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Bestseller-Autorin Steffi von Wolff findet: "Netflix ist böse!"

Steffi von Wolff
Bestseller-Autorin Steffi von Wolff scheibt jede Woche eine Kolumne bei BRIGITTE.de.
© privat
Für Steffi von Wolff ist Netflix alles, was begehrenswert ist: warm und weich und glückbringend wie eine Droge.

Netflix, du bist böse. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich gehöre zu den über 90 Millionen Abonnenten, die sich das Böse reinziehen. Ja, Amazon Prime und die Aufnahmefunktion von Home Entertainment sind auch böse, aber du, mein Netflix, setzt dem Bösen die Krone auf.

Mein Sport: Serien-Marathon

Netflix ist meine legale Droge, von der ich immer mehr will und für nur zehn Euro im Monat auch bekomme, denn sehr oft erhalte ich Nachrichten von ihr: „Wir haben eine Serie zugefügt, die dir gefallen könnte.“ Das ist wie Nuss-Schokolade in endlos. Ich kann essen und essen, und sie wächst, anstatt weniger zu werden! Herrlich! Und mit ihr mache ich Sport, ja, Netflix, mit dir laufe ich einen Serien-Marathon! Schafft auch nicht jeder.

Ich bin 51 und gehöre noch zu der Generation, die in einer Familie mit Schwarzweißfernseher ohne Fernbedienung und drei Programmen aufgewachsen ist. Es gab einen Sendeschluss, das Testbild, und meine Blase war super trainiert, denn während Klaus Kinski in den Edgar-Wallace-Filmen böse schaute oder man „Am laufenden Band“ mitraten konnte, ist niemand aufs Klo gegangen, und Videorekorder gab es nicht.

Früher mussten wir eine Woche auf die nächste Folge warten - entsetzlich!

Dann diese entsetzliche Tatsache, dass man früher eine Woche bis zur nächsten Folge „Dallas“ oder „Denver Clan“ warten musste. Wie haben wir das ausgehalten? Wie konnten wir uns mit lächerlichen 45 Minuten zufriedengeben, um dann wieder bis zum nächsten Mittwoch auszuharren, um pünktlich um neun Uhr abends vor der Kiste zu sitzen? Ich weiß es nicht.

Man ist ja geneigt, die Vergangenheit zu glorifizieren und mit Sätzen schönzureden, die da lauten: „Früher war alles besser, da sind wir noch viel an der frischen Luft gewesen“, „Als ich jung war, durften wir höchstens eine Stunde pro Woche fernsehen“, oder „Wir hatten gar keinen Fernseher und haben stattdessen gespielt, und hat es uns geschadet, dass wir keinen hatten?“

Ich finde die Gegenwart besser und finde Sätze wie „Wir hatten keinen Fernseher“ auch irgendwie beängstigend. Das waren immer die in der Schule, die nie mitreden konnten, dafür aber immer Einsen schrieben. Ich hatte wenige Einsen, dafür viel Fernseherfahrung. Auch heute noch.

Steffi von Wolff
Autorin Steffi von Wolff
© Steffi von Wolff

Schönes Wetter ziehe ich mit Vorhängen einfach weg

Schönes Wetter ziehe ich mit geschlossenen Vorhängen einfach weg, so wie letztens an einem sonnigen, herrlichen Wintersonntagmorgen um neun Uhr, als mein Mann ein paar Tage weg war und ich auch ohne frische Luft, aber mit Netflix überlebt habe, indem ich alle Folgen der ersten Staffel von „Outlander“ schaute.

Eingemümmelt war ich in eine Fleecedecke, neben mir stand mein Frühstückstablett, und während ich einen Milchkaffee zu mir nahm, wurde die schöne Claire Randall, die nach dem Zweiten Weltkrieg endlich auf Hochzeitsreise nach Schottland fahren konnte und zu einem Steinkreis gegangen ist, von magischen Kräften durch diesen Stein hindurch ins Jahr 1743 gezogen. Und dann beginnt eine Geschichte, die schöner nicht sein kann, denn gerade findet eine Schlacht statt, der rothaarige Schotte Jamie taucht auf und der böse Black Jack Randall und … so weiter. Meine Speisekarte bestand aus Ei, einer Laugenbrezel, Aufschnitt, Orangensaft und Honig, alles gewürzt mit Netflix. Ich weine gleich, weil die Erinnerung an diese Stunden mich emotional straucheln lassen.

Nie wieder aufstehen!

Dann dieses wunderbare Gefühl, wenn eine Folge vorbei ist und ich nicht aufstehen muss, um eine neue DVD (macht das überhaupt noch jemand?) einzulegen, sondern immer und immer wieder der Hinweis kommt „… die nächste Folge beginnt in 5,4, 3, 2, 1 Sekunden …“ und dann geht’s weiter. Und wenn ich was anderes will, eben damit. Es gibt ja SO VIEL!

Ach Netflix, du bist so weich und warm wie ein perfekt für meinen Rücken und meine Schlafgewohnheiten hergestelltes Boxspringbett. Und mein Schlaf ist wirklich besser geworden, weil ich zufriedener ins Bett gehe, wenn in „Call the Midwife“ eine fürsorgliche Hebamme einer Geburtszange den Schrecken genommen und ein neuer Erdenbürger krähend verkündet, dass er es geschafft hat.

Ob ich denn nicht Angst davor hätte, dass ich mich auf dem Sofa mal wundliege, hat eine Freundin mich gefragt. Nein, natürlich nicht. Ich kann ja kurz Pause drücken und mich umdrehen. Und vielleicht wird demnächst ja sogar eine Arztserie hinzugefügt, in 5, 4, 3, 2, 1 Sekunden weiß ich dann, was ich auf die Wunde draufschmieren soll. So einfach ist das. Dank Netflix geht das dann ruckzuck!

Steffi von Wolff: "Später hat längst begonnen"
© PR

Die Autorin: Steffi von Wolff war lange Jahre beim Radio, bevor sie 2003 ihren ersten Roman herausbrachte. Ihr neuestes Werk heißt "Später hat längst begonnen"; darin geht es um zwei Frauen, die es zusammen nochmal richtig krachen lassen, bevor das Unabänderliche passiert.

Steffi von Wolff selbst lässt es mittlerweile fast nur noch beim Schreiben krachen. Sie ist am liebsten daheim und macht es sich gemütlich mit Rotwein, einem leckeren Essen - und einer schönen Serie!

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