Mutter und meinen Verwandten, die meine Tante, die sich weigerte, diese Medikamente zu geben, und dafür für immer als Rabenmutter verschrien ist. Meine Schwiegermutter erzählt, wie sie weinend vor dem Kinderzimmer mit den schreienden Babys stand, weil ihr die Hebamme verboten hat, nach dem 3. Monat nachts aufzustehen. Kinder müssten da durchschlafen können. Bei den nächsten Kindern hat sie das nicht gemacht und einfach erzählt, die Kinder schliefen durch, obwohl es nicht so war. Mein Kollege, der in den 80ern groß geworden ist, erzählt von der Zuckerphobie seiner Mutter und dass es zuhause nur Vollkorn gab und selbstgenähte und gestrickte Kleidung. Meine Cousine wurde täglich mit dem Gürtel geschlagen, weil sie die Älteste war. (...)
Ich kenne eine Mutter, die sich selbst aufgegeben hat. Meine Mutter. Nicht für uns Kinder, sondern für die Betreuung meines Vaters verzichtet sie auf vieles, was ihr Spaß macht. Sie müsste um Unterstützung für ihn bitten, damit sie abends weggehen kann (wir organisieren das dann, die Enkel passen auf den Opa auf und wir gehen mit meiner Mutter aus)."
Userin ereS:
"Ich denke, Mütter sind heute anders, auch weil sie nichts falsch machen wollen. Sie lassen sich von der Gesellschaft und von anderen Müttern mehr Druck machen, um nach außen hin "perfekt" zu sein. Ich verstehe vieles auch nicht (mehr) und denke mir oft, das gab es früher nicht, nicht nur bei mir, sondern auch in meinem Umfeld.
Ob es Einschlafbegleitung, Elternbett, abendliches Nicht-mehr-Weggehen ist, nur weil Frau jetzt ein Kind hat und der Vater es nicht betreuen kann oder nur als zweite Wahl gesehen wird, das nächtliche Theater bei normal gesunden Kindern, wie du es beschreibst (braucht was zu trinken).
Was mir auch auffällt: Dass viele Mütter unter extremen Belastungen stehen, ständig gehetzt sind, eigentlich nie für irgendetwas richtig Zeit haben, viele mit der gesamten Situation überlastet sind."
Userin Blue2012:
"Was bringt es einem, andere Mütter und ihre Erziehungsmethoden in deinem Umfeld so zu betrachten, wie du es tust? Es bringt eines: Das Gefühl, man macht es selbst besser. Und das finde ich schwierig.
Ein viel besseres Gefühl, als Fragen nach ‘Versklavung’ nachzugehen, ist es, nach den 'Schulterschlüssen' zwischen Müttern zu schauen. Schneide dir hiervon eine große Scheibe ab! DANN sind auch unterschwellige Abwertungen gar nicht mehr nötig."
Eure Meinung!
Wie ist eure Meinung dazu? Opfern sich Mütter wirklich zu sehr auf? Treffen hier unterschiedliche Vorstellungen von “Erziehungen“ aufeinander? Und was kann helfen, damit Mütter nicht mehr so erschöpft sind?
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