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Social Freezing Prof. Dr. Inka Wiegratz: "Viele Frauen kommen zu spät"

schwangere Frau
© Yakobchuk Olena / Adobe Stock
Lässt sich mit Social Freezing wirklich die biologische Uhr anhalten? Wie lange kann man die Eizellen einfrieren? Und wie hoch sind die Chancen, schwanger zu werden? Das Wichtigste, was du wissen musst, wenn du über Social Freezing nachdenkst, erfährst du hier.

Frauen wollen heute mehr vom Leben als noch vor ein paar Jahrzehnten. Sie sind besser ausgebildet, unabhängig und haben Träume und Ziele. Sie suchen nach gleichberechtigten Partnerschaften, viele haben einen erfüllenden Job, wollen vielleicht Karriere machen und eine Familie gründen. Doch während es für die meisten Männer unproblematisch realisierbar ist, alles unter einen Hut zu bekommen, gibt es für Frauen einen Faktor, der in der Lebensgestaltung eine Grenze setzt, sofern man sich Kinder wünscht: Das berühmte Ticken der biologischen Uhr. 

Im Gegensatz zu Männern, die Spermien bis an ihr Lebensende immer wieder neu produzieren, werden Frauen mit einer gewissen Anzahl an Eizellen geboren, deren Qualität mit jedem Jahr abnimmt. Insbesondere dann, wenn das 35. Lebensjahr überschritten wurde. Mit jedem weiteren Jahr, das ins Land geht, sinkt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden.

Die biologische Uhr anhalten?

Ein häufig diskutiertes Thema in diesem Zusammenhang ist das Einfrieren der Eizellen. Beim soge-nannten Social Freezing werden der Frau unbefruchtete Eizellen entnommen und kryokonserviert, um die Qualität der Eizellen zu erhalten. "Die Idee dahinter ist, dass Frauen mit jungen Eizellen auch noch im höheren Alter schwanger werden können, also zu einem Zeitpunkt, an dem es ihnen mit ihren älteren Eizellen nicht mehr möglich wäre – oder sogar zu einem Zeitpunkt, an dem sie keine Eizellen mehr haben", erklärt die Reproduktionsmedizinerin Prof. Dr. Inka Wiegratz vom Kinderwunsch- und Hormonzentrum in Frankfurt am Main. 

So könne man aber nicht nur in höherem Alter noch eigene Kinder bekommen, sondern verringere durch die Nutzung jüngerer Eizellen gleichzeitig auch das Risiko für Fehlgeburten und chromosomale Fehlbildungen, das mit zunehmendem Alter der Mutter steigt. Denn auch dies hänge mit der Qualität der Eizellen zusammen. Doch auch wenn die Eizellen noch jünger sind, ist es der Körper der werdenden Mutter nicht. So gilt auch eine Schwangere, selbst wenn sie mit jüngeren Eizellen schwanger wird, ab einem Alter von 35 Jahren als Risikopatientin, da sie andere Risiken mitbringt, die jüngere Frauen normalerweise noch nicht haben. 

Wie läuft Social Freezing ab?

Um eine gute Anzahl an Eizellen zu gewinnen, muss sich die Frau etwa acht bis zehn Tage jeden Tag eine Spritze verabreichen, um die Eizellreifung zu fördern. Sind die Follikel groß genug, wird der Eisprung per Spritze ausgelöst. Jetzt müssen die Eizellen innerhalb von etwa 36 Stunden per Punktion entnommen werden. Hier ist wichtig, dass man im Zeitraum der Behandlung flexibel ist und keine Termine dazwischenkommen. Schließlich verläuft jeder Stimulationszyklus individuell unterschiedlich und man hat für die Entnahme der Eizellen nur ein begrenztes Zeitfenster.

Was kostet Social Freezing?

Inklusive der Medikamente kostet Social Freezing etwa 2.500 bis 3.000 Euro. Je älter die Frau ist, desto weniger Eizellen können in der Regel entnommen werden, sodass einige Frauen dann auch zweimal einfrieren müssen, um überhaupt die Chance auf eine Schwangerschaft mit diesen Eizellen zu haben. 

Prof. Dr. Wiegratz: "Viele Frauen kommen zu spät"
Prof. Dr. Wiegratz: "Viele Frauen kommen zu spät"
© Privat

"Die meisten Frauen kommen aktuell mit etwa 37 Jahren. Nehmen wir an, bei der Patientin können 15 Eizellen gewonnen werden. Davon sind etwa 13 reif und können eingefroren werden. Die Auf-tauüberlebensrate liegt bei etwa 80 Prozent. Dann hat die Patientin mit Glück vielleicht zehn Eizellen, mit Pech sind es nur sechs. Davon lassen sich wiederum nur etwa 70 Prozent befruchten und kommen in die Embryokultur. Ziel ist dann, etwa fünf Tage später, der Embryotransfer von einem, in Ausnahmefällen auch mal von zwei Embryonen. Somit ist klar, dass bei jedem Schritt in der Behandlungskette ein gewisser Verlust zu verzeichnen ist. Insgesamt geht man davon aus, dass je nach Alter der Frau zum Zeitpunkt des Einfrierens, die Schwangerschaftsrate bei 20 bis 40 Prozent pro Transfer liegt.“

Viele Frauen wiegen sich in falscher Sicherheit, wenn sie denken, das wird noch mit über 40 Jahren klappen.

Kommt eine Patientin erst im Alter von 40 oder 41 zur Behandlung, gewinnt man vielleicht nur noch fünf Eizellen. Die geringeren Erfolgschancen kann man sich ausrechnen.

Eine Garantie gibt es nicht

Wichtig zu wissen: Social Freezing bedeutet immer auch künstliche Befruchtung. Die entnommenen Eizellen werden nicht wieder in den Körper der Frau eingesetzt; man taut sie auf, schaut, ob sie überlebt haben und befruchtet sie mittels Spermieninjektion (auch als ICSI bekannt). Hat die Be-fruchtung geklappt, wird die befruchtete Eizelle weiter kultiviert und der Embryo in die Gebärmutter eingesetzt. Und das wiederum ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Eventuell auch die einer Hormonbehandlung, erklärt die Gynäkologin.
Was vielen Frauen oft nicht bewusst ist, wenn sie sich für diesen Weg entscheiden: Egal, wie viele Eizellen eingelagert werden, eine hundertprozentige Sicherheit, dass damit eine Schwangerschaft erzielt werden kann, gibt es nie.

Viele Frauen sind zu spät dran

Schaut man sich die Daten aus dem Deutschen IVF-Register an, sieht man, dass die Fertilität mit 35 Jahren deutlich abnimmt. "Viele Frauen wiegen sich in falscher Sicherheit, wenn sie denken, das wird noch mit über 40 Jahren klappen. Ich habe nicht selten Frauen, die in dem Alter zu mir kommen und gar nicht wissen, dass sie sich schon kurz vor dem Ende ihrer reproduktiven Phase befinden und nur noch eine sehr geringe Chance haben, mit eigenen Eizellen schwanger zu werden." 
Ähnlich sehe es aus, wenn es darum gehe, Eizellen einzufrieren: Im Alter von 38 Jahren sei das viel zu spät, erklärt die Endokrinologin. "Der optimale Zeitpunkt für das Einfrieren der Eizellen ist zwischen dem 32. und 35. Lebensjahr. Sind die Frauen jünger, lernen sie oft noch den passenden Partner kennen und werden von allein schwanger. Sie haben also umsonst eingefroren. Bei Frauen über 38 Jahren hingegen kann meist nur eine unzureichende Anzahl an reifen Eizellen für die spätere Nutzung gewonnen werden. Auch entscheiden sich viele Frauen, die beispielsweise erst mit über 40 einen Partner kennenlernen, doch dagegen, die eingefrorenen Zellen zu verwenden, weil sie sich gegen eine späte Elternschaft entscheiden."

Was passiert mit den nicht genutzten Eizellen?

Die Frauen können grundsätzlich frei über ihre Eizellen verfügen. Im Ausland könnten sie die Eizellen auch mit 60 noch befruchten und sich einsetzen lassen. Obwohl es in Deutschland keine gesetzliche Altersgrenze gibt, führen die meisten Kliniken die Behandlung bis maximal zum natürlichen Menopausealter (etwa 50 Jahre) durch. Die Eizellen können natürlich auch verworfen werden. Das Spenden der Eizellen ist in Deutschland allerdings nicht erlaubt.

Eizellen ohne Verfallsdatum?

Doch wie lange kann man Eizellen überhaupt einfrieren? Werden sie irgendwann "schlecht"? Nein, sagt, Prof. Inka Wiegratz. "Man geht davon aus, dass die Langzeitlagerung den Eizellen nicht schadet.“ Selbst eine sehr lange Lagerungszeit reduziere nicht die Überlebensrate beim Auftauen. So gebe es Frauen, die sich die befruchteten Eizellen nach über zehn Jahren Kryokonservierung haben einsetzen lassen und deren Kinder völlig unauffällig sind."

Lohnt sich Social Freezing überhaupt?

"Diese Frage muss sich jede Frau letztlich selbst beantworten. Für manche Frauen mag es eine sehr gute Option sein, eine Eizellreserve in jungen Jahren anzulegen. Viele meiner Patientinnen berich-ten, dass sie sich nach dem Einfrieren ihrer Eizellen etwas befreiter fühlen, weil ihnen die biologischen Uhr nicht mehr so im Nacken sitzt. 
Ich rate meinen Patientinnen, die zur Social Freezing-Beratung kommen, jedoch immer auch darüber nachzudenken, ihre Kinder in jüngerem Alter zu bekommen, sofern der entsprechende Partner vorhanden ist. Meine Erfahrung zeigt: den richtigen Zeitpunkt für Nachwuchs gibt es in den seltensten Fällen und wenn man die Familienplanung aufgrund von Karriereplänen zu lange aufschiebt, klappt es später eventuell nicht mehr auf natürlichem Wege. Meines Erachtens sollten wir in Deutschland die Vereinbarkeit von Beruf und Familie viel mehr fördern, sodass wir es Frauen auch ermöglichen, wieder jünger ihre Kinder zu bekommen, ohne dass sie einen Karriereknick befürchten müssen."

Prof. Dr. med. Inka Wiegratz leitete über viele Jahre den Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktion der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Neben ihrer Lehrtätigkeit hält sie regelmäßig Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen. Aktuell arbeitet sie als Leitende Ärztin im Kinderwunsch & Hormonzentrum Frankfurt – Am Palmengarten.
 

Brigitte

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