Annika Reich - Männer sterben bei uns nicht
Zu den Geburtstagen der Großmutter kommen edle Geschenke an, angeblich vom getrennt lebenden Großvater, dem immer ein Gedeck aufgelegt wird, obwohl er nie kommt. Die Erzählerin und Lieblingsenkelin vermutet, dass die noble Großmama alles selbst bestellt, dass alles nur Fassade ist in diesem stolzen Anwesen, auf dem die Patriarchin über ihr Frauenvolk von drei Generationen regiert. Und doch verfällt sie der Pracht, malt Einladungen auf farbiges Papier und lebt das Leben der Kronprinzessin, die einmal die Herrschaft übernehmen wird. Als die Großmutter stirbt und die Familie sich zu einer bestürzend schlichten Trauerfeier trifft, muss die junge Frau erkennen, wie vergiftet dieses Leben ist. Annika Reich zieht einen sofort in den Bann mit ihrem rätselhaft dekadenten Märchen von Macht und Ignoranz, das ohne männliche Protagonisten auskommt. 208 S., Hanser Berlin
Irina Kilimnik - Sommer in Odessa
Männer gibt es nicht in Olgas Familie, bis auf den tyrannischen Opa, der mit seinen Töchtern und Enkelinnen in Odessa lebt. Zu seinem Geburtstag taucht ein alter Freund aus den USA auf, und Olga spürt, dass ein Geheimnis hinter diesem Mann steckt. Irina Kilimnik malt das Odessa von 2014, das sich weder von der russischen noch der ukrainischen Kultur ganz einnehmen ließ, in mal sonnendurchtränkten, mal dunkleren Farben. 288 S., Kein & Aber
Tracey Lien - All die ungesagten Dinge
Kys Bruder, absoluter Muster schüler, Hoffnung seiner vietnamesischen Einwanderer familie, ist tot. Gestorben vor vielen Zeugen in einem Lokal, doch niemand will etwas gesehen haben. Ky ermittelt auf eigene Faust und muss sich in diesem packenden Roman mit dem alltäglichen Rassismus, dem Sumpf von Drogen in ihrem Vorort von Sydney und ihrer eigenen Ahnungslosigkeit auseinandersetzen. Ü: U. Wasel/K. Timmermann, 336 S., Piper
Michel Bergmann - Mameleben
Sie hat versucht, sich mit Tabletten zu vergiften, aber als der Sohn von Hamburg nach Straßburg eilt, verlässt sie die Klinik erhobenen Hauptes im Pelzmantel. Drehbuch- und Romanautor Michel Bergmann porträtiert in "Mameleben" seine jüdische Mutter, Jahrgang 1916, der im Dritten Reich alle Chancen genommen wurden, die aber nie ihren Stolz einbüßte. Was auch nicht immer einfach für ihren einzigen Sohn war, der unglaublich berührend über sie schreibt. 256 S., 25 Euro, Diogenes
Gabriela Garcia - Von Frauen und Salz
Vom Kuba des 19. Jahrhunderts bis zu einem Abschiebelager in den USA heute: Dieses Buch fängt die Geschichten von sechs Frauen ein. Sie alle, Mädchen, Mütter, ExJunkies oder Reinigungs kräfte, eint der Satz, den Jeanette auf Kuba in einem alten Roman findet. Dort notierte ihre Vorfahrin: "Wir sind stark." Und Jeanette schreibt dazu: "Wir sind mehr, als wir glauben." Dieser Roman ist eine Wucht, aktuell und absolut fesselnd. Ü: Annette Grube, 304 S., Claassen