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"Kinderkriegen ist wie Krieg" – Warum wir über dieses ehrliche Mutter-Buch lachen

"Kinderkriegen ist wie Krieg" – Warum wir über dieses ehrliche Mutter-Buch lachen
© Getty Images
Die Autorin Claudia Haessy wurde schwanger von einem Mann, den sie erst zwei Monate kannte – und hat mit "Wenn ich die Wahl zwischen Kind und Karriere habe, nehme ich das Sofa" ein unglaublich witziges Buch zu diesem Thema geschrieben. Im Interview redet sie über Verhütung, warum Selbstoptimierung anstrengend findet und Muttersein manchmal scheiße ist.
von Tina Epking (Interview)

Der Titel deines Buches lautet "Wenn ich die Wahl habe zwischen Kind und Karriere, nehme ich das Sofa". War das deine Idee?

Claudia Haessy: Ich wollte eigentlich gern etwas mit "Prinzen" und "Penissen", aber damit war der Verlag nicht einverstanden. Wir haben uns schließlich auf diesen Titel geeinigt, er passt gut zu meiner Einstellung zu diesem Thema. 

Die Protagonistin in deinem Buch heißt Claudia. Es geht um dich, oder?

Ich kann das gar nicht mehr so richtig trennen. Viele Situationen und Personen sind erfunden, andere habe ich genauso erlebt. Zum Beispiel, dass ich Schwangerschafts-Yoga ganz furchtbar fand. Und ungewollt schwanger geworden bin ich auch. Das hat es natürlich erleichtert, authentisch darüber zu schreiben.

Die Claudia aus dem Buch wollte keine Kinder. Du auch nicht? 

Ich wollte tatsächlich keine, aber nicht weil ich Kinder doof finde, sondern weil ich ganz rational wusste, dass Kinder zu haben viel Verantwortung und Arbeit bedeutet. Ich bin schon an der Haltung eines Hamsters kolossal gescheitert – wie soll ich dann die Verantwortung für so ein menschliches Lebewesen übernehmen? Ich glaube, als Elternteil kann man sehr schnell sehr viel falsch machen. 

Wie kam es denn dann dazu, dass du so entspannt beim Thema Verhütung warst? 

Idiotie (sie lacht laut). Ich glaube tatsächlich, dass meine biologische Uhr mich ausgetrickst hat. Als ich Weihnachten zuvor bei meiner Familie war und dort ganz viele kleine Kinder waren, wurde ich unsäglich sentimental. Ich war ganz gerührt, weil ich das alles nie haben würde, weil ich mich ja bereits dagegen entschieden hatte. Und kurz danach habe ich dann diesen Mann kennengelernt, wir hatten Sex – und irgendwann waren wir mehr als unvorsichtig. Es war total fahrlässig von uns beiden. 

Wie war es, als du erfahren hast, dass du nach zwei Monaten Affäre schwanger warst?

Ich habe es verleugnet. Bis zur letzten Sekunde. Der Strich auf dem Schwangerschaftstest war zu bleich, ich habe einfach so getan, als könne es gar nicht sein. Als ich es dann nicht mehr leugnen konnte, habe ich es auch dem Mann gesagt. Im Gegensatz zu ihm wusste ich sofort, dass ich das Kind behalten würde. Er ist sofort davon ausgegangen, dass wir das Kind nicht bekommen. Wir kannten uns ja erst zwei Monate – ich hätte mit mir auch kein Kind haben wollen. Deswegen haben wir uns monatelang auch nur noch gestritten oder nicht miteinander geredet. Aber noch vor der Geburt haben wir uns zusammengerauft und beschlossen, das Beste daraus zu machen. Er hat sich selbst in diese Beziehung zurückgekämpft. Wir sind übrigens immer noch zusammen.

"Ich habe nicht alles unter Kontrolle: Warum also so tun?"

Klingt ein bisschen stressig. Konntest du die Schwangerschaft trotzdem genießen? 

Nein. Ich finde sowieso, dass Kinderkriegen wie Krieg ist. Schwangersein und Kinder zu haben, bedeutet, dass man sich ständig gegen alle möglichen Leute behaupten muss: Gegen Ärzte, Hebammen, andere Mütter, die eigene Mutter – und die Schwiegermutter, die sowieso alles besser weiß. Bis man selber raus hat, wo man steht und was man will, dauert es einfach eine Weile. Beim Stillen zum Beispiel war ich fix und fertig mit den Nerven und habe ständig geweint, weil es einfach nicht klappte, auch die Hebamme hat mir nicht geholfen. Ich fühlte mich total alleingelassen. Letztlich hat der Mann dann gesagt, dass er Milchpulver kaufen geht und wir jetzt die Flasche geben. Das war eine große Erleichterung für mich. An jeder Ecke gibt es irgendeinen Erwartungsdruck.

Apropos Druck: Selbstoptimierung ist bei vielen Müttern ein Thema. Manche sehen auch nach der Geburt schnell wieder so aus wie vorher...

Bei mir war das nicht so. Ich habe in der Schwangerschaft 30 Kilo zugenommen, ich fühlte mich unfassbar fett, kenne aber natürlich auch einige Mütter, die extrem diszipliniert sind. Mein Sohn ist jetzt viereinhalb – und ich habe es bis heute nicht geschafft mein Gewicht von vor der Geburt wieder zu erreichen. Aber das ist eben so. Ich arbeite voll, ich hasse Sport, ich esse zu gerne, und ich habe keine Lust, auch noch auf Kohlenhydrate zu verzichten. Ich bin kein Model, ich muss nicht aussehen wie ein Victoria's Secret-Engel, ich möchte lieber mein Leben genießen. 

Das klingt ausgeglichen.

Natürlich hätte ich auch gern ein paar Kilo weniger, aber ich ziehe es nun mal vor Poffertjes zu essen statt auf den Crosstrainer zu steigen. Wenn man seine Prioritäten geklärt hat, fällt es einem oft leichter, sich selbst und seinen Körper zu akzeptieren. 

Es geht im Buch auch um perfekte Mütter, die toll aussehen, alles selbst nähen und immer entspannt sind. Wolltest du je eine von denen sein?

Manchmal. Muttersein ist manchmal einfach scheiße, man hat doch schon genug Druck. Wenn man dann noch den Anspruch hat, alles perfekt machen zu müssen, macht man sich nur selbst fertig. Ich bin nicht perfekt, ich hab nicht alles unter Kontrolle: Warum also so tun? Für diese Art von Stress ist das Leben zu kurz. Wir müssen doch ohnehin die eigenen Bedürfnisse hinten anstellen und akzeptieren, dass wir nicht mehr die erste Geige in unserem eigenen Leben spielen. Es ist schon anstrengend genug, meinen Vollzeitjob mit dem Muttersein zu kombinieren. Nicht falsch verstehen: Das ist es wert. Ich könnte mir ein Leben ohne meinen Sohn nicht mehr vorstellen, er ist genauso, wie ich ihn mir gewünscht hätte – und hat einen großartigen Humor. Er hat mein Leben unfassbar bereichert. Aber ich bin ziemlich sicher, dass sein und mein Glück nicht davon abhängt, ob ich es abends noch schaffe, zuckerfreie Dinkelkekse zu backen. 

Claudia_HaesseyClaudia Haessy, geboren 1982, hat Geschichte und Philosophie in Bonn, Warschau und Beer Sheva studiert. Sie war als freiberufliche Texterin tätig und arbeitet momentan als Social-Media-Redakteurin für die Men’s Health-Redaktion in Hamburg. Seit vielen Jahren bloggt sie auf frauhaessyschreibt.de.

Foto: Privat

Haessy_Cover

"Wenn ich die Wahl habe zwischen Kind und Karriere, nehme ich das Sofa" ist im im Rowohlt Verlag erschienen und kostet 9,99 Euro.

Barbara

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