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#neueoffenheit "Ich habe meine Kinder beim Vater gelassen"

#neueoffenheit: Tina Weinmayer
"Nicht immer ist das, was für die Gesellschaft richtig ist, das Richtige für einen selbst."
© Jewgeni Roppel
Tina Weinmayer, 44, hat sich vor sieben Jahren von ihrem Mann getrennt und sieht ihre Töchter nur zwei Tage die Woche.

Ich war erst mal überrascht, als mein Mann nach der Trennung vorschlug, dass unsere Mädchen, 3 und 5, bei ihm bleiben – zumal wir vorher eher das klassische Familienmodell gelebt hatten. Doch dann dachte ich: Wenn sich für die beiden schon so vieles ändern würde, wäre es dann nicht gut, wenn zumindest das Umfeld gleich bliebe?

Für mich war klar, dass ich im Heimatdorf meines Mannes nicht mehr leben will. Also einigten wir uns darauf, dass die Kinder bei ihm bleiben und montags und freitags und jedes zweite Wochenende zu mir kämen. Die Entscheidung fiel mir ganz und gar nicht leicht, auch wenn mir das oft unterstellt wird. Als ich alleine losfuhr zu meiner neuen Wohnung, hat es mich schier zerrissen. Aber ist nicht gerade das die Herausforderung: etwas Schweres für jemanden zu tun, den man liebt, weil man es für richtig hält?

Wir haben die richtige Entscheidung für uns getroffen

Leider sah mein Umfeld das anders. Ich bin seitdem oft gefragt worden: Was, wenn du dir das irgendwann vorwirfst? Was, wenn dein Mann eine neue Frau kennenlernt und die Mädchen eine neue Mutter bekommen?

Diese Zweifel von außen krochen langsam und nach und nach in mich hinein. Irgendwann dachte auch ich: Was bin ich für eine Mutter?

Drei Jahre habe ich gebraucht, bis ich die Bewertungen anderer nicht mehr zu meinen gemacht habe. Und das liegt vor allem daran, dass ich sehe, wie gut unser Modell funktioniert: Den Mädchen, uns als Familie, geht es nämlich prima.

Und dennoch: Die Empörung, weil ich ein Leben lebe, das die Gesellschaft nicht gut findet, macht es mir bis heute schwer. Zum Beispiel, als ich meine Große mal von einer Übernachtungsparty abholte: An der Tür sprang ein Hund an ihr hoch, sie erschrak. Die Mutter fragte provokant: "Was hast du denn? Erkennst du die Mama etwa nicht mehr?“ Früher hätte ich danach weinend im Auto gesessen und mich schuldig gefühlt. Heute denke ich: Was ist denn dein Problem? Ich weiß, ich kann andere nicht ändern. Aber wie viel Wert ich solchen Äußerungen beimesse, schon.

Wir haben eine gute Entscheidung für uns getroffen. Nicht immer ist das, was die Gesellschaft vorgibt, das Richtige für einen selbst. Deswegen sollten wir offener über neue Lebensmodelle sprechen, neue Wege mutig ausprobieren, denn sie geben uns mehr Freiheit so zu leben, wie es für uns passt, nicht für andere.

Protokoll: Daniela Stohn Brigitte

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