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Bobbi Brown, die Make-up-Queen

Bobbi Brown, die Make-up-Queen
© Bettina Lewin
Bobbi Brown hat ein internationales Kosmetik-Imperium aufgebaut und leitet den Beauty-Channel bei Yahoo. Wir trafen die Star-Visagistin zu einem Gespräch über Familie, Selbstvertrauen und Erfolg.

Roza hat heute frei. Deshalb ruckelt der Zeitplan am Broadway No. 575 ein bisschen. Normalerweise sorgt die Maniküristin hier für wohlgefeilte und hübsch gefärbte Fingernägel bei sämtlichen Büroangestellten und ihrer Chefin Bobbi Brown, Gründerin der gleichnamigen Kosmetikmarke. Aber selbstverständlich bekommt die 57-Jährige als ausgebildete Visagistin ihre Maniküre auch selbst hin, sogar fast so schnell wie Roza. Perfekte Nägel gehören in der Branche praktisch zur Corporate Identity. Und nicht nur das: "Ich verordne meinen Leuten manchmal sogar ausdrücklich eine Behandlung - das entspannt so schön", sagt Bobbi Brown. Und wer entspannt ist, daran hat sie keinen Zweifel, arbeitet effektiver. "Wicked" heißt der schwarzrote Ton auf ihren Fingerspitzen und passt perfekt zu ihrem lässigen Chanel-Jäckchen und- Löcherjeans-Look. Brown lächelt kurz, zieht am Strohhalm ihres Lemon Waters, sinkt in die Couch - um gleich wieder aufzuspringen. "Sorry, aber wenn ich direkt neben Ihnen sitze, kann ich so schlecht in Ihre Augen schauen." Sie wechselt auf den Sessel gegenüber, klappt ihre Beine in den Schneidersitz. Die Beauty-Expertin misst gerade mal 1,52 Meter. Daher trägt sie meist auch sehr hohe Hacken, heute aber flache schwarze Boots. Ist einfach gemütlicher. "Was wollen Sie wissen?", fragt sie dann. Schließlich ist Effizienz ein wichtiges Brownsches Mantra. Rumbummeln schätzt die Selfmade-Unternehmerin so gar nicht.

BRIGITTE: Mrs. Brown, Sie haben heute früh schon um 5:00 Uhr getwittert. Ist das Ihre normale Startzeit?

: Nicht ganz. Ich hatte ein Radio-Interview in einer Morningshow, und Pharrell Williams war auch da. Der Typ, der "Happy" produziert hat, Sie kennen ihn sicher. Er bastelte mir einen Papierhut und kritzelte sein Autogramm drauf. Ich war ganz aus dem Häuschen und habe es sofort getwittert, damit sich meine Follower mit mir freuen können.

Drei Bilder gab es gestern auf der Foto-App Instagram zu sehen: Ihr Beagle am Strand, Ihr Barbecue, Ihr Mann mit Bon-Jovi-Perücke. Wie viel Zeit verbringen Sie mit Social Media?

Wenn Sie meinen Mann Steve fragten, wäre seine Antwort, dass ich ständig online bin. Aber ich würde sagen: zwei bis drei Mal am Tag. Meistens im Auto auf dem Arbeitsweg. Ich kann einfach nicht still auf der Rückbank sitzen und nichts tun. Da ist Social Media doch perfekt.

Erinnerungen: Bobbis Bürowände sind mit Fotos tapeziert
Erinnerungen: Bobbis Bürowände sind mit Fotos tapeziert
© Bettina Lewin

Und es wird garantiert jemand antworten, wenn Bobbi sendet. Zur Zeit hat sie 94800 Follower auf Twitter, 175071 bei Instagram und 1261272 auf Facebook. Sie könnte die Kommunikation auch ihrem Social-Media-Team überlassen. Aber sie macht es lieber selbst, das findet sie authentischer. Dafür wird sie von ihren Fans geschätzt. Sie teilt ihr Leben, ihre Begeisterung, ihre Inspiration und ihr immenses Schmink-Wissen. Die Verbraucherinnen belohnen das mit jährlich rund 21 Millionen gekauften Beauty-Produkten der Marke Bobbi Brown.

Apropos Social Media: Sie haben gerade einen zweiten Chefposten angetreten, Beauty-Chefin bei Yahoo. Werden Sie jetzt zur einflussreichsten Kosmetik-Frau der Welt?

Sie schmeicheln mir. Tatsächlich hat Yahoo rund 800 Millionen angemeldete User - eine Zahl, die uns echt flasht. Aber ich werde Yahoo nicht nutzen, um meine Produkte zu promoten. Es soll eine journalistische Website werden, wo sich Frauen sehr schnell informieren können, wie man Basics und Trends schminkt: "How to do"-Videos von mir und anderen Visagisten, Geschichten von einem unabhängigen Team und Interviews mit spannenden Stars. Außerdem verstehen wir uns als Kuratoren, verlinken auf spannende Beauty-Inhalte, die wir im Netz entdecken.

Der Schnell-Check auf der Beauty-Rubrik bei Yahoo ergibt: launige Frisuren-Tipps von Elvis Presleys Hairstylisten neben Aufbewahrungs-Ratschlägen für Lippenstifte, inspirierende "After-Baby"-Beauty und ein von der Chefin geführtes Interview mit Schauspielerin Kate Upton, die als Kampagnengesicht für Bobbi Brown Cosmetics modelt. Produkte der Marke findet man tatsächlich nirgends. Das Highlight der Website: Schminkvideos, zum Beispiel für einen natürlichen Teint. Rund 20 Sekunden sieht man Bobbis flinke Hände über ein Frauengesicht pinseln, klopfen und streichen, zack, fertig. Unterlegt sind die Filme mit Gute-Laune-Musik. Perfekte Beauty-Quickies.

Was wollen Sie mit Ihrem Angebot auf Yahoo-Beauty erreichen?

Ich möchte dazu beitragen, dass Frauen mehr Selbstvertrauen haben. Ich kann ihnen das Wissen dazu vermitteln, sich mit einfachen Schminktechniken wohler zu fühlen, indem sie ihre besten Seiten betonen. Ich sehe Make-up als Bereicherung. Zum Beispiel an Tagen, an denen wir müde sind, kann uns Schminke prima unterstützen. Da haben wir doch einen klaren Vorteil gegenüber Männern: Die können nichts machen, wenn sie unausgeschlafen aussehen. Wir haben Concealer und Rouge.

Hätten Sie sich Ihren Erfolg jemals vorstellen können, als Sie 1991 mit einer Lippenstiftpalette aus selbst gemischten Farben anfingen?

Niemals. Ich begann zunächst mit einem Lippenstift, der die natürliche Lippenfarbe verstärkte, so etwas gab es damals noch nicht. Als Make-up-Artistin mischte ich meinen Kunden immer individuelle Farbtöne zurecht - das kam gut an. Eines Tages mixte ich mein schönstes Rot, mein liebstes Orange und so weiter, und daraus wurde dann meine eigene Palette. Heute ist das nichts Besonderes, es sind tausende von Nuancen auf dem Markt. Damals war das neu, ich hatte einfach Glück. Und ich war hartnäckig. Die Antwort "Nein" akzeptiere ich nicht. Nie. Bis heute.

Video: Bobbi Brown im Interview mit BRIGITTE

Rolling Stone: Bobbi Brown mit Mick Jagger.
Rolling Stone: Bobbi Brown mit Mick Jagger.
© Bettina Lewin

Ihre Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Bereits vier Jahre nach dem Launch der Make-up-Linie "Bobbi Brown Essentials" wurde der Beauty-Konzern Estée Lauder auf den rasanten Erfolg aufmerksam und kaufte die Marke. Brown blieb die Kreativ-Chefin. Derzeit machen die Verkäufe von Bobbi Brown Cosmetics geschätzte 10 Prozent des gesamten Lauder-Umsatzes aus. Mit ihrer simplen Idee, dass Make-up natürlich sein sollte, revolutionierte die Visagistin den Beauty-Markt. Heute kann man ohne Übertreibung sagen, dass sie die einflussreichste Beauty-Mogulin der USA ist. Der Präsident der Vereinigten Staaten ruft: "Hey, Bobbi!", wenn sie durchs Weiße Haus läuft, um mit Michelle Obama zu lunchen. Ihr Lebenslauf liest sich wie der "American Dream" schlechthin.

Sie sagen, dass man keine Zeit mit Unzufriedenheit über sich selbst verschwenden soll. Wie schafft man das?

Ich glaube einfach, dass niemand ein Opfer ist. Man kann seine Haltung ändern. Anstatt in den Spiegel zu schauen und alles hässlich zu finden, kann man sich doch ansehen und sagen: Das bist du, und du bist schön.

Sind Sie auch so entspannt, was Ihre Figur angeht?

Sagen wir mal so: Ich muss Sport machen, sonst bin ich's nicht. Dreimal die Woche Bootcamp, das hält fit. Und ich bin verrückt nach gesundem Essen. Man ist, was man isst - Ernährung ist neben der richtigen Foundation entscheidend für einen tollen Teint. Aber hey, ich gebe es gern zu: Ich liebe Kohlenhydrate. Leider musste ich Pasta und Brot und all das leckere Zeug vom Speiseplan schmeißen.

Essen Sie wirklich nie welche?

Doch. Ich klaue meinem Mann Steve und meinen drei Söhnen immer Pommes frites vom Teller. Außerdem plane ich gerade einen Paris-Trip, und wissen Sie was: Ich werde zu jeder Mahlzeit Brot essen. Und Croissants. Wie könnte man nach Frankreich reisen und auf Croissants verzichten? Vielleicht lese ich aber vorher noch dieses eine Buch: "Warum französische Frauen nicht dick werden".

Sie bittet sofort ihre Assistentin, das Buch zu besorgen.

Wie schnell schalten Sie zu Hause von Beauty-Bossin auf Familie um?

Ich liebe es, bossy zu sein, und verstehe zum Beispiel den Aufruf von Facebook-Chefin Sheryl Sandberg überhaupt nicht, der sich gegen das Wort "bossy" richtet. Bossy sein heißt doch lediglich, auf etwas zu bestehen, von dem man überzeugt ist. Zu Hause versuche ich, nicht so zu sein. Mein Mann und meine Söhne mögen das nämlich gar nicht gern. Wir diskutieren darüber oft. Also gebe ich mir Mühe und bringe zum Beispiel den Müll selbst runter, statt darüber zu streiten - das lohnt sich einfach nicht.

Wie haben Sie das zu Beginn Ihrer Karriere hinbekommen, mit Kindern und gerade gegründeter Make-up-Marke?

Das war nicht leicht, es gab in den Neunzigern noch nicht viele Vorbilder von Frauen, die arbeiteten und Kinder hatten. Die Leute, mit denen ich damals zu tun hatte, erinnern sich heute noch an mich als die Make-up-Artistin, die um halb fünf sagte, sie gehe nach Hause. Die anderen machten oft bis nachts weiter.

Idol: Die Star-Visagistin ist ein großer Fan der Queen
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© Bettina Lewin

Wie definieren Sie Feminismus?

Ich würde sagen, es ist eine der größten Errungenschaften unserer Zeit, dass Working Moms normal geworden sind. Feminismus bedeutet, dass wir Männern gegenüber gleichberechtigt sind. Allerdings denke ich: Wir sind nicht gleich - Frauen sind einfach so viel besser als Männer. Das machen Sie sicher zur Überschrift Ihres Artikels (lacht). Aber ich meine es ernst. Schreiben Sie's ruhig. Sie forderten schon häufiger, dass wir mehr ältere Frauen als Vorbilder in der Öffentlichkeit brauchen.

Haben wir mittlerweile welche?

Ich hoffe, ich werde mit zunehmendem Alter eins. Meine Tante Alice ist 82 und die beruhigendste Person, die ich kenne. Sie sagt immer: "Du hast fünf Pfund zugenommen. Was soll's, ist okay." Erfahrene ältere Menschen im Freundeskreis zu haben ist eine Erleichterung und eine Bereicherung. Ich habe sehr viele.

Browns Bürowände bezeugen das: Bobbi und ein grinsender Mick Jagger. Bobbi mit einer verschmitzten Iris Apfel, der 92-jährigen New Yorker Stil- Ikone. Daneben hängt Queen Elizabeth, allerdings ohne Bobbi, darunter steht sie noch mal als winkendes Plastikfigürchen. Brown verehrt die Königin.

Klingt nach einer entspannten Strategie fürs Älterwerden. Würden Sie jemals botoxen oder sich unters Messer legen?

Ich habe es ausprobiert, würde es aber nicht noch mal tun. Es funktionierte bei mir nicht, ich sah unecht aus. Klar hätte ich lieber keine Falten auf der Stirn. Aber ich habe einfach beschlossen, sie zu mögen. Was nicht heißt, dass ich nicht mit Begeisterung alles ausprobiere, was der Markt an Hauterfrischung hergibt. Ansonsten haben mein Mann und ich den Deal gemacht, dass wir einander auch noch in Alt und Faltig lieben werden.

BRIGITTE 19/2014

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