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Social Freezing: "Warum ich meine Eizellen einfrieren ließ"

Social Freezing: "Warum ich meine Eizellen einfrieren ließ"
© Crisco/Corbis
Leserin Elisa Gelewski (45) will ihren Kinderwunsch nicht aufgeben - und ließ drei ihrer Eizellen einfrieren. Hier erzählt sie, was sie zum Social Freezing bewegt hat.

Ich wollte mich nicht mit der Menopause abfinden

Alles begann vor ungefähr sieben Jahren. Ich hörte „Deutschlandfunk“ und konnte kaum glauben, was da gesagt wurde. Untersuchungen an weiblichen Skeletten aus Mesopotamien hatten wissenschaftlich belegt, dass es in der vormonotheistischen Epoche keine Menopause bei Frauen gegeben hatte. Ich war sprachlos! Allerdings hatte ich schon immer geahnt, dass da irgendwas im Busch war mit dem Klimakterium.

Mein ganzes Leben lang hatte ich mich dagegen gewehrt, dass Männer immer zeugungsfähig sein und wir Frauen eine Altersgrenze haben sollten. Und egal, mit wem ich darüber diskutierte, jeder gab seinen Senf dazu. Allein die Menopause infrage zu stellen, glich einem Hochverrat. Frau hatte sich einfach damit abzufinden, basta! Tat ich aber nicht und forschte weiter.

Tatsächlich gibt es kein einziges weibliches Säugetier, das in die Wechseljahre kommt. Selbst bei den uns genetisch ähnlichen Schimpansen und Gorillas bekommen die Weibchen bis ins hohe Alter hinein ihren Nachwuchs. Was war passiert, dass zwischen Mann und Frau so eine Diskrepanz in der Fortpflanzung herrscht?

Social Freezing? Ich war begeistert!

Kurze Zeit danach begegnete mir in einer Fachzeitschrift der Begriff „Social Freezing“. Da stand, dass man sich seine Eizellen entnehmen und auf unbefristete Zeit auf Eis legen lassen kann. Ich war begeistert von dieser Idee!

Es war wie ein Mix aus Science Fiction und Realität, und es schien mir eine geniale Lösung zur Gleichberechtigung von Frau und Mann zu sein. Plötzlich könnte die Frau bis ins hohe Alter schwanger werden und Kinder bekommen, altersunabhängig wie die Männer. Einfach genial! Mein Gerechtigkeitssinn war zutiefst befriedigt. Mit dieser Methode würde sich alles schlagartig ändern.

Ich fühlte in mir eine nicht gekannte Freiheit, und ich war mir das erste Mal darüber bewusst, wie sehr ich mich bei diesem Thema unterdrückt gefühlt hatte.

Ich bin sicher: Das ist die Zukunft

In meinem Freundeskreis fanden alle die Idee des Social Freezing total blöd. Das sei doch nicht natürlich, und ich solle doch bitte lieber sowas wie Lebensvertrauen entwickeln. Ich hörte sogar, dass es doch besser wäre, sich mit der Kinderlosigkeit abzufinden. Immerhin hätte ich ja 20 Jahre Zeit gehabt. Und wenn man es dann nicht geschafft hätte, hätte man eben Pech gehabt.

So ein Quatsch, sagte ich, das ist die Zukunft, ihr werdet schon sehen.

Meine Frauenärztin meinte auch zu mir, in zehn Jahren würden das fast alle Frauen machen. Vor fünf Jahren gab es auf Zypern zwei Fertilitätskliniken, heute sind es an die 30.

Wir werden immer älter, in Deutschland momentan durchschnittlich 86 Jahre alt. Also, was soll man tun in den Jahren ab 50? Häkelkurse belegen, sich seinen Wehwehchen widmen?

Ich fing an, mich verschärft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich hatte keinen Partner, wollte aber auch keine künstliche Befruchtung mit einer Samenspende.

Angeblich war ich fast unfruchtbar

Ein Freund von mir gab dann den ausschlaggebenden Impuls. Er hatte sich bei einer Partnerbörse angemeldet und bekam zahllose Nachrichten von Frauen, die verzweifelt einen Mann mit Kinderwunsch suchten.

Spätestens nach dieser Geschichte wollte ich das Thema endlich selbst in die Hand nehmen. Ich wollte selber entscheiden und unabhängig werden von der Gunst des Mannes - ob er gnädigerweise „Ja“ sagen wird und dann auch noch rechtzeitig für mich. Und vor allem wollte ich keine Panikattacken mehr aufgrund der angeblich tickenden Uhr!

Als Erstes besuchte ich in Berlin verschiedene Kliniken, um mich untersuchen zu lassen. Da bekam ich meinen ersten Schock! Es gab da plötzlich ein Hormon, das sich Anti-Müller nannte und angeblich die Anzahl der verbleibenden Eizellen anzeigen konnte. Mein Wert war sehr niedrig und mir wurde unmissverständlich erklärt, dass das mit meinem Kinderwunsch wohl nichts mehr werden würde, und schon gar nicht das Einfrieren von mehreren Eizellen. Ich war am Boden zerstört und wusste erst einmal nicht mehr weiter.

Später erfuhr ich durch Recherchen, dass dieses Anti-Müller-Hormon stark schwankt und keinerlei stabile Aussage hergibt. Ich sprach mit mehreren Frauen, die alle angeblich einen niedrigen, bis fast gar keinen Wert mehr im Blut diagnostiziert bekamen, und trotzdem schwanger wurden und ein gesundes Kind zur Welt brachten.

Eizellen aus St. Petersburg? Nein, danke!

Dann bin ich in verschiedene Fertilitätscenter in ganz Deutschland gegangen und bekam überall die gleiche vernichtende Ansage, allerdings noch mit dem zusätzlichen Hinweis, dass es doch das Beste wäre, mir eine fremde, junge Eizelle einsetzen zu lassen. Dann würde ich mir das ganze Prozedere und sämtliche Enttäuschung sparen und wäre sofort schwanger. Die Eizellen würde es günstig und frisch in St. Petersburg zu kaufen geben.

Ich war wirklich entsetzt, mit welcher Brutalität man Frauen, die nach wie vor einen normalen Zyklus haben, ihre Fruchtbarkeit absprechen will. Wie sich herausstellte, ist die Medizin gar nicht daran interessiert, Frauen zu helfen, sondern sie zu verunsichern, um mit ihrem verzweifelten Kinderwunsch Geschäfte machen zu können.

Zur Eizell-Entnahme reiste ich nach Polen

Meine Recherchen führten mich dann nach Polen, vor allem aus finanziellen Gründen. Das Social Freezing kostet dort nur halb so viel wie hier. Ich landete in einer sehr guten Klinik in Katowice und der behandelnde Arzt zeigte mir in der Ultraschalluntersuchung, dass ich durchaus noch mehrere Eibläschen hätte, die man stimulieren und zum Einfrieren entnehmen könnte. Ich war total happy und machte Nägel mit Köpfen. Die Behandlung verlief relativ reibungslos und schmerzarm.. Es wurden drei Eizellen entnommen, die jetzt in einer polnischen Samenbank schlummern.

Für Frauen mit Kinderwunsch wird zu wenig getan

Elisa Gelewski lebt in Berlin. Sie ist Begründerin des Kunst- und Umweltprojekts Artemis. 
Elisa Gelewski lebt in Berlin. Sie ist Begründerin des Kunst- und Umweltprojekts Artemis.
© privat

Erst zu Hause in Berlin wurde mir klar, wie frauenfeindlich Deutschland mit diesem Thema umgeht. Die Politik nimmt zwar den demografischen Wandel wahr, aber sozial und finanziell wird nichts für all die Single-Frauen getan, die gern auch noch später ein Kind haben wollen. Es wäre so leicht, das über die Krankenkassen mit wenig Aufwand zu realisieren, wenn man es nur wollte.

Kanadische Forscher veröffentlichten 2014 die These, dass die Menopause aufgrund des "Jung-Frauen-Kultes" in unseren patriarchal geprägten Gesellschaften eingesetzt habe. Der Mann bevorzugte sexuell die „Junge-Frau“. Die älter werdende Frau verlor ihren Wert und ihre Rolle im Clan und hört damit praktisch auf Frau zu sein, indem sie nicht mehr blutete, nicht mehr existierte. Sie war entmachtet, durfte keine sexuelle Lust mehr empfinden und verkümmerte als Mütterchen. Ich glaube, wenn der weibliche Zyklus in die eine Richtung mutieren kann, kann er auch wieder in die andere, ursprüngliche zurück. Und auch jetzt schon ist zu beobachten, dass die Wechseljahre der Frauen immer später einsetzen. Immer mehr Frauen bekommen zwischen Mitte und Ende 40 ihre ersten Kinder. Das macht Mut. Ich bin überzeugt, dass sich die weibliche Fruchtbarkeit wieder gänzlich an die des Mannes angleichen kann und wird.

Bis dahin ist Social Freezing eine wunderbare Möglichkeit, sich seine Eizellen zu sichern und für bessere Zeiten reservieren zu lassen.

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