Anzeige

Ex-Lehrerin im Interview Warum TikTok in den Unterricht gehört

Jugendliche schauen lachend aufs Smartphone
© Daniel / Adobe Stock
Eine junge Lehrerin wird zur Influencerin auf TikTok – und kündigt ihren Job. Nun will sie Jugendlichen in einer "TikTok Schule" beibringen, wie sie professionelle Videos erstellen und ihren Account aufbauen. Im Interview erklärt sie, warum das bei der Persönlichkeitsentwicklung und der Jobsuche helfen soll.

TikTok gehört ins Klassenzimmer, findet die Influencerin Linda Lime, ehemalige Sport- und Englischlehrerin. Es sei nämlich keine Zeitverschwendung, sondern helfe dabei, sich selbst zu finden. Und später einen Arbeitgeber. Auf TikTok folgen der 28-Jährigen 1,5 Millionen Menschen. Lime hat das Buch "Die TikTok Schule. Wie du dich mit Social Media selbst entdeckst" geschrieben. "Es wird so getan, als ob Social Media eine andere Welt wäre, die im Klassenzimmer nichts verloren hat", schreibt sie. 

Bevor sie zur Vollzeit-Influencerin wurde, durfte sie an ihrer Schule in Österreich einen Video-Workshop abhalten. Der Andrang war so groß, dass sie den Kurs begrenzen mussten. "Die Kinder blieben freiwillig nachmittags in der Schule, um zu lernen, wie man Videos filmte und schnitt. Wir entwickelten gemeinsam Szenen, die auf lustige Weise das frühe Aufstehen, den morgendlichen Weg zur Schule oder das Zuspätkommen zeigten", schreibt Lime. "Social Media zu ignorieren, ist eine verpasste Chance." Im Interview erzählt sie, wieso TikTok die Jugendlichen auf die Arbeitswelt der Zukunft vorbereitet und was sie mit der "TikTok Schule" erreichen will.

BRIGITTE: Normalerweise schauen Pädagog:innen skeptisch auf TikTok. Sie waren Lehrerin. Welche Reaktionen haben Sie bekommen, als sie mit TikTok begannen?

Linda Lime: Die einen fanden es toll, dass ich junge Leute dazu inspiriere, nach draußen zu gehen, sich zu bewegen und etwas zu erleben, anstatt nur vor dem Handy zu sitzen. Quasi Erlebnispädagogik, nur online. Andere konnten nicht verstehen, wie ich mich als Lehrerin humorvoll auf Social Media präsentieren kann. Genauso gemischt waren die Reaktionen der Eltern. Manche waren begeistert, dass eine Lehrerin etwas Neues macht und die Schüler dort abholt, wo sie täglich in der Onlinewelt unterwegs sind. Andere sorgten sich, dass ich den Respekt der Schüler:innen verlieren könnte. Das Gegenteil ist eingetreten, weil sie gesehen haben, dass eine Fachlehrerin sich auskennt mit dem, was sie in der Freizeit interessiert.

Die Wirtschaft braucht Mitarbeiter:innen, die Erfahrung in der professionellen Erstellung von TikTok-Inhalten haben.

Wieso entschieden Sie sich, lieber Influencerin zu sein als Lehrerin?

Als ich eine Million Follower erreicht hatte, stand ich vor einer Entscheidung. Beides unter einen Hut zu bringen, war auf Dauer nicht möglich. Ich habe lange darüber nachgedacht. Denn als Lehrerin habe ich ein festes Gehalt, sitze in einem sicheren Boot. Influencerin zu sein, ist etwas Neues. Ich wollte den Schritt wagen und mutig sein. Ich bin schon jetzt überwältigt, wie viele Anfragen und Feedback ich bekomme. Der Bedarf an professionellen Content-Creator:innen ist heutzutage enorm. Die Wirtschaft braucht Mitarbeiter:innen, die Erfahrung in der professionellen Erstellung von TikTok-Inhalten haben. Die Leiter:innen der Marketingabteilungen sind oft über 40 und sprechen einfach nicht die Sprache der TikTok-Community.

Wir brauchen Unterrichtsfächer, in denen die Schüler:innen sich kreativ ausleben mit ihren Smartphones und lernen, professionelle Videos zu erstellen.

Und da kommt ihre "TikTok Schule" ins Spiel?

Ja, ich hoffe, dass sich viele junge Leute angesprochen fühlen, mehr über diese Plattform und die professionelle Content-Erstellung zu lernen. Viele wissen nicht, dass das ein gefragter Job ist. Die Erstellung von Videos, die viral gehen, kann man lernen. Es gibt Grundbausteine. Wir leben im Jahr 2023, TikTok, Instagram und andere Social Media Plattformen sollten unterrichtet werden. Damit die Schüler:innen ihre Vorteile kennenlernen, ebenso wie die Gefahren. Lehrer:innen sollten durch Fortbildungen geschult werden, damit so etwas in den Unterricht integriert wird. Das Fach Kunst zum Beispiel ist in dieser Form nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen Unterrichtsfächer, in denen die Schüler:innen sich kreativ ausleben mit ihren Smartphones und lernen, professionelle Videos zu erstellen.

Ich habe die letzten Jahre so viel herausgefunden über mich und was ich mag. Das hätte ich ohne die Plattform nie gelernt, weil ich mich nicht so hinterfragen musste.

Sie sagen in Ihrem Buch, dass TikTok uns helfen kann, uns selbst zu finden? Wie das?

Man hinterfragt sich immer wieder und bekommt ein Gefühl dafür, was einem Spaß macht. Bevor ich ein Video poste, frage ich mich, ob ich zu 100 Prozent dahinterstehe und möchte, dass das hunderttausende Leute sehen. Außerdem lernt man Selbstbewusstsein. Keiner wird dir folgen, wenn du nicht selbstbewusst vor der Kamera stehst. Durch die Bestätigung der Follower merkst du, was du gut kannst und was nicht. Ich habe die letzten Jahre so viel herausgefunden über mich und was ich mag. Das hätte ich ohne die Plattform nie gelernt, weil ich mich nicht so hinterfragen musste. Mit dem Buch gebe ich mein Wissen weiter. In erster Linie ist es mir wichtig, dass junge Leute, die sich für Social Media interessieren, sich selbst besser kennenlernen.

Welche Pläne haben Sie mit der "TikTok-Schule"?

Mir schwebt noch einiges vor. So wie in einer echten Schule, möchte ich mit der Community, die sich bildet – sozusagen mit meiner Klasse – auf Klassenfahrt gehen. Es soll Ausflüge geben, auf denen wir gemeinsam Abenteuer erleben und ich die Praxis besser unterrichten kann. In dieser Zeit werden wir unsere Fähigkeiten verbessern, Videos zu erstellen – für die Unternehmen, die uns sponsern und dazu einladen, Content zu erstellen. Es soll eine Community entstehen, in der wir uns gegenseitig stärken, motivieren, unterstützen und in der Freundschaften wachsen. Deswegen habe ich das Buch geschrieben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel