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Tabu Depression: Über den Tod meiner Freundin

Tabu Depression: Über den Tod meiner Freundin
© KieferPix / shutterstock
Eine ihrer besten Freundinnen nahm sich das Leben. Anja Saskia Beyer fragt sich: Wie hätte sie gerettet werden können?

Die Scham erschwert die Behandlung

"Sag aber bitte niemandem, dass ich depressiv bin, es ist mir so peinlich." Vielleicht kennt ihr diesen Satz?

Was aber ist so peinlich daran, an einer Depression zu erkranken? Es ist eine Krankheit wie Krebs oder Multiple Sklerose auch. Jeder kann sie bekommen, egal in welchem Alter, das ist wissenschaftlich erwiesen. Die Krankheit sollte nicht geheim gehalten werden, denn dann kann besser geholfen werden. Und auch für die Freunde und Angehörigen der Betroffenen ist es so leichter.

Aber die Erkrankten fühlen sich oft als Versager und versuchen deshalb, ihre Probleme zu vertuschen. Vor allem bei der Arbeit darf es keiner wissen, denn die Angst, den Job zu verlieren, ist riesig.

Was für ein Druck das sein muss, so ein Doppelleben zu führen, jeden Gang zum Psychologen verheimlichen zu müssen, seine Freunde und Kollegen anzulügen, seine Familie oft auch.

Hinzu kommt, dass das private Umfeld sich mit der Krankheit, mit diesem unfassbaren seelischen Leid, oft einfach zu wenig auskennt und überfordert ist: "Jeder ist mal schlecht drauf, sie soll sich zusammenreißen, ihr geht’s doch eigentlich gut", denkt so mancher.

Ich durfte mit niemandem über ihre Depressionen sprechen

Anja Saskia Beyer schreibt seit 1996 fürs Fernsehen, z.B. für "Die Lindenstraße" oder "Verliebt in Berlin". Die Autorin lebt mit Mann und zwei Kindern in Berlin.
Anja Saskia Beyer schreibt seit 1996 fürs Fernsehen, z.B. für "Die Lindenstraße" oder "Verliebt in Berlin". Die Autorin lebt mit Mann und zwei Kindern in Berlin.
© privat

Auch ich durfte mit niemandem außer mit meinem Mann darüber reden und ich habe versprochen, auch meinen anderen Freundinnen nichts zu erzählen. Als ich von einer Freundin gefragt wurde: "Wie geht es eigentlich Betsy (Name geändert), die habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen?", habe ich bemüht gelächelt und geantwortet: "Gut." Wohl wissend, dass es ihr hundeelend ging.

Auch ich musste plötzlich ein Doppelleben führen. Ich hatte immer weniger Zeit für andere Freunde, musste oft schwindeln. Aber vor allem belastete es mich, meine Freundin so sehr leiden zu sehen. Diese Hilflosigkeit, irgendwann nicht mehr tun zu können, außer ihr all meine Liebe zu schenken, hat auch mich schließlich krank gemacht. Ich habe so sehr mitgelitten, dass ich eine Gastritis bekommen habe. Das Ganze lag mir schwer im Magen.

Hätte ich darüber reden dürfen, würde sie heute vielleicht noch leben, denke ich manchmal. Vielleicht. Vielleicht hätte eine andere Freundin den geeigneteren Arzt in der Stadt, die passendere Behandlungsmethode gewusst. Denn die Erkrankung ist behandelbar.

An Suizid hätte ich nie gedacht

Man glaubt es von seiner früher so lebenslustigen Freundin einfach nicht, dass sie es tun würde. Nicht das. Man ahnt es nicht.

Und dann: Schock, Wut, Verzweiflung, Trauer, Tränen, Selbstvorwürfe, dann wieder Wut, Trauer, Verzweiflung. Es traf mich mitten ins Herz. Das darf man seinen Liebsten nicht antun.

Dass man es als Freundin oder Angehöriger nicht verhindern kann, dass der Erkrankte selbst für sich verantwortlich ist und selber bereit dazu sein muss, Hilfe von Fachleuten anzunehmen, habe ich erst später erfahren.

Ich habe sie so vermisst!

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Ich versuchte, mich in die Arbeit zu stürzen - so wie andere Trauernde nach einem schweren Verlust auch. Ich bin Autorin (Drehbuch- und Romanautorin) und hatte gerade angefangen, einen humorvollen Frauenroman zu schreiben. Das ging jetzt nicht mehr. Aber nicht arbeiten, nicht schreiben ja auch nicht. Und dann war da dieses Gefühl, etwas machen zu müssen, ihren frühen Tod nicht einfach so hinnehmen zu können. Aufklären zu müssen über diese Erkrankung, selbst wenn es nur ein einziges anderes Leben rettet. Nur eines, vielleicht das eurer Freundin, das wäre doch wunderbar.

Ich habe dann einen Freundinnen- und Liebesroman geschrieben, den lebensbejahenden, mutmachenden Roman "Liebes Herz". Die Figuren und die Geschichte sind fiktiv. Der Roman soll wie eine wohltuende Umarmung sein, tiefgründig und tröstlich. Er soll zeigen, wie man als Zurückgelassene wieder einen Weg finden kann, zu leben, zu lieben und zu lachen.

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