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Wie es ist, mit 30 zum ersten Mal Single zu sein

Frau mit Hut streckt Arme zum Himmel
© KimSongsak / Shutterstock
Mit Mitte 30 habe ich eine Familie und ein Eigenheim, dachte BRIGITTE.de-Leserin Eva Krupp. Doch es kam anders. Darüber ist sie heute ziemlich froh.

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Es hätte alles so einfach sein können

Es hätte alles so einfach sein können: Kennenlernen mit 17, Zusammenziehen mit 20, gemeinsamer Freundeskreis, parallele Studienzeit und dann mehr oder weniger gleichzeitig in den ersten Job. Es war alles so harmonisch, wir beide so kompatibel, so gleich in den Gemeinsamkeiten und so tolerant in den Unterschieden. Die große Liebe.

Doch während Familie und Freunde im Laufe der Jahre die Hochzeitsglocken immer lauter läuten hörten, wurde uns bewusst, dass wir uns zunehmend voneinander entfernten. Andere Prioritäten setzten. Ein unterschiedliches Verständnis dessen entwickelt hatten, was uns wichtig ist und wie wir uns unsere Leben vorstellen.

Leicht haben wir es uns nicht gemacht. Zwölf Jahre Beziehung wirft man schließlich nicht mal so weg. Wir haben geredet, zugehört und nach Kompromissen gesucht. Und am Ende erkannt, dass wir loslassen müssen. Und plötzlich – zum ersten Mal in meinem Leben – gab es kein Wir mehr.

Der Weg vom Wir zum Ich

Ich habe die gemeinsame Wohnung ebenso behalten wie den Großteil der Möbel und Einrichtungsgegenstände. Im Nachhinein betrachtet sicherlich die praktischste und kostengünstigste Lösung, aber nicht die klügste.

Um mich herum war immer noch Wir und ganz viel Uns, während ich mich fragte, was ich eigentlich will, wenn ich keine Kompromisse schließen und keine Rücksicht nehmen muss.

Es war immer noch „unser“ Telefon, das einen Wackelkontakt hatte und „unser“ Sofa, dessen blauer Bezug immer mehr abwetzte.

Zwar hat es nicht lange gedauert, um festzustellen, dass ich das blaue Sofa noch nie wirklich leiden konnte (ein Kompromiss, ich wollte rot, er grau, wir haben uns auf blau geeinigt). Dafür brauchte ich eine halbe Ewigkeit, bis ich mich traute, das weiße zu kaufen, das mir auf Anhieb gefallen hat, mir aber zu unpraktisch erschien. Ich legte ein Style Book an, in dem ich Zeitschriftenausschnitte von Outfits und Einrichtungen sammelte, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Kleidung ich tragen möchte und welche Wandfarbe mir gefällt, wenn kein anderer mitentscheidet.

Ich begann, rückwärts zu leben

Während ich damit zu tun hatte, aus einer Hälfte ein Ganzes zu machen, nahm in meinem Freundeskreis die Hochzeit-Eigenheim-Kinder-Phase ihren Anfang. Und während Freundinnen davon schwärmten, endlich den Mann fürs Leben gefunden zu haben, hatte ich das Gefühl, rückwärts zu leben. Die ganzen Erfahrungen, die man üblicherweise in seinen Zwanzigern sammelt – wildes Studentenleben, Liebeskummer, Single-Dasein, Affären –, hatte ich verpasst. Um mich herum waren alle bereit, sich häuslich niederzulassen. Ich hingegen dachte zum ersten Mal darüber nach, wie es wohl ist, mit einem anderen Mann zu schlafen.

Natürlich drängelte mit Anfang 30 auch meine biologische Uhr. Selbstfindung gut und schön, aber allzu lange sollte ich dafür besser nicht brauchen. Wäre nicht eher Parship angesagt, als die Zeit damit zu verbringen, Katalogbildchen auszuschneiden? Wände streichen kann man schließlich auch fürs Kinderzimmer! Es hat ein Weilchen gedauert, aber irgendwann wurde mir bewusst, dass es gar nicht meine biologische Uhr war, die tickte, sondern die der Männer, die ich kennenlernte. Die meiner Freundinnen. Die meiner Eltern, die so gerne Großeltern werden wollten.

Klug war es vielleicht nicht immer – aber notwendig

In der Phase, die anschließend folgte, habe ich ziemlich viel Gegenwind bekommen. Nicht genug, dass ich aus einer vermeintlich perfekten Partnerschaft ausgestiegen war. Ich kündigte auch meinen sicheren Job. Ich hatte einen One-Night-Stand. Ich begann, alleine zu reisen. Aus dem vernünftigen, verlässlichen Mädchen war quasi über Nacht eine Frau geworden, deren Lebensstil und Handlungen nicht mehr in die Schublade passte, in der es dreißig Jahre lang gesteckt hatte.

Und das hat nicht zuletzt mir zu schaffen gemacht.

Es ist eine Sache, sich aus einer Schublade zu befreien, aber eine ganz andere, eine neue zu finden.

Erst recht, wenn das Umfeld – meist mit den allerbesten Absichten, oft aus Hilflosigkeit, manchmal aber auch aus eigener Bequemlichkeit heraus – immer wieder versucht, einem die dröge, alte Schublade schmackhaft zu machen.

Es hat Kraft gekostet, meinen Weg zu finden. Ich wusste ja selbst nicht, was ich wollte. Da war einfach nur dieser übermächtige Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung. Dem habe ich nachgegeben. Ich habe Entscheidungen getroffen, von denen mir abgeraten wurde. Ich war unvernünftig. Vor allem aber habe ich mir zugestanden, Fehler zu machen. Auch in Bezug auf Männer.

Ich bin allein, aber nicht einsam

Inzwischen bin ich 37 und – nach zwei Kurzzeitbeziehungen – weiterhin Single. Die meisten der verpassten Erfahrungen habe ich nachgeholt. Ich weiß jetzt auch, wen ich darum bitten würde, mir eine Suppe vorbeizubringen, wenn ich krank im Bette liege. Welche Art von Unterwäsche ich tragen will, wenn sie keiner sieht. Dass ich nicht für Beziehungen tauge, bei denen ich den Menschen zwar liebe, aber nicht verliebt bin.

Ob ich mir wieder einen Mann an meiner Seite wünsche? Ja. Sehr. Aber nicht um jeden Preis. Weil ich weiß, wer ich bin, was mir wichtig ist und wie ich leben möchte. Weil ich weiß, welche Kompromisse ich zu schließen bereit bin und welche nicht. Und weil ich den Mann noch nicht getroffen habe, für den ich wieder bereit wäre, ein blaues Sofa zu kaufen.

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