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Voll im Trend: Vegane Beauty-Produkte

Bienenwachs, Horn, Milcheiweiß, Gelatine? Nein, danke! Vegane Produkte sind frei von tierischen Inhaltsstoffen - und längst nicht "nur" ethisch korrekt, sondern ziemlich angesagt.
Voll im Trend: Vegane Beauty-Produkte
© Kerstin Wacker

Heute gilt als schick, was Veganer tun: tierische Produkte wie Ei, Honig oder Gelatine ablehnen - beim Essen und in der Schönheitspflege. Die Schauspielerinnen Jessica Chastain und Anne Hathaway etwa ernähren sich vegan, Joaquin Phoenix und Musiker Moby ebenfalls. "Clueless"-Star Alicia Silverstone hat sogar eine eigene vegane Kosmetiklinie bei der Marke Juice Beauty. Vegan ist der neue Hype, grüner als grün, radikaler als Öko und Bio.

Warum die Lippen mit Bienenwachs pflegen, wenn Sojawachs ebenso gut ist? Wieso auf Fasern aus tierischem Horn setzen, wenn Sojaproteine das Haar tadellos kräftigen? Und auch Algen und Apfelpektin bilden doch gute Gele für Cremes. So sehen Veganer das, und weil sich inzwischen viele Firmen (z. B. Korres, Weleda, Logona, Primavera, Alva oder Lavera) mit entsprechenden Produkten auf sie eingestellt haben, ist die Auswahl groß, wobei nicht alle veganen Schönmacher ein Siegel wie etwa die Veganblume der Vegan Society Großbritannien als Erkennungszeichen tragen.

Bunt, schick und cool wirken Trend-Marken aus den USA und England: Crazy Rumors (Sojawachs-Lippenstifte, die nach Tee, Torte oder Eiscreme schmecken), ZuZu Luxe (rote Lippenstifte mit Eisenoxid und Distelöl) oder BWC Beauty without Cruelty (Mascara mit Reiswachs). Soja, Distel, Hafer - zugegeben, Sex-Appeal hat das, was drin ist, nicht unbedingt. Deshalb duftet Hafer-Shampoo zum Beispiel nach Marzipan und Wascherde nach Lotusblüte. Dass vegane Kosmetik aber inzwischen auch in der Fashion-Szene angekommen ist, zeigen etwa die "Lip Tars" der Kultmarke OCC, "Obsessive Compulsive Cosmetics" - Mode-Designer und Make-up-Profis lieben die hochpigmentierten, intensiven Lippenfarben. Seine ersten beiden Lip Balms entwickelte OCC-Gründer, Make-up-Artist David Klasfeld, der eigentlich Film studiert hat, 2004 in seiner Küche auf der New Yorker Lower East Side. Heute gibt es die in kleine Tuben gefüllten veganen "Lip Tars", die Hanf- und Pfefferminzöl sowie Vitamin E enthalten, in über 50 Schattierungen; "Psycho True Blood Red" beispielsweise leuchtet, wenn man viel davon nimmt, über Stunden grellrot und verwischt nicht. Auch Nagellack hat OCC im Sortiment: "Electric Sheep" heißt einer der neuesten Töne und schimmert in Flieder-Metallic.

Seit Jahren boomt Naturkosmetik, allein in Deutschland stieg 2012 der Umsatz um 5,5 Prozent. Doch nun soll sie raus, die Natur, jedenfalls die vom Tier. Warum? Weil Milch Kühen gehört und Honig Bienen, sagen Veganer. Und wer Bücher wie Jonathan Safran Foers Bestseller "Tiere essen" oder "Skinny Bitch" von Rory Freedman und Kim Barnouin gelesen hat, so glauben sie, weiß, was sie wissen - und wird dagegen sein, dass Kühen übergroße Euter gezüchtet werden, die Haltung Unmengen an Treibhausgasen verursacht, das Füttern mit Getreide zum Hunger in der Welt beiträgt.

Mehr und mehr Menschen sind davon überzeugt: Nicht nur, wie wir uns ernähren, auch, wie wir uns pflegen, ist von der reinen Geschmacks- längst zur Gewissensfrage geworden. "Das Essen", sagt etwa Franziska Schmid, "ist der Türöffner. Da kann man aufhören, muss man aber nicht." Die Wahl-Berlinerin bloggt auf www.veggie-love.de und hätte sich anfangs mehr Infos über veganes Leben gewünscht - "Ich wollte wissen: Wo bekomme ich denn nun weiter gute Lippenstifte her?" Und Franziska Schmid ist nur eine von immerhin etwa 700.000 Veganern in Deutschland, meist Frauen, viele sind unter 30, jeder dritte hat studiert, also keine uninteressanten Kunden für die Kosmetik-Industrie.

Die hat reagiert. Besonders groß ist das Angebot bei veganem Nagellack: Intensae aus Heidenheim etwa lässt in New York fertigen und nennt seine Trend-Töne nach Filmfiguren "Merteuil" (Fuchsia) oder "Marnie" (Retro-Rot). Aber auch Luxuslacke von Scotch Naturals, Priti NYC und Butter London (ohne Formaldehyd, DBP und Toluol) sind vegan. Das ist zwar nicht Bio, Lack bleibt ja Lack, und auch "tierfreundlicher" besteht aus Chemie. Gut klingt es trotzdem - irgendwie gesund.

Voll im Trend: Vegane Beauty-Produkte
© Kerstin Wacker

"Vegan ist das neue Bio", sagt Jan Bredack, 41, Gründer von "Veganz", dem ersten veganen Supermarkt in Berlin, wo die meisten deutschen Veganer leben, etwa 50.000. Sehr viele für sie geeignete Cafés und Restaurants gibt es dort, selbst einen Friseur, "Veganja" - und die Kosmetikfirma i+m, benannt nach Inge Stamm und Monika Berg, die sie 1978 gründeten. Die ehemalige Hebamme und Heilpraktikerin Stamm, die früher in der Westberliner Frauenbewegung aktiv war, schlitterte dann aber trotz guter Produkte wie der Karottengesichtscreme, die heute mit Papaya-Vanille veredelt wird, in die Insolvenz. Zum Glück glaubten ihre beiden Anwälte an sie, und so leiten sie die Firma seit 2007 zu dritt. Modern ist die Verpackung, hervorragend der Inhalt, sonst ständen die Produkte kaum im Berliner Luxushotel "The Mandala".

Aber wie hat es eine Bewegung, die auf Verzicht angelegt ist, geschafft, so erstrebenswert zu werden? Vielleicht, weil es Spaß macht, zu den "Guten" zu gehören. Und wenn das auch noch gut aussieht, umso besser. Viele Produkte, etwa von REN aus England (mit wenigen Ausnahmen vegan) oder Santaverde aus Deutschland, sprechen den Wunsch nach schönem Design an. Und mit erhobenem Zeigefinger kommt die Szene auch nicht mehr daher. Sie hat gelernt: Überzeugen ist sinnvoller als Anklagen. "Viele wollen nicht missionieren, eher aufklären", sagt Christina Focke, 40, von der Albert Schweitzer Stiftung: "Es wird ja auch immer einfacher, vegan zu leben."

Wirklich? "Die meisten Lippenstifte, auch viele von Naturkosmetikfirmen, enthalten Bienenwachs oder Karmin, den roten Farbstoff, der aus Schildläusen gewonnen wird", bemängelt die 25-Jährige aus Kassel, die sich im Netz "Erbse" nennt und unter www.kosmetik-vegan.de bloggt. "Eine Ausnahme ist Alva, weil die Lippenstifte mit roter Bete gefärbt sind." Und Bloggerin Franziska Schmid aus Berlin sagt: "Als Veganer fängst du an, fast religiös Etiketten zu lesen, Kürzel zu lernen, die du dir keine fünf Minuten merken kannst." Echtes Karmin, der Farbstoff tierischer Herkunft, wird übrigens als E 120 oder CI 75470 ausgewiesen.

Man muss nicht tierverrückt sein, um darauf zu verzichten. Oder auf Guanin in Lippenstift und Nagellack. Perl-Essenz, Fischsilber oder CI 75170 wird der Farbstoff im Perlmutt-Ton genannt, der aus Fischschuppen gewonnen wird - und den Tieren eigentlich dazu dient, Fressfeinde im Wasser zu täuschen. Christian Vagedes, 39, der das Buch "Veg up - die Veganisierung der Welt" geschrieben hat, sagt: "Irgendwann begreifen wir, dass wir uns als biologische Wesen merkwürdig verhalten."

Illustration: Kerstin Wacker Text: Viola Keeve

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