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Ich will mein Kind nicht stillen

Gute Mütter geben alles für ihr Kind, selbstverständlich auch die Brust. Diese nicht. Sie hat sich gegen das Stillen entschieden. Und wird deshalb oft angefeindet.

Kein Sushi und kein Käse. Fahrdienst für alle. Auf Partys die Einzige sein, die nüchtern bleibt. Nach neun Monaten Schwangerschaft hatte ich endgültig genug. Ich wollte nicht länger so extrem fremdbestimmt sein.

Ich wollte meinen Körper (und etwas von meinem alten Leben) zurück. Deshalb habe ich mich schon in der Schwangerschaft gegen das Stillen entschieden.

Liebe ich mein Kind weniger, weil ich es nicht stille?

Ja, das ist egoistisch. Aber ist das schlimm? Liebe ich deshalb mein Baby weniger? Nein. Zu einem glücklichen Kind braucht es eine glückliche Mutter.

Im Krankenhaus habe ich sofort gesagt, dass ich nicht stillen möchte – und dass sie das bitte vermerken sollen. Das war noch relativ einfach, ich hatte starke Wehen und somit andere Sorgen.

Nach der Geburt kam eine Krankenschwester an mein Bett, die fragte, ob es stimme, dass ich nicht stillen werde. Ich nickte. Obwohl es keine Diskussion gab, fühlte ich mich herabgesetzt, fast wie ein Alien. Die zwei Bettnachbarinnen glotzten. Alle missbilligten meinen Entschluss, das hat sich mies angefühlt.

Mich ärgern solche Reaktionen. Das ist doch eine persönliche Entscheidung, die jede Mutter für sich selbst treffen muss, vielleicht noch gemeinsam mit ihrem Partner.

Auch ein Flaschenkind hat Hautkontakt

Mein Freund hat meine Entscheidung sofort akzeptiert. Er weiß, wie viel Geborgenheit man einem Baby beim Füttern geben kann. (Ja, auch ohne Brust. Mein Sohn und ich haben immer gekuschelt; das nur für alle Still-Lobbyisten, die denken, ein Flaschenkind wird aus zehn Meter Entfernung und ohne Hautkontakt befüllt.) Das Argument, dass Flaschenkinder keine ordentliche Bindung haben, ist deshalb unhaltbar. Unser Sohn hat sogar eine doppelte. Vater und Sohn haben ein sehr enges Verhältnis.

Und was ist mit dem kalten Entzug? Etwa ein halbes Jahr nach der Geburt gründete ich einen Buchverlag. Mein Wiedereinstieg in den Job war von keinem Abstillkampf begleitet. Nicht wenige Mütter wollen oder müssen ja wieder arbeiten. Dann soll das Baby bitte pünktlich aufhören mit dem Brusttrinken. Meine Erfahrung aus dem Freundeskreis: ein irrer Stress für beide Seiten.

Trotzdem ist es gesellschaftlicher Konsens, dass Stillen das Beste fürs Kind ist. Sagt sogar die Nahrungsmittelindustrie. Allerdings ist es auch verboten, Werbung für Babynahrung zu machen, die darauf zielt, Mütter vom Stillen abzuhalten.

Ich selbst wurde nicht gestillt. Ich habe weder eine Bindungsstörung noch Allergien. Mein Sohn ist ebenfalls gesund. Und selbst wenn das mit den Allergien stimmt, kommt es doch auch darauf an, was die Mutter isst und trinkt, wie und wo sie lebt. Was gibt sie über die Milch an ihr Baby weiter?

Ist es natürlich, wenn stillende Mütter total am Ende sind?

Konsens ist auch, dass Stillen das Natürlichste sei. Mag sein. Aber früher sind Mütter bei der Geburt gestorben. Das war auch die Natur. Ist es natürlich, wenn stillende Mütter total am Ende sind?

Ich sage nicht, dass es allen so geht, ich habe Freundinnen, die sehr gern stillen. Ich habe aber auch Freundinnen, die nur noch ein Schatten sind. Weil das Baby alle zwei Stunden trinkt. Weil sie eben nicht sagen können: Herr Vater, bitte übernehmen Sie, ich muss mal mehr als eine Stunde am Stück schlafen.

An eine Situation erinnere ich mich besonders: Eine Neu- Mama-Freundin war zu Besuch und schaute alle fünf Minuten auf die Uhr. Sie war so gestresst von dem Gedanken, dass die abgepumpte Milch nicht reicht, ihr Baby vor Hunger schreit, sie nicht rechtzeitig daheim ist. Entspannung? Unmöglich.

Ich muss ausbrechen aus der Wattewelt

Sechs Wochen nach der Geburt sind mein Freund und ich das erste Mal ausgegangen. Essen (mit Knoblauch!), ins Theater, Absacker in der Bar.

Mit einem Kind steht die Welt Kopf. Man lebt auf einem anderen Stern. Das ist aufregend und wunderbar. Ich genieße das sehr. Ich muss aber aus dieser Wattewelt auch immer wieder ausbrechen. Um mich selbst nicht zu verlieren. Die Flaschen haben mir das leichter gemacht.

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