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"Elternschule": Darf man so mit Kindern umgehen?

Elternschule: Die in diesem Film gezeigten Therapiemethoden für Kinder werden heftig kritisiert
© Iryna Inshyna / Shutterstock
Verzweifelte Eltern, heulende Kinder: Der Kinofilm "Elternschule" ist wegen rabiater Erziehungs- und Therapiemethoden in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen heftig umstritten. Tausende Menschen fordern, die Ausstrahlung des Films zu verbieten.

"Ich bitte euch, unterschreibt gegen diesen furchtbaren Film, der die Würde von Kindern mit Füßen tritt", so urteilt die Zweifach-Mutter Sara Kulka (28) über "Elternschule". Die Petition zum Ausstrahlungsverbot, von der sie spricht, hat aktuell schon mehr als 20.000 Unterstützer. Darin steht unter anderem zu lesen:

Ja, Schlafentzug ist Folter, Eltern sein ist anstrengend und Unterstützung holen ist super. Wenn Hilfe jedoch bedeutet, Kinder zum Essen zu zwingen, schreien zu lassen, ihre Seelen zu brechen, dann kann dies nicht angehen."

Was ist das für ein Film, der so viele Menschen auf die Barrikaden treibt?

Ist das konsequente Erziehung oder Gewalt?

Die Eltern, die ihre Kinder in die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen bringen, sind völlig verzweifelt und hilflos. Ihre Kinder sind verhaltensauffällig. Sie schlafen nicht, essen nicht, schreien stundenlang, hören nicht auf ihre Eltern. Diese Eltern haben einen langen Leidensweg hinter sich und schon viele Beratungs- und Therapieangebote ausprobiert. Eine Mutter sagt zu Beginn des Films, dass sie kurz davor ist, ihre Tochter in ein Heim zu geben, wenn sich ihr Verhalten nicht ändert. Diese Eltern brauchen offenkundig dringend Hilfe.

Der Film "Elternschule" zeigt, wie die Kinder während der Familien-Therapie in der psychosomatischen Klinik in Gelsenkirchen von dem leitenden Psychotherapeuten Dietmar Langer und seinem Team behandelt werden. Und dabei werden Methoden eingesetzt, die viele Menschen in Deutschland entsetzen, unter anderem:

  • Das Einsperren von Kindern über mehrere Stunden in einem Gitterbett in einem abgedunkelten Raum ohne Kontakt zu den Eltern, betreut durch eine Nachtschwester 
  • Zum Essen drängen durch Festhalten und Löffel oder Flasche in den Mund stecken
  • Weinen und Schreien lassen, bis die Kinder erschöpft sind
  • Verweigern von gewünschter Nahrung und Vorsetzen von durch das Kind abgelehnte Nahrung
  • Mitschleifen der Kinder an den Händen bei Spaziergängen
  • Medizinische Untersuchungen weinender Kinder, bei der sie nicht von den Eltern beruhigt, sondern von Personal der Klinik festgehalten werden

Die Journalistin und Erziehungsexpertin Nora Imlau, die sich den Film angesehen und für Eltern.de eine ausführliche Filmkritik geschrieben hat, war sehr betroffen:

Wer angesichts solcher Bilder an sein eigenes Kind denkt, sich seine Tränen und seine Verzweiflung vorstellt, wäre es in einer solchen Situation – dem zerspringt das Herz in tausend Stücke. 

Zwar gebe es auch andere Szenen, in denen die Kinder zum Beispiel entspannt mit ihren Eltern in einem Snoozle-Raum kuscheln, oder Bilder von Kindern, die im Aufnahmegespräche noch sehr verstört und unglücklich wirkten und später lachend durch die Klinik laufen.

Dennoch ist der Gesamteindruck von Nora Imlau negativ:

Die Tipps, die in der „Elternschule“ als allgemeingültige Ratschläge zur liebevoll-konsequenten Kindererziehung gegeben werden, sind weder zeitgemäß noch hilfreich – und diese unkommentiert einem breitem Publikum vorzustellen, ist unverantwortlich.

Auch das Urteil des Deutschen Kinderschutzbundes zu dem Film ist eindeutig. In einer Stellungnahme heißt es:

Es gibt in diesem Film zahlreiche Szenen, in denen psychische und physische Gewalt gegen Kinder, zumeist kleine Kinder, in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen gezeigt wird. 

Die Klinik verteidigt ihr Therapiekonzept

Bei der Filmpremiere in Dresden verteidigte Dietmar Langer die Therapie und sagte, dass die Szenen aus "Elternschule" nur einen ganz kleinen Teil der Therapie ausmachten und dass die sichere Bindung zwischen Eltern und Kind klar im Mittelpunkt stehe. Außerdem gehörten zur Therapie in Gelsenkirchen auch spiel- und kunsttherapeutische Angebote, autogenes Training oder auch therapeutische Sitzungen mit den Eltern, um deren Kindheitstraumata aufzulösen, was nur eben in dem Film nicht zu sehen sei.

Auf ihrer Internetseite berichtet die Klinik, dass es auch viel positive Resonanz der Zuschauer gebe. Dietmar Lange schreibt dort: „Wir erleben viel Zuspruch“. Während der Film in vielen journalistischen Medien positiv besprochen werde, "organisieren Kritiker in den sozialen Netzwerken Hetzkampagnen und diskreditieren mit falschen Aussagen die Klinik".

Geschäftsführer Werner Neugebauer sagt: "Viele Familien nutzen hier ihre Chance, nach vielen gescheiterten Versuchen aus einer festgefahrenen Situation herauszukommen. Sie erhalten eine umfassende ärztliche, therapeutische und pädagogische Betreuung. Das Konzept ist wissenschaftlich evaluiert, von den Krankenkassen anerkannt und leitliniengerecht. Die Vorwürfe gegenüber der Klinik und insbesondere gegen unsere Mitarbeiter sind absurd. Die Polemik der Kritiker ist unerträglich."

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