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Dr. Negin Pakravesh verrät Ist Botox wieder trendy?

Dr. Negin Pakravesh verrät: Ist Botox wieder trendy?
© Leon Elias
Was hat es mit dem aktuellen Run aufs Botoxen auf sich? Ein Gespräch mit Dr. Negin Pakravesh, Ärztin für Dermatologie und Spezialistin für minimalinvasive Behandlungen.
Dr. Negin Pakravesh
Dr. Negin Pakravesh
© Leon Elias

Dr. NeginPakravesh ist Ärztin für Dermatologie im Hamburger Institut Bellari Rosenpark und auf ästhetische Behandlungen spezialisiert. Ihr Schwerpunkt sind sogenannte minimalinvasive Anti-Aging-Behandlungen, solche also, die ohne Skalpell auskommen. Besonders nachgefragt: Spritzen mit Botulinumtoxin oder Hyaluronsäure-Fillern.

Faltenbehandlungen mit Botulinumtoxin, umgangssprachlich meist Botox genannt, sind in Deutschland so populär wie nie: Laut einer aktuellen Statistik der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie lagen sie 2021 mit 33,5 Prozent auf Platz eins der beliebtesten Schönheitseingriffe – verglichen mit dem Vorjahr eine Steigerung um mehr als 37 Prozent. Mit der Hamburger Hautärztin Dr. Negin Pakravesh haben wir über die Sehnsucht nach der Spritze gesprochen, über die Risiken – und warum der Wunsch nach Veränderung bei jüngeren Patientinnen und Patienten sehr viel grundlegender ist.

Brigitte: Derzeit boomen Behandlungen beim Beauty-Doc, woran liegt das?
Dr. Negin Pakravesh: Das hat verschiedene Gründe. Bei vielen meiner Patientinnen und Patienten beobachte ich zum Beispiel eine veränderte Selbstwahrnehmung, seitdem wir unsere eigenen Gesichter ständig in Videokonferenzen sehen.

Und die am Bildschirm entdeckten Falten glätten Sie dann mithilfe von Botulinumtoxin?
Zunächst einmal schaue ich ganz genau hin. Denn manche Menschen sehen auch Dinge, die in der Realität gar nicht vorhanden sind. Auf dem Screen haben sie schließlich ein zweidimensionales und kein 3-D-Bild vor sich. Zudem können das Licht oder der Winkel ungünstig sein. Das muss man natürlich besprechen, sonst versteifen sie sich womöglich zu stark auf einzelne Falten, die sie meinen entdeckt zu haben.

Das klingt so, als würden Sie auch von Behandlungen abraten.
Natürlich. Warum sollte ich jemandem Botulinumtoxin injizieren, wenn es vielleicht reicht, den Laptop bei der nächsten Konferenz einfach mal woanders zu platzieren. Vor allem finde ich es aber wichtig, ehrlich den Menschen gegenüber zu sein, die zu mir in Behandlung kommen. Wenn ich etwas sehe, dann sage ich das auch. Aber wenn nicht, dann rate ich eher ab.

Gehen Ihre Kolleginnen und Kollegen denn so viel anders an die Sache ran?
Die Gefahr ist natürlich, das Spritzen als schnellen Nebenverdienst zu sehen. In Deutschland dürfen zwar nur Ärztinnen und Ärzte Botulinumtoxin zur Faltenbehandlung einsetzen, aber das sind eben nicht nur wir aus der minimalinvasiven ästhetischen Medizin, sondern die gesamte Schulmedizin mit Ausnahme von Zahnärztinnen und Zahnärzten.

Was Sie kritisch sehen ...
Weil den meisten schlicht die nötigen Kenntnisse fehlen. Die Gesichtsanatomie ist sehr individuell. Jedes Gesicht hat eine ganz eigene Mimik, ein eigenes Zusammenspiel von Muskeln. Und deshalb ist es so wichtig, ein Behandlungsschema zu konzipieren, das jeweils auf diese Eigenheiten abgestimmt ist. Doch die meisten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, die mit Botulinumtoxin arbeiten möchten, lernen in einem Wochenendkurs, nach starren Schemata zu spritzen. Danach gehen sie mit einem Zertifikat nach Hause. Sie können zwar behandeln, aber solange sie nicht verstanden haben, wie die individuelle Mimik funktioniert, wird das Ergebnis nie wirklich ideal sein.

Und deshalb begegnen uns so häufig starre, auffällig glatte Gesichter?
Ja genau, denn stellen Sie sich vor: Nicht einmal diese Wochenendkurse sind in Deutschland Pflicht. Ich würde mir wirklich sehr wünschen, dass es ein einheitliches Gütesiegel gäbe, das den Menschen echte Orientierung bietet.

Dr. Negin Pakravesh verrät: Ist Botox wieder trendy?
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Auch bei den unter 30-Jährigen ist das Interesse am Botoxen inzwischen immens: Laut einer aktuellen Studie ist es mit knapp 64 Prozent der häufigste Behandlungswunsch. Wie erklären Sie sich das?
Die Gründe für den Wunsch nach einer Behandlung sind stark altersabhängig. Die meisten, die zu mir kommen, sind nicht jünger als Mitte 40. Ihnen geht es vor allem darum, altersbedingten Veränderungen vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Vielleicht haben sie Fotos von sich gesehen, die an einem Tag entstanden sind, an dem sie eigentlich viel Spaß hatten – und trotzdem empfinden sie ihren Ausdruck darauf als ganz negativ. Sie möchten aber, dass ihr Inneres auch nach außen hin sichtbar ist, und dabei sind wir dann gern behilflich. Nichts an Falten ist schlimm, solange sie mir nicht einen negativen Ausdruck verleihen, der mich stört. Ganz anders ist es bei Jüngeren: Sie sind häufig mehrere Stunden am Tag auf Social-Media-Plattformen unterwegs und werden mit einer Flut digital bearbeiteter Bilder konfrontiert. Sie eifern also unerreichbaren Idealbildern nach. Ihr Wunsch nach Veränderung ist viel grundlegender als bei den älteren Patientinnen und Patienten, denn er betrifft ihre ganz persönlichen Charakteristika. Sie wollen ausgerechnet das, was sie einzigartig macht, universalisieren.

Und das beschränkt sich, anders als früher, eben nicht mehr nur auf den Kleidungsstil und die Frisur ...
Heute müssen es auch die gleiche Nase und die gleichen Brüste sein. Bei dieser zunehmenden Uniformität habe ich manchmal das Gefühl, einem Heer von Social-Media-Klonen gegenüberzutreten.

Norwegen führt in diesem Jahr als erstes Land eine Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Fotos ein, die auf Social-Media-Kanälen kommerziell genutzt werden. Ein richtiger Schritt?
Das befürworte ich sehr. Ich halte es allerdings für falsch, wenn man die Problematik allein auf Instagram & Co. abwälzt. Die eigentliche Verantwortung tragen immer noch wir Ärztinnen und Ärzte. Wenn wir die übersteigerten Vorstellungen eben nicht in die Tat umsetzen, ist es am Ende egal, wie viele gefakte Bilder in der Welt kursieren.

Sie warnen aber noch aus einem ganz anderen Grund vor dem Einsatz von Botulinumtoxin in jungen Jahren.
Richtig, das hat etwas mit der Reinheit des Botulinumtoxins zu tun. Wichtig ist, auf einen reinen, aktiven Wirkstoff zu achten, wie zum Beispiel das sogenannte IncobotulinumtoxinA von Merz Aesthetics, auch als "Bocouture" oder "Xeomin" bekannt. Es ist genau definiert und klassifiziert. Eine Immunisierungsreaktion ist deshalb unwahrscheinlich.

Was kann denn bei einer solchen Immunisierungsreaktion passieren?
Der Körper bildet Antikörper, und das Botulinumtoxin kann schlechter oder gar nicht mehr wirken. Ginge es allein um Faltenbehandlungen, wäre das verkraftbar. Aber Botulinumtoxin kommt ja ursprünglich nicht aus der Ästhetik, sondern wird viel in der Neurologie eingesetzt, beispielsweise bei Spastiken nach einem Schlaganfall, beim Schiefhals, aber auch bei Migräne, Schluckbeschwerden, Blasenfunktions- und vaginalen Störungen. Zu mir kommen aber leider immer wieder neue Patientinnen und Patienten, die nicht wissen, was für ein Botulinumtoxin-Präparat ihnen gespritzt wurde. Dabei gehört auch diese Information zu einer guten ärztlichen Beratung unbedingt dazu.

Brigitte

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