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Kinderarmes Deutschland Jede fünfte Frau in Deutschland ist kinderlos

Frau am Strand hält Kind in den Armen
© Yulia Sugarbox / Adobe Stock
Seit zehn Jahren ist die Kinderlosenquote nahezu gleichbleibend. Warum haben so viele Menschen in einem so gut aufgestellten Land wie Deutschland keine Kinder?

Die Kinderlosenquote liegt im Jahr 2022 in Deutschland bei 20 Prozent – und damit seit zehn Jahren nahezu konstant, wie es in einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes heißt. Die Zahlen beziehen sich auf den Anteil der Frauen ohne leibliche Kinder, die im Jahr 2022 im Alter zwischen 45 und 49 Jahren waren. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit diesem Anteil am oberen Rand, nur in Japan gibt es mehr kinderlose Frauen, in Europa liegt die Quote durchschnittlich bei 15 Prozent.

Jede fünfte Frau in Deutschland hat also kein Kind – doch warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich, weil ein Kind auch im Jahr 2023 für eine Frau unter anderem eine Sache ist: ein Karrierekiller.

Bildungsstand hat offenbar Einfluss auf Kinderwunsch

Die Anzahl an kinderlosen Frauen variiert innerhalb Deutschlands teilweise stark: In Westdeutschland war sie mit 20 Prozent deutlich höher als in Ostdeutschland mit 14 Prozent (Berlin hierbei nicht miteingerechnet). Mit Blick auf einzelne Bundesländer sind die Unterschiede sogar noch gravierender: Während in Thüringen etwas mehr als jede zehnte Frau kinderlos ist (14 Prozent), ist es in Hamburg fast jede dritte (29 Prozent).

Und auch der Bildungsstand hat statistisch gesehen Einfluss auf den Kinderwunsch: Die Kinderlosenquote lag bei Frauen mit niedrigem Bildungsstand bei elf Prozent, bei mittleren bei 21 und bei hohem Bildungsstand bei 23 Prozent. "Frauen sind die absoluten Gewinnerinnen der Bildungsexplosion", erklärt Johannes Kopp, Professor für empirische Sozialforschung in Trier, diese Werte im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeine". Denn mit dem gestiegenen Bildungsgrad sei auch das Bewusstsein für einen Lebensentwurf fern des Haushalts und der Kindererziehung entstanden. Und bis heute lassen Karriere und Kinder sich nur schwerlich miteinander verbinden.

Karriere oder Kind?

Bereits 2013 lag die Kinderlosenquote bei 22 Prozent, auch damals war sie besonders ausgeprägt bei den Akademikerinnen, genauso wie der Anteil an kinderlosen Frauen in den alten Bundesländern deutlich höher war als in den neuen. Und genauso sind es damals wie heute meist die Mütter gewesen, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder ganz aufgeben, um sich um die Kinderbetreuung zu kümmern: 2012 war nur rund jede dritte Mutter mit Kindern unter drei Jahren berufstätig, unter den Vätern waren es 85 Prozent. Im Jahr 2022 waren knapp 40 Prozent der Mütter mit einem Kind unter drei Jahren berufstätig – bei den Vätern waren es 89,6 Prozent.

Auf die Zahlen aus 2013 reagierte die damalige SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig mit einem Appell an die Arbeitgeber:innen: Die Arbeitswelt müsse familienfreundlicher werden und nicht die Familien arbeitsfreundlicher. Wenn jeder zweite neue Arbeitsvertrag nur noch befristet abgeschlossen werde und prekäre Beschäftigungsformen zunähmen, sei eine Familienplanung kaum möglich. Zumindest an dieser Stelle hat sich etwas getan: Im Jahr 2021 war in Deutschland laut Statistischem Bundesamt jeder vierzehnte (7,4 Prozent) Arbeitsvertrag befristet. Doch bei der Entscheidung, ob eine Frau sich ein Kind leisten kann, geht es um mehr als befristete Verträge.

"Child Penalties" bezeichnen Einkommenseinbußen nach der Geburt des ersten Kindes, erklärt Ökonomieprofessor Josef Zweimüller im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und sagt ganz klar: "Für Frauen sind Kinder beim Gehalt eine Strafe." Zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes würden Frauen im Durchschnitt noch immer 61 Prozent weniger verdienen als im letzten Jahr vor der Geburt. Ein Effekt, den es bei Vätern nicht gebe, so der Wissenschaftler. Bis heute bleibt meistens die Frau zu Hause, wenn sie ein Kind bekommt, bis heute unterbricht sie ihre Arbeit und nimmt immense finanzielle Einbußen in Kauf, die sich auch auf ihre Rente auswirken werden. Frauen sind rein statistisch gesehen armutsgefährdeter als Männer, der Unterschied wird mit zunehmendem Alter größer.

Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, hängt also für eine Frau nicht nur von Faktoren wie der eigenen Fruchtbarkeit oder dem:der richtigen Partner:in ab – sondern auch davon, ob sie bereit ist, ihre Karriere zu unterbrechen oder vielleicht sogar ganz aufzugeben. Und an dieser Problematik hat sich in den letzten Jahren genauso wenig getan wie an der Kinderlosenquote.

Verwendete Quellen: destatis.de, bpb.de, deutschlandfunk.de

csc Brigitte

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