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"Schön sein heißt, mit sich selbst zufrieden zu sein"

"Schön sein heißt, mit sich selbst zufrieden zu sein"
© Annette Riedl
Tontechnikerin Julia arbeitet in einer Männerdomäne. Während sie früher immer eher die Toughe war, genießt sie es heute, ihre weibliche Seite auszuleben. Und ist stolz darauf, eine Frau zu sein.

Julia, 35 Jahre

Einmal von einem Body-Painter bemalt zu werden, war schon immer Julias Traum.
Einmal von einem Body-Painter bemalt zu werden, war schon immer Julias Traum.
© Annette Riedl

Warum bist du heute hier? Weil ich ausgewählt wurde, eine der fünf glücklichen Frauen zu sein, die diese Woche bemalt werden. Und weil ich Body-Painting immer schon ausprobieren wollte, sich bislang aber keine Möglichkeit für mich ergeben hatte.

Wie würdest du die Beziehung zu deinem Körper beschreiben? Ich habe ein sehr entspanntes Verhältnis zu meinem Körper. Ich habe zwei Kinder bekommen. Das sieht man und das darf man auch sehen. Insofern strebe ich keine Modelfigur an. Aber ich glaube, ich kann mich durchaus immer noch zeigen.

Wie oft bist du nackt und wie fühlst du dich, wenn du nackt bist? Zu Hause, vor meiner Familie, bin ich natürlich im Badezimmer nackt oder wenn ich mich umziehe. Ich hab auch in der Kindheit vorgelebt bekommen, dass es innerhalb der Familie wenig Scham gibt. Insofern ist es nicht ungewohnt. Natürlich fühlt es sich schon komisch an, vor fremden Leuten nackt zu stehen und dann auch noch bemalt zu werden. Aber ansonsten hab ich mit Nacktheit kein Problem.

Wie fühlt es sich für dich an, gerade bemalt zu werden? Super gut. Es ist ein total angenehmes Gefühl und macht viel Spaß. Die Pinselstriche auf der Haut zu spüren, gefällt mir sehr.

Wie fühlst du dich bezüglich deines Aussehens? Das ist stimmungsabhängig. Oft fühle ich mich sehr gut. Manchmal gibt es natürlich auch Tage, an denen ich unausgeschlafen aufstehe und denke: Oh Gott, was für Augenringe! Aber grundsätzlich bin ich mit meinem Aussehen zufrieden.

Was bedeutet Schönheit für dich? Schönheit heißt, mit sich selbst zufrieden zu sein und das auch nach außen auszustrahlen.

Julias Verwandlung in Bildern

Und was tust du, damit du selbstzufrieden bist? Ich versuche so glücklich wie möglich zu sein. Das bezieht sich weniger auf mein Aussehen, sondern mehr auf meine Hobbies, Familie und meinen Beruf. Daraus versuche ich positive Energie zu gewinnen und die dann auch ausstrahlen zu können.

Beschreib uns mal bitte deine Beziehung zu Essen und Ernährung. Ich bin ein Genussmensch. Ich würde nie Gefahr laufen, magersüchtig zu werden oder etwas in der Art meinem Körper anzutun, weil ich viel zu gerne esse und trinke. Ab und zu kommt dann der Punkt, an dem ich denke: Ok, jetzt hast du die letzten Tage ganz schön reingehauen. Jetzt kannst du wieder ein bisschen mehr Yoga machen oder dich aufs Fahrrad setzen. Aber grundsätzlich würde ich mich nie maßregeln, was Essen und Trinken betrifft. Das hängt auch mit meinen Kindern zusammen, weil ich ihnen ein gutes Vorbild sein will. Bei uns zu Hause wird sehr gesund gegessen, und deshalb habe ich auch kein schlechtes Gewissen, wenn ich mal über die Stränge schlage.

Ernährst du dich auf eine besondere Art und Weise? Bist du Veganerin oder Vegetarierin? Nein. Ich überlege immer mal wieder, Vegetarierin zu werden. Ich esse wenig Fleisch, aber eher aus ethischen Gründen und nicht weil ich denke, es sei nicht gut für mich. Eine Zeit lang haben wir versucht, einen veganen Tag die Woche einzurichten. Das klappt nicht so richtig, aber ich versuch’s immer mal wieder. Ansonsten hab ich keine Grundprinzipien.

Und was machst du für deinen Körper und deine Gesundheit? Ich würde gerne mehr tun. Ich mach Yoga und versuche alle Strecken Berlins mit dem Fahrrad zurückzulegen – auch mit den Kindern. Und wenn ich es schaffe, gehe ich sehr gerne schwimmen und ziehe dann richtig meine Bahnen. Ansonsten würde ich gerne wieder regelmäßig tanzen gehen. Das hab ich früher viel gemacht, aber im Moment komme ich aufgrund von Beruf und Familie einfach nicht dazu.

Wiegst du dich regelmäßig? Nein.

Was bedeutet Frausein für dich? Frausein bedeutet sensitiv, weiblich sein. Früher war ich immer die Starke. Als Tonmeisterin hab ich einen sehr männlichen Beruf gewählt, beschäftige mich viel mit Technik und bin häufig allein unter Männern. Aber mit zunehmendem Alter genieße ich es immer mehr, meine weibliche, sensitive Seite auszuleben. Mittlerweile trage ich auch mal etwas Rosafarbenes, was ich die ersten 30 Jahre meines Lebens nicht getan habe. Frausein bedeutet weich und auch mal verletzlich zu sein und nicht immer nur tough. Da komm ich aber jetzt erst drauf (lacht).

Und was bedeutet Sexualität für dich? Viel. Mir ist Sexualität schon immer sehr wichtig gewesen. Da spielt natürlich auch wieder das Sinnliche eine große Rolle. Ich bin gerne die Verführerin und glaube – das behauptet auch mein Mann – dass ich Sexualität ausstrahle. Ich spiele gerne mit meinen Reizen.

Wie hat dein Mann denn reagiert, dass du heute „bemalt“ wirst? Er weiß, dass ich das immer schon machen wollte und hat sich natürlich für mich gefreut. So richtig gut findet er die Vorstellung zwar nicht, aber da bin ich selbstsicher genug, um zu sagen: Das ist meine Entscheidung. Er wollte zum Beispiel auch nicht, dass ich meine Haare abschneide. Wir haben zwei Jahre darüber diskutiert, bis ich gesagt habe: Verdammt, das sind meine Haare, ich lauf damit rum.

Wie beeinflusst deine Kleidung deine Gefühle und deine Stimmungen? Sehr. Ich kleide mich auch sehr unterschiedlich. Manchmal sehr sportlich und unauffällig und manchmal sehr elegant. Ich genieße es, auch mal ein Ballkleid oder hohe Schuhe zu tragen und würde gernnoch öfter elegantsein, aber das gibt mein Alltag leider nicht her.

Wie ist deine Meinung zur Modeindustrie? Ich hab ziemlich wenig Ahnung von der Modeindustrie und mich bisher auch wenig danach gerichtet. Bezüglich Trends bin ich immer antizyklisch unterwegs gewesen. Alles, was gerade in Mode war, habe ich irgendwie nicht mitgemacht. Nicht aus Prinzip, sondern weil es mir in dem Moment nicht gefallen hat. Ich bin kein Trendsetter, sondern trage, was mir Spaß macht.

Was war das Mutigste, was du in deinem Leben bisher gemacht hast? Ich bin während des Studiums mal für eine Zeit nach Kanada gegangen. Und das war für mich sehr mutig, weil ich unglaubliche Hemmungen hatte, Englisch zu sprechen. Und es war wahnsinnig schwer: Ich habe meinen Freund hiergelassen und ihn acht Monate nicht gesehen. Aber ich bin sehr froh, dass ich das gemeistert habe und rausgegangen bin mit der Einstellung: Das pack ich.

Welche Erfahrung hat dein Leben am meisten verändert? Kinder kriegen. Ich glaub nicht, dass noch irgendwas kommt, was mein Leben mehr verändert und beeinflusst als das.

Was glaubst du, wird heute die größte Herausforderung für dich sein? Ehrlich gesagt, nachher die Fotos zu machen. Weil ich das noch nie gemacht habe und gar nicht weiß, wie man sich da bewegt. Mich heute, so wie ich bin, fotografieren zu lassen, wird glaub ich das schwierigste sein.

Und diese Fragen haben wir Julia nach dem Body-Painting gestellt

Am Ende ist Julia kaum wiederzuerkennen: "Ich werde mich mein Leben lang dran erinnern."
Am Ende ist Julia kaum wiederzuerkennen: "Ich werde mich mein Leben lang dran erinnern."
© Annette Riedl

Wie würdest du rückblickend den Tag heute beschreiben? Unfassbar. Ich hätte es mir nie so vorstellen können und werde mich mein Leben lang dran erinnern.

Und jetzt nochmal im Vergleich: Wie hast du dich vorher gefühlt? Unerfahren. Gar nicht unbedingt unsicher, aber positiv gespannt, wie es wohl sein wird. Und jetzt bin ich um diese Erfahrung reicher. Jetzt weiß ich, wie es ist, stundenlang bemalt zu werden und den ganzen Tag über nackt vor fremden Leuten rumzulaufen.

Haben die Farben, die benutzt wurden, deine Stimmung beeinflusst? Irgendwie schon. Weil es teilweise auch Farben waren, die ich sonst nicht an mir sehe. Das erste Painting war beispielsweise am ungewöhnlichsten für mich. Aber die blauen Verzierungen des zweiten Paintings haben mir so gut gefallen, dass ich mich damit einfach wahnsinnig wohlgefühlt habe.

Meinst du, der Tag hat auch langfristig etwas für dich verändert? Ja, vielleicht schon. Vielleicht kann ich noch selbstsicherer durchs Leben gehen, weil ich es etwas gemacht habe, was mit Sicherheit nicht jeder macht. Ich bin gerade sehr zufrieden mit mir.

Wie war die Zusammenarbeit mit Johny Dar? Super. Er ist lustig, er ist ein bisschen crazy. Ich hab es sehr genossen, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Vorher hast du gesagt, das Fotoshooting könnte die größte Herausforderung für dich sein. Was denkst du jetzt? Es war natürlich schon eine völlig andere Art, fotografiert zu werden, als ich es normalerweise kenne. Heute sollte ich möglichst ernst gucken und eben nicht lächeln, wie es ja sonst auf Schnappschüssen der Fall ist. Und auf privaten Fotos denke ich meistens auch nicht daran, den Bauch einzuziehen (lacht).

Gab es einen Moment heute, der dir besonders in Erinnerung bleiben wird? Ich bin sehr empfindlich an der Halspartie. Und als er da gemalt hat, war das ein total sensitiver Moment.

Würdest du es nochmal machen? Auf jeden Fall.

Fotos: Annette Riedl Creative Direction: Johny Dar Produktion: Laura Drühe Haare/Make-up: Yvonne Wengler

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