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"Mein Leben zwischen Angst und Verantwortung"

Soldatenfrau hält Hand ihres Mannes
© Africa Studio / Shutterstock
Seit sie eine Soldatenfrau ist, ist Carmen Thiels Leben in Aufruhr - sie muss ständig umziehen und sich mit Vorurteilen herumschlagen. Am schlimmsten, sagt sie in der Leserkolumne "Stimmen", sei aber die Angst. Davor, dass es morgen vielleicht schon heißt: Abrücken Richtung Afghanistan, Mali, Kosovo.

Schauen Sie Nachrichten? Haben Sie sich bereits ein Urteil über unsere neue Verteidigungsministerin gebildet, über die Abschaffung der Wehrpflicht und über die, die trotzdem freiwillig zur Bundeswehr gehen? Finden Sie Krieg auch "doof"? Denken Sie bei Soldaten an geldgeile, kleine Kinder, die mal ein bisschen Krieg spielen wollen, und sowieso könnte der ganze Quatsch doch abgeschafft werden, wo es doch nur Massen an Geldern verschlingt, die an anderer Stelle angebrachter wären! Und Friedensmission - dass ich nicht lache!

Denken Sie auch schwarz-weiß?

Leider kann ich mir ganz gut vorstellen, wie solche Meinungen zustande kommen. Nämlich durch einseitige Betrachtung und Unwissenheit oder weil es alle anderen auch so sehen. Ich denke, für viele ist es die einfachste Variante, sich nicht mit diesem unliebsamen Thema auseinandersetzen zu müssen. Das soll kein Urteil oder eine Beleidigung sein. Dieses Thema ist auch für mich nicht einfach. Ich möchte lediglich darauf aufmerksam machen, dass es wie so oft noch eine andere Seite der Medaille gibt. Und die ist nicht so schön einfach und bequem. Wissen Sie, ich fand Krieg auch schon immer blöd, und es wäre doch so traumhaft schön, könnten wir alle in Frieden zusammenleben. Die Realität sieht aber leider ganz anders aus, und ich wurde gezwungen, diesen einfachen Pfad zu verlassen.

Was ist passiert? Ich habe einen Soldaten geheiratet und ein wundervolles Kind obendrauf bekommen. Wir sind jetzt eine Familie und eine andere Sicht der Dinge hat sich zwangsläufig mit dieser Veränderung eingestellt. Diese neue Sicht betrifft mein ganzes, kleines Universum. Wenn mein Mann durch die Bundesrepublik zieht, dann ziehen wir als Familie mit - und freuen uns darüber. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass diese Möglichkeit besteht. Genauso gut könnte der neue "Wohnort" heißen: Afghanistan, Kosovo oder Mali. Selbst wenn ich die Worte schreibe, zucke ich zusammen. Nachrichten schaue ich schon gar nicht mehr. Die Unruhen in der Welt machen meine kleine Welt ebenfalls unruhig und jagen einen Schauer nach dem anderen über meinen Rücken. Begleitet von einer lähmenden Angst, da das alles unwirklich nah scheint. Jedesmal wenn ich an eine Versetzung denke, spüre ich die Schweißperlen auf meiner Stirn und hoffe, dass es noch lange nicht so weit ist. Selbst wenn wir nur zwei Wochen getrennt sind und unsere Tochter nach ihrem Papi fragt, schießen mir die Tränen in die Augen. Im gleichen Moment frage ich mich, wie ich ihr eine längere Abwesenheit erklären sollte.

Zwei Herzen schlagen in meiner Brust. Das eine ist objektiv und respektiert die Entscheidung meines Mannes, unserem Land zu dienen. Dasselbe weiß auch, dass die Welt ein Ort voller Hass und Kampf ist. Dass unser Land trotz dieser Situation noch relativ sicher ist, sollte uns freuen. Es gibt Menschen, die täglich ihr Leben für die Gemeinschaft riskieren. Das sind Feuerwehrleute, Polizisten und eben auch Soldaten. Was wäre, wenn diese kleine Auswahl an Helden nicht da wäre? Trauen Sie sich, dieses Gedankenspiel fortzuführen und gleichzeitig von überbezahlten Beamten oder gar Mördern zu sprechen? Ich nicht. Ehrlich gesagt schäme ich mich zutiefst bei dem Gedanken und kann diesen Menschen nur meinen Respekt für ihr Tun aussprechen. Das ist die eine Seite. Das andere Herz in meiner Brust macht mir klar, dass ich hier über meinen Mann spreche, und es ist dabei alles andere als objektiv. Diese Seite verflucht das ganze System und will unbedingt die Zeit zurückdrehen und diese folgenschwere Entscheidung ungeschehen machen. Die Angst einfach lächerlich machen.

Klar kann einem auch zu Hause etwas passieren. Aber bei der Berufswahl des Soldaten hat es den Anschein, man fordere sein Schicksal heraus und die Wahrscheinlichkeit, zu verunglücken, sei ungleich höher. Dabei ist es gar nicht die Angst, er würde nicht wiederkommen. Es ist eher die Ungewissheit davor, "wie" er zurückkommt. Was mich rettet, ist mich mit dem Thema Krieg und Bundeswehr auseinanderzusetzen, um meinen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Außerdem Abstand zu halten von dieser Angst und mir klar zu machen, dass das Leben unberechenbar ist - egal, welche Risiken man für sich wählt. Genau deshalb zählt nur der Augenblick und das, was ich damit mache. Und das jeden Tag aufs Neue.

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