Anzeige

"Es muss auch reifere Frauen im Fernsehen geben" – Susann Atwell im Interview

"Es muss auch reifere Frauen im Fernsehen geben" – Susann Atwell im Interview
© Axel Kirchhof
Sie moderiert seit 25 Jahren im deutschen Fernsehen. Außerdem ist sie Model, zweifache Mutter und neuerdings Unternehmerin. Im Interview Susann Atwell, warum sie noch nie eine Diät gemacht hat, den Yoga-Hype nervig findet und sie mehr Frauen über 40 auf dem Bildschirm sehen möchte.
von Tina Epking (Interview)

Fangen wir am besten mit einer unverschämten Frage an. Du wirst dieses Jahr 50. Wie fühlt sich das an?

Susann Atwell: Das ist ganz schlimm (sie lacht laut). Ich bin ein positiver Mensch, aber 50 ist echt eine Hausnummer, das kann selbst ich mir nicht mehr schön reden. Das ist ein halbes Jahrhundert, das ist viel. Ich fand 40 schon komisch, aber damals habe ich nicht drüber nachgedacht, dass das immer so weitergeht – und irgendwann die 50 kommt. Natürlich kenne ich mich besser als vor 30 Jahren, ich bin in vielen Dingen entspannter, weil ich mehr Erfahrung habe. Aber ich habe schon ein paar Zipperlein.

Welche denn?

Ich bin schnell müde, meine Nerven sind manchmal nicht so gut. Aber vielleicht liegt das gar nicht an meinem Alter, sondern daran, dass ich einfach zu wenig Sport mache. Oder an dem Leben, dass ich die letzten zehn Jahre geführt habe. Das war ganz schön anstrengend und hat ein bisschen an mir gezerrt.

Warum?

Ich war vor einigen Jahren durch eine Fehlinvestition privatinsolvent, ich hatte noch jahrelang Schulden, meine Ehe ist damals in die Brüche gegangen. Natürlich habe ich Geld verdient, aber ich konnte nie etwas zurücklegen. Ich habe mich da aber rausgekämpft, ich bin schuldenfrei. Ich hatte Situationen, in denen ich in einer Krise gesteckt habe – das merkt man, das hat Spuren hinterlassen. Aber ich will das jetzt gar nicht so ausbreiten: Ich bin sehr zufrieden und voller Tatendrang im Moment. Ich stehe vor einem Neuanfang, weil ich mit einem sehr guten Freund, den ich seit 25 Jahren kenne, eine PR-Firma gegründet habe. Ich bin jetzt Unternehmerin, alles hat eine gute Wendung genommen. Man kann immer neu anfangen, das ist ja das Tolle am Scheitern. 

Schauspielerinnen berichten häufig, dass es schwieriger sei jenseits der 40 Jobs zu bekommen. Ist das bei Moderatorinnen auch so?

Ich kann das gar nicht so beurteilen, ich habe Glück mit meinem Job beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Allerdings reagieren die Leute insgesamt anders auf Frauen über 40. Natürlich leben wir in einer tollen Zeit: Es gibt ältere Frauen, die als Models gefeiert werden, man kann jüngere Männer haben, ohne dass jemand die Nase rümpft. Trotzdem sagen die Leute immer "die sieht ja für ihr Alter noch gut aus". Das ist ein bescheuerter Satz, auch wenn ich ihn selbst manchmal denke. Muss man das so formulieren? Wenn ich Fernsehen schaue, sehe ich viele junge Menschen – das passt zum Zeitgeist. Trotzdem muss man sich dagegen wehren, ich finde, es muss einfach erwachsene und vor allem reifere Frauen im deutschen Fernsehen geben. Schon als Vorbild für unsere Kinder.

Du selbst hast schon früh mit Moderation begonnen. War das eigentlich dein Plan?

Nein, das war totaler Zufall. Ich bin da so reingerutscht. Es war ein großes Glück, es war genau das, was ich machen wollte, was ich gut konnte und was mir Spaß gemacht hat. Ich habe die goldenen Jahre des Privatfernsehens mitbekommen. Ich habe gut verdient und auch gerne Geld ausgegeben. Allerdings vor allem für meine Wohnung und die Flüge meiner Tochter. Ich habe in München gewohnt und war dort alleinerziehend, ihr Vater lebte in Hamburg. Für mich war immer das Wichtigste, dass meine Töchter ein gutes Verhältnis zu ihren Vätern haben. Meine jüngste Tochter macht das Pendelmodell und wohnt eine Woche bei mir, eine Woche bei ihm. Das klappt hervorragend. Ich bin ja immer sieben Tage am Stück in Frankfurt, um dort für den HR zu arbeiten.

Siehst du dich eigentlich gern im Fernsehen?

Nein. Überhaupt nicht. Ich mag auch nicht viele Fotos von mir und finde Selfies schwierig. Ohne Filter wäre ich verloren (sie lacht). Natürlich zeige ich mich mal ohne Make-up, das geht auch, aber schöner finde ich mich mit.

"Es gibt Wichtigeres als mein Aussehen"

Du arbeitest seit vielen Jahren als Model. Auch für verschiedene Größen...

Als ich begonnen habe zu modeln, habe ich deutlich mehr gewogen als jetzt. Ich war ein sogenanntes Model für Mollige. Dabei hatte ich eine Konfektionsgröße 40, ich war ja nie dick – das war damals ein ganz neuer Zweig. Wenn ich zehn Kilo weniger gewogen hätte, hätte ich auch in Mailand und Paris auf den Laufstegen durchstarten können, aber ich habe keine Lust darauf gehabt. In der Agentur haben sie mir mal gesagt, mein Hüftumfang wäre zu groß, da habe ich versucht abzunehmen – hat aber damals nicht geklappt. Ich wollte einfach lieber Schokolade essen.

Aber jetzt bist du doch extrem schlank?

Ich habe nach der Geburt meiner ersten Tochter auf einmal abgenommen. Da muss irgendwas mit meinem Stoffwechsel passiert sein. Ich habe nie eine Diät gemacht. Ich mache auch praktisch keinen Sport. Ich habe nicht so richtig Spaß daran gehabt, ich habe nie erlebt, dass die Endorphine einsetzen und man das Gefühl hat, dass man fliegt. Ich fahre Rad und renne im Alltag in der Gegend rum. Früher habe ich auch viel Yoga gemacht, aber da nervt mich so ein bisschen der Hype. Alle machen Yoga und tragen die tollsten Klamotten dazu. Das finde ich grauenhaft.

Warum siehst du dann so sportlich aus?

Ich esse wirklich viel und alles, worauf ich Bock habe. Allerdings wird mir das nie abgenommen. Wenn ich in der Kantine eine Rinderroulade mit Rotkohl und Kartoffeln bestelle, geben die mir immer weniger als dem Typen vor mir, weil sie denken ich brauche nicht viel. Ich habe einfach Glück, ich nehme nicht schnell zu. Und wenn ich Stress habe, habe ich weniger Appetit, dann nehme ich wieder ab. Ich finde auch einfach, dass es Wichtigeres gibt als mein Aussehen. Es ist doch nicht entscheidend, wie viel ich wiege oder wie meine Haare aussehen.

Klar. Aber wo wir gerade bei den Haaren sind: Die trägst du schon immer kurz, oder?

Ich hatte tatsächlich einmal lange Haare. Das ist 15 Jahre her. Irgendwie dachte, ich müsste das mal ausprobieren. Tatsächlich haben vor allem Männer gesagt, dass ich mir mal die Haare wachsen lassen soll, weil das doch viel femininer sei. Ich habe das aber nur ein halbes Jahr ausgehalten, dann mussten sie wieder ab. Ich hatte schon als kleines Mädchen immer kurze Haare. Damit fühle ich mich einfach wohler.

Apropos Wohlfühlen: Was macht dich besonders froh?

Wenn ich mit den Menschen zusammen sein kann, die mir wichtig sind. Meinen Töchtern vor allem.

Und Männer?

Ich bin ja gerade wieder Single, irgendwie habe ich da bisher nicht so ein wahnsinnig glückliches Händchen gehabt. Im letzten Jahr hatte ich eine schlimme Trennung. Gerade in der Zeit habe ich gemerkt, wie wichtig meine Freunde und meine Familie sind, wie sehr sie mir helfen. Trotzdem fänd ich es schon schön einen Mann zu haben, der mich so liebt wie ich bin. Den muss man schließlich erst mal finden. Angesprochen werde ich schließlich auf der Straße nicht von Männern, die mich attraktiv finden, sondern ímmer öfter von Leuten, die sagen, dass sie früher immer nach der Schule SAM geguckt haben. Am Anfang dachte ich, dass ich jetzt echt alt werde – mittlerweile finde ich es aber nur noch lustig.

Susann Atwell wurde 1967 in Hamburg geboren. Sie hat als Model gearbeitet und Theaterwissenschaften studiert. Ihr TV-Karriere begann beim Sender Premiere, es folgten fast zehn Jahre bei ProSieben. Dort moderierte sie unterschiedliche Magazine (u.a. SAM, Cinema TV). Momentan ist sie Moderatorin der Sendung "Maintower" beim HR und hat sich gerade mit einer PR-Agentur selbstständig gemacht. Sie ist geschieden und hat zwei Töchter von zwei Männern. 

Foto: Privat 

Barbara

Neu in Aktuell

VG-Wort Pixel