Anzeige

Stammzellenspende "Ich habe für meinen Vater gespendet"

Stammzellenspende: Lisa hat Stammzellen für ihren Vater gespendet
© privat
Der Vater von BRIGITTE.de-Leserin Lisa Bach (40) erkrankte an Leukämie. Dann erfuhr sie, dass sie die passende Stammzellenspenderin ist.

Im Juni letzten Jahres, als sich die erste Welle der Pandemie gerade gelegt hatte, traf meine Familie ein schwerer Schicksalsschlag. Bei meinem Vater wurde eine akute Leukämie diagnostiziert. Schon eine Woche später begann die Behandlung im Krankenhaus. Er war bemerkenswert tapfer, ließ die Chemos und alles, was folgte, ruhig und gelassen über sich ergehen. Lange Zeit waren seine Werte instabil, so dass er erst zwei Monate später wieder nach Hause durfte.

Um von dem Krebs geheilt zu werden, benötigte er eine Stammzellentransplantation. Zu diesem Zeitpunkt stand ein geeigneter Spender in Aussicht, doch die finalen Untersuchungen ergaben, dass dessen Merkmale doch nicht ausreichend übereinstimmten. Auch sonst wurde niemand in der weltweiten Kartei gefunden.

An meinem Geburtstag erfuhr ich, dass ich die passende Spenderin war

Nun wurde innerhalb der Familie gesucht. Vor allem bei meiner Schwester und mir standen die Chancen schlecht, aber wir wollten alles versuchen. Nach wochenlangem Warten bekam ich Ende Oktober, genau an meinem Geburtstag, den Anruf vom Onkologen meines Vaters: Ich war die passende Spenderin!

In mir machte sich eine Mischung aus Freude und Angst breit. Wie schön es war, endlich jemanden gefunden zu haben! Aber warum musste das genau ich sein – ich hatte so große Angst davor. Krankenhäuser, Chemos, Krebs – das alles war mein absoluter Albtraum. Trotz meiner Angst stand natürlich nie zur Debatte, es nicht zu tun.

Ein paar Tage später erhielten wir die Termine. Mitte November war meine große Voruntersuchung geplant und am 8. Dezember sollte ich spenden. Das war der Geburtstag meines Vaters. Ich dachte: Das kann doch nur Schicksal sein.

Meinem Vater ging es immer schlechter

Bei der Voruntersuchung wurde ich eingehend aufgeklärt. Bei mir sollte eine periphere Blutstammzellspende durchgeführt werden. Dabei werden die Stammzellen mit einem speziellen Gerät aus dem Blut gefiltert. Vier Tage zuvor spritzt man sich ein Medikament, das die Stammzellen vermehrt und mobilisiert, so dass sie vom Knochenmark ins Blut übergehen.

Ab diesem Tag isolierte ich mich mit meinem Sohn, da eine Corona-Infektion fatal gewesen wäre und die zweite Welle gerade in vollem Gange war. Nebenbei ging es meinem Vater immer schlechter. Der Krebs kehrte zurück. Zwei Wochen vor der Transplantation begannen die Vorbereitungen. Er bekam eine starke Chemo, die sein Immunsystem auf Null setzte.

Bei der Prozedur schaute ich "Interview mit einem Vampir"

Ich selbst bereitete mich auf das Spritzen vor. Mich selbst zu spritzen war aufregend, aber nicht schlimm. In den nächsten Tagen erwischten mich die angekündigten grippeähnlichen Nebenwirkungen mit voller Wucht, die aber gut auszuhalten waren. Am 8. Dezember setzte ich mir um 6 Uhr die letzte Spritze und wurde anschließend von meinem Bruder in die Klinik gefahren. Dort empfingen mich die Mitarbeiterinnen sehr herzlich und ich fühlte mich auf Anhieb wohl, auch wenn ich unglaublich aufgeregt war.

Ich hatte befürchtet, dass es an dem Apherese-Gerät, das die Zellen aus dem Blut filtert, sehr ungemütlich werden würde, doch es war erstaunlich angenehm. Nach etwa einer Stunde kam das Ergebnis der Blutabnahme. Ich hatte genügend Stammzellen gebildet, doch da ich sehr dünn bin und mein Vater ein gestandener Mann ist, wurde für die Spende das Maximum von fünf Stunden berechnet, inklusive nochmal nachspritzen, damit es auf jeden Fall reicht.

Wirklich entspannen konnte ich in der Zeit nicht, weil mir zu viel durch den Kopf ging. Die Ärztinnen machten mir immer wieder Mut, beantworteten meine Fragen, gaben mir zu trinken und fütterten mich mit Keksen. Ich wurde liebevoll umsorgt. Nebenbei schaute ich mir "Interview mit einem Vampir" an. Der blutsaugende Brad Pitt passte bestens zu meiner Situation. Als am Ende alles geklappt hatte und der Beutel mit den kostbaren Stammzellen voll war, war ich erschöpft, aber sehr froh. Nach gut einer Stunde Erholungszeit hatte ich ein Abschlussgespräch und erfuhr, dass die Stammzellen für meinen Vater reichen würden. Was für eine Erleichterung!

Mein Bruder und mein Sohn holten mich ab. Auf der Rückfahrt erzählte mir mein Bruder, dass mein Vater am Tag zuvor eine Lungenentzündung und eine Sepsis erlitten hatte, wiederbelebt werden musste und nun im künstlichen Koma lag. Ich wollte es nicht glauben. Das Leben war manchmal wirklich ungerecht.

Am nächsten Tag erhielt mein Vater dennoch die Stammzellentransplantation. An seinem Zustand änderte sich vorerst nichts. Wochenlang hing sein Leben am seidenen Faden, bis er Anfang des Jahres langsam wieder das Bewusstsein erlangte und es endlich in kleinen Schritten aufwärts ging.

Egal, wie es ausgeht – meine Stammzellenspende war die richtige Entscheidung

Meine mentale Stütze für die Spende war immer der Gedanke gewesen, dass ich eine Lebensretterin sein würde. Diese Aussicht gab mir Kraft. Unter den gegebenen Umständen konnte es sich aber nicht einstellen. Auch der Gedanke: "Habe ich das alles umsonst gemacht?" kam immer wieder auf.

Doch irgendwann konnte ich mir die Frage beantworten: Nein, es war nicht umsonst gewesen. Egal wie es ausgeht, ich habe meinem Vater mit der Spende Hoffnung geschenkt. Was wäre gewesen, wenn ich nicht gepasst oder gespendet hätte? Dann wäre sein Leben vorbei gewesen, ohne eine Chance auf Heilung. Diese Aussicht wäre schmerzhaft deprimierend gewesen. So war sie hoffnungsvoll. Wir hatten immerhin alles versucht. Und das war auf jeden Fall besser als auf den sicheren Tod zu warten.

Mein Vater war über ein halbes Jahr lang auf der Intensivstation. Nach drei Tagen Reha musste er zurück ins Krankenhaus, da es erneut Probleme gab. Diese ständigen Rückschritte zehren sehr und sein Weg wird gewiss noch steinig sein. Aber es ist ein Weg. Ich bin froh, dass ich gespendet habe. Es war eine wertvolle Erfahrung, bei der ich mich meinen Ängsten stellen konnte und dazu beitragen durfte, ein Leben zu retten.

Die Autorin: Lisa Bach lebt mit ihrem Sohn nördlich von München. Sie arbeitete viele Jahre in der Touristikbranche, war Flugbegleiterin und studierte "International Business Communication". Derzeit schreibt sie ihren ersten Roman.

Info: Du möchtest dich als Stammzellenspender:in registrieren lassen? Das geht bei der gemeinnützigen Organisation DKMS!

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel