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Body Neutrality Für mehr Liebe zu meinem Schwabbelbauch reicht es nicht

Body Neutrality: Für mehr Liebe zu meinem Schwabbelbauch reicht es nicht
© Elke Meitzel / Getty Images
Die Idee von Body Positivity ist gut, findet unsere Autorin, an der Umsetzung scheitert sie allerdings kläglich. Über den Druck, Schwabbelbauch und Cellulite schön finden zu wollen, und darüber, dass Body Neutrality vielleicht auch einfach ausreicht.

Curvy statt Magermodels auf den Laufstegen, Dehnungsstreifen statt Sixpack in der Dessouswerbung und Akne statt makellos glatter Haut auf Instagram. Weg mit alten Schönheitsidealen – Durchschnitt kann sich jetzt sehen lassen. Und das ist gut und richtig und wichtig. #bodypositivity: DU.BIST.SCHÖN! Egal, wie du aussiehst, liebe dich selbst und liebe deinen perfekt unperfekten Körper. Selbstliebe überall.

Vor allem für uns Frauen ist das neue, positive Körperempfinden ein Schlüssel zu mehr Selbstakzeptanz und eine Befreiung von unrealistischen Körpervorbildern. Also feiern wir ihn in den sozialen Netzwerken, den Medien und auch überall sonst, unseren tollen, natürlichen Körper. Und plötzlich wird daraus ein Riesending, alle nicken zustimmend, und ich stehe da und denke: Joa, jetzt soll ich also meinen Speck lieben. 

Selbstliebe: Aber bitte kein Druck

Dass Diversität gut ist, steht außer Frage. Und dass ein Schönheitsideal, dem nur gefühlt 0,01 Prozent aller Frauen entspricht, ein unrealistisches ist, ist natürlich auch vollkommen klar. Darum ist es natürlich sinnvoll und gut, auf Titelseiten und in der Werbung vielfältige Körpertypen zu etablieren. Dass das gleichzeitig eine Errungenschaft der Emanzipation ist, ist allerdings fast schon ein wenig traurig, wenn man bedenkt, wie viele Jahre es immer nur die glatte, straffe, schöne, austauschbare Superfrau war, die uns vorgesetzt wurde und der ziemlich viele Frauen, manche vielleicht auch nur heimlich, zumindest was Äußerlichkeiten betrifft, nachgeeifert haben.

Das haben wir zum Glück einigermaßen überwunden und durch ein neues ersetzt: nämlich durch das Ich-liebe-mich-so-wie-ich-bin-Ideal. Und genau auf diese Einstellung zu uns selbst optimieren wir jetzt. Achtsamkeit und Selbstliebe sind die Schlagwörter unserer Zeit. Und da ist er, der neue Druck, all das was man vor ein paar Jahren noch hässlich fand, jetzt schön finden zu wollen.

Vielleicht muss ich es mir nur oft genug sagen...

Aber was ist, wenn man das nicht tut? Wenn man seine Dehnungsstreifen einfach blöd findet, gerne fünf bis einhundert Kilo weniger auf den Hüften hätte und sich wünscht, mit Ende 30 endlich mal mit den Pubertätspickeln durch zu sein? Natürlich wollen und sollen wir uns alle so mögen, wie wir sind, doch Body Positivity geht darüber hinaus. Ich muss mich jetzt lieben? Funktioniert nicht immer, egal, wie oft ich mir das einrede. Es gibt Dinge an mir, die sind toll, es gibt Stellen an meinem Körper, die ich mir besser nicht so genau ansehe, und es gibt einiges, dass mir einfach egal ist.

Der Anspruch, einem standardisierten Erscheinungsbild zu entsprechen, ist zwar weg, der die vermeintlichen Makel zu lieben, dafür da. Dann wird aus dem sehr positiven Trend eine neue Challenge, die wir uns auferlegen, ein neuer Status, den es zu erreichen gilt. Und dabei immer im Fokus: unser Körper. Ganz ehrlich, ich bin doch viel mehr als das, was man von außen sieht. Und dafür will ich geschätzt und geliebt werden, und nicht für meinen Hintern.

#bodyneutrality: Okay ist auch okay

Meinen schwabbeligen After-Baby-Body liebe ich nicht, weiß aber, dass er mir ein großes Geschenk gemacht hat. Meine Pickel sind nun mal da, trotzdem will ich sie nicht auf jedem Foto in die Kamera halten, und auch Cellulite und Co. kann man einfach mit Nichtachtung strafen, statt sie zu bejubeln.

Und genau aus diesem Grund hat sich eine weitere Bewegung formiert: Body Neutrality. Für einen neutralen Blick auf unseren Körper und überhaupt weniger Blicke auf Äußerlichkeiten. Einfach mal nicht ständig darüber reden, uns darauf reduzieren und den Körper zum Mittelpunkt unseres Daseins machen. Es reicht doch aus, wenn die Hülle, in der wir stecken, gesund ist. Muss sie denn noch mehr Wunder vollbringen? Viel wichtiger ist doch, wer wir sind. Wie viel Gutes, Witziges und Aufrichtiges in uns steckt, statt das, was an uns außen ist, ständig zu bewerten. Das schafft dann nämlich Raum für andere Dinge, mit der wir unsere Zeit viel sinnvoller verbringen. Und wer weiß, was das mit uns und unserer Einstellung macht. Vielleicht ja mehr Gutes und Positives, als es Body Positivity vermochte.

Ich bin nicht, was ich trage, sondern ziehe an, was mir passt!

Früher war es Größe 36. Ist eher unrealistisch, dass ich da nochmal reinpasse, und das ist auch vollkommen ok. Ich habe zwei Kinder bekommen und mich mit meiner neuen Größe arrangiert, fühle mich fitter als damals in 36. Überhaupt ist die Zahl vollkommen irrelevant, solange ich gesund bin. Und statt mich in Klamotten zu zwängen, die nur so einigermaßen irgendwie passen, ziehe ich jetzt genau das an, was ich gerne möchte, wofür ich mit Mitte 20 nicht das Selbstbewusstsein hatte und was ich gleichzeitig einfach bequem finde.

Vor allem BHs und Co. haben mir regelmäßig den letzten Nerv geraubt. Selten passten sie, ansehen wollte ich mich darin auch nicht, und noch seltener waren sie wenigstens bequem. Schön habe ich mich in Tanga und Co. tatsächlich auch mit knackigeren Konturen nicht gefühlt. Jetzt ist das anders. Ein Hoch auf bügellose BHs und bequeme Slips. Die gibt es jetzt nämlich in sehr schön, feminin und bequem. Wie gemacht für all unsere neutralen, perfekt unperfekten Körper, an denen wir nicht alles lieben müssen, aber wir dürfen uns trotzdem schön und okay und begehrenswert fühlen. Und vor allem dürfen sich meine Klamotten gerne meinem Körper anpassen statt umgekehrt.

Barbara

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