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Eltern-Burnout Warum gerade westliche Länder darunter leiden

Eltern-Burnout: Mutter weint
Eltern-Burnout ist gerade in westlichen Ländern verbreitet.
© pavel_shishkin / Adobe Stock
Die Pandemie trifft bis heute viele Eltern – aber die Überforderung war schon lange vor Corona für viele trauriger Alltag. Eine Studie zeigt nun, dass gerade Eltern in westlichen Ländern unter enormer Überforderung leiden – doch warum eher hier?

Geschlossene Kitas und Schulen, erst nach und nach zugelassene Impfstoffe, Sorge um Ansteckung von vulnerablen Gruppen: Die Corona-Pandemie hat gerade zu ihrem Beginn Eltern an den Rand der Verzweiflung gebracht. Doch schon vor dem Virus war der Grad der Erschöpfung bei Elternteilen hoch – vor allem in westlichen Ländern. Warum das so ist, wollte eine groß angelegte Studie aus 2021 feststellen.

Individualismus im Land fördert die Gefahr des Eltern-Burnout

Warum geht es Eltern in westlichen Ländern so viel schlechter mit den aktuellen Herausforderungen? In der Studie, die 17.409 Eltern aus 42 Ländern untersucht hat, wollten die Forschenden genau dieser Frage nachgehen. Im Gespräch mit "Science News" äußert sich eine Wissenschaftlerin überrascht über das klare Ergebnis der Untersuchung.

"Ich hatte die Vermutung, dass der Individualismus zum elterlichen Burnout beitragen würde", sagt Psychologin Isabelle Roskam von der Universität Louvain in Belgien. Und tatsächlich: kein anderer Faktor – wie beispielsweise hohe Arbeitsbelastung der Eltern oder die mit den Kindern verbrachte Zeit – hatte eine so klare Verbindung mit dem elterlichen Burnout wie der Individualismus, also der Betonung und Bedeutung von Unabhängigkeit in einem Land. 

Bei der Studie wurde der Individualismuswert einzelner Länder durch Daten eines Analyseunternehmens berechnet. Bei einem Land wie den Vereinigten Staaten, die einen Individualismuswert von 91 haben, waren nahezu jeder zehnte Elternteil (acht Prozent) ausgebrannt. In Ländern mit niedrigeren Werten, wie beispielsweise Pakistan oder China, litten hingegen zwei Prozent der Eltern unter einem Burnout. Interessanterweise gehört auch Deutschland mit Werten zwischen einem und zwei Prozent eher zu den Ländern, in denen elterliche Erschöpfung selten ist.

Studienergebnisse nicht frei von Kritik

In Ländern, in denen ein besonderer Wert auf die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit gelegt wird, bleibt tendenziell weniger Raum für das Gefühl der Zugehörigkeit und der Gemeinschaft. In einer kollektivistischen Kultur hingegen wird tendenziell der Gruppe der Vorrang gegenüber dem Individuum eingeräumt. 

Wer in solch einer Kultur lebt, kann sich auf die Großfamilie, Freund:innen, teilweise sogar auf Bekannte verlassen, bei der Kindererziehung und den damit verbundenen alltäglichen Aufgaben unterstützt zu werden. So zumindest eine mögliche Erklärung, die man aus der Studie ableiten könnte. Die Ergebnisse und Untersuchung selbst wird allerdings auch kritisiert.

Soziologe Frank Furedi von der University of Kent fürchtet, dass die Begriffe aus den Fragebögen der Studie wie "erschöpft" und "Vergnügen" in Bezug auf Elternschaft in nicht-westlichen Ländern für die Befragten keinen Sinn ergeben hat. "Diese Studie projiziert eine [westliche] Vorstellung auf den Rest der Welt", sagt er im Gespräch mit "Science News". Hierdurch würden die Antworten der Eltern aus diesen Ländern schlimmstenfalls bedeutungslos, weswegen neutrale Fragen (beispielsweise die Frage nach der optimalen Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen möchten) wünschenswert gewesen wären.

Verwendete Quellen: sciencenews.org, link.springer.com

csc Brigitte

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