Sport treiben, meditieren, gesund essen, sich informieren: Mehr und mehr gerade auch junge Menschen kümmern sich ganz bewusst um ihre Gesundheit. "Healthy is the new sexy", lautet die neue Botschaft, und das gilt ebenso für die Haut. Moden wie tiefe Bräune oder künstliche Blässe mit umschatteten Augen wie beim "Heroin-Stil" der späten 90er sind nicht mehr angesagt, da sie auf einen destruktiven Lebensstil schließen lassen. "Schönsein hat heute viel mit Typsein und einem gesunden, natürlichen Äußeren zu tun", bestätigt Betty Siegel vom Hamburger Trendbüro Sturm & Drang. Ziel ist es deshalb, auf den ersten Blick frisch und vital zu wirken, mit einer Haut, die auch pur im No-Make-up-Look toll aussieht. Schließlich ist sie unser repräsentativstes Organ und zeigt, was wir für uns tun. Mag diese Haltung in Deutschland noch relativ neu sein, in vielen Ländern Asiens ist sie selbstverständlich und etwa in der japanischen Kultur tief verankert. "Gesundheit und Schönheit gehören für uns zusammen", sagt Noriko Okubo, Beauty-Bloggerin und Beraterin im Shiseido Beauty Center in Tokio. "Selbst wenn eine Frau sich eincremt, tut sie das in Japan nicht einfach nur so. Sie würde dabei immer Akupressurpunkte massieren, damit sich die Gesichtshaut entspannt und sie so etwas für ihr Wohlbefinden tut." Kein Wunder also, dass Kosmetikfirmen seit Jahren das Immunsystem der Haut erforschen, um zu neuen Pflege-Ansätzen zu kommen.
Die wichtigsten Fragen zum Immunsystem der Haut
Während Frauen das an einer glatten und rosigen Pfirsichhaut festmachen, sind Dermatologen und Wissenschaftler bei der Beurteilung strenger. Sie achten auf Falten, Pigmentierung, Müdigkeit, Durchblutung, Straffheit, Poren und Irritationen. "Gesunde Haut", fasst Dr. Junichi Hosoi, Wissenschaftler bei Shiseido in Tokio, zusammen, "kann Umweltreize besser abwehren. Sie bleibt länger gelassen, wenn sie Stress wie Luftverschmutzung, Trockenheit, Allergenen, UV-Strahlung oder emotionaler Belastung ausgesetzt ist." Die Voraussetzung für diese Gelassenheit wiederum ist ein starkes Immunsystem.
Die Haut ist als so genanntes Grenzorgan die äußere Barriere unseres Immunsystems. Auf ihr findet der erste Kontakt mit Viren, Bakterien, Pilzen, Parasiten und Umweltreizen statt. Um sich zu schützen, verfügt sie über ein angeborenes Immunsystem und ein erworbenes, das durch neue Keime ständig dazulernt. Grundsätzlich hat die Haut mehrere Abwehr-Strategien: mechanische (extrem undurchlässige, ineinander verschachtelte Hornzellen), mikrobiologische (gute Bakterien und Pilze der Hautflora, die gefährliche Keime hemmen) und chemische (der Säureschutzmantel, der mit einem idealen pH-Wert von 5,5 Fremdsubstanzen schwächt). Neben diesen drei Funktionen greift der vierte, der immunologische Schutz, vor allem, wenn die Erreger bereits in die Haut eingedrungen sind. Dann müssen verschiedene Spezialzellen, zum Beispiel Helfer-, Gedächtnis- und Killerzellen, optimal zusammenarbeiten.
Chefs der Abwehrtruppe in der Haut sind die Langerhans-Zellen, zu deren Aufgaben es auch gehört, anderen Immunzellen mitzuteilen, wie diese sich im Notfall verhalten sollen. Gerade in den Smog-gefährdeten Großstädten der Welt haben diese kleinen Einsatzleiter alle - für die Zellform typischen verästelten - Ärmchen voll zu tun, um neben Keimen auch den Feinstaub und die Abgase abzuwehren. Dieselpartikel etwa können so irritierend auf der Haut wirken, dass sie winzige Zellschäden verursachen. Wird die Zelle sogar zerstört, tritt dabei ATP (Adenosintriphosphat) aus. Sorgte dieses Molekül in der Zelle noch für lebenswichtige Energie, wirkt es außerhalb wie ein Schwelbrand und aktiviert das Immunsystem. Denn ATP außerhalb der Zelle ist ein so genanntes "Danger Signal", eine Gefahrenmeldung, auf die unter anderem eben die Langerhans-Zellen reagieren, die dabei mehrere Optionen haben: Sie schlagen Alarm und bekämpfen den Eindringling durch Entzündungen - oder sie entschärfen das ATP. Diese Fähigkeit hat die Langerhans-Zelle dank spezieller Enzyme (CD39 und CD73) auf ihrer Oberfläche, die wie Feuerlöscher wirken und in der Lage sind, das gefährliche ATP in beruhigendes ADP (Adenosindiphosphat) umzubauen. Das heißt, dass die Haut Fremdsubstanzen tolerieren kann und nicht immer mit Entzündungen reagieren muss. "Auf diese Art hält der Körper seine Integrität in Balance", so Prof. Bernhard Homey, Direktor der Hautklinik an der Uni Düsseldorf.
Leider funktioniert ihr Immunschutz mit der Zeit schlechter: "Im Alter ist die Haut leichter reizbar", erklärt Professor Bernhard Homey von der Düsseldorfer Universitätsklinik. "Die Hautbarriere ist öfter geschädigt, die Haut öffnet sich und wird dünner, so dass mehr Fremdsubstanzen wie etwa Feinstaub eindringen können. Gleichzeitig nehmen auch die beruhigenden Enzyme ab, so dass die Feuerlöscher-Funktion geschwächt ist. Wenn die beruhigenden Systeme schlechter funktionieren, kommt es zu einer unterschwelligen chronischen Entzündung, die das Organ langfristig schädigt."
"Wir konnten nachweisen, dass im Alter und bei Stress die Enzyme CD39 und CD73 der Langerhans?Zellen weniger werden", so Junichi Hosoi aus der Shiseido-Forschung. Und auf Basis dieser Erkenntnis wurde schließlich "Ultimune" entwickelt, ein Konzentrat für jedes Alter, das man täglich unter der Creme aufträgt und das mit seinem Wirkstoffkomplex aus Ginkgo, Thymian und der asiatischen Heilpflanze Perilla die so wichtigen Feuerlösch-Enzyme positiv stimulieren soll, damit sie länger durchhalten.
Selbst wenn es mehr und mehr Möglichkeiten gibt, sie von außen zu unterstützen: Entscheidend ist ein gesunder Lebensstil. Nikotin, zu wenig Schlaf, zu viel Alkohol - all das wirkt sich negativ auf die empfindliche Fettschicht der Haut aus, schwächt ihre Leistungsfähigkeit, so dass sie sich gegen Alter und Umweltstress nicht mehr optimal wehren kann. Auch die Antibiotika- oder Pestizid-Belastung der Nahrung vermag das hauteigene Sicherheitssystem aus den Angeln zu heben, schließlich sind solche Stoffe Gift für die Hautflora mit ihren "gesunden" Bakterien und Pilzen. Ein simpler Trick ist, der Langerhans-Zelle quasi die Hand zu reichen und beim Cremen auf Streicheleinheiten und Duft zu setzen. Der Immunchef der Haut ist nämlich ein Schöngeist - und reagiert darauf wunderbar entspannt.