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Sophia wurde vergewaltigt Was mir geholfen hat, mein Trauma zu verarbeiten

Sophia wurde vergewaltigt: Was mir geholfen hat, mein Trauma zu verarbeiten
© Privat
Sophia wurde auf einem Stadtfest vergewaltigt. Um das Erlebte zu verarbeiten, hat sie ein Buch geschrieben und macht anderen Frauen Mut.

Dieses Jahr im Sommer sind es vier Jahre. Vier Jahre, seitdem ich auf einem Event in der Stadt vergewaltigt wurde.

Das erste halbe Jahr danach schien ich gar nicht richtig da zu sein. Selbsthass und Selbstmordgedanken folgten, doch eines der schlimmsten Dinge war, dass ich nicht mehr schreiben konnte. Ich liebte es, zu schreiben, schon von klein auf. Immer hatte ich mir Geschichten ausgedacht, Tagebuch geführt, oder davon geträumt, eines Tages eine erfolgreiche Schriftstellerin zu sein.

Nach meinem Erlebnis war das Schreiben, das Malen und alle anderen kreativen Beschäftigungen nicht mehr zugänglich für mich. Ich hatte es versucht, immer wieder, doch ich fand nichts in mir, das wirklich schreiben wollte.

Das Geschehen ist echt und es ist nicht nur meine Geschichte
Buchcover: Mein Weg durch das Trauma
Sophia Kroemers Buch "Dieselbe und doch nicht die Gleiche" ist ab sofort im Fischer-Verlag erhältlich.
© PR

Mein Buch "Dieselbe und doch nicht die Gleiche" entstand in einer Zeit, in der ich mich vorsichtig wieder ans Schreiben herangewagt hatte, häppchenweise, Satz für Satz. Es war nie meine Intention gewesen, ein ganzes Buch aus der Idee zu machen, geschweige denn, es zu veröffentlichen. Ich begann die Geschichte komplett fiktiv: Da war ein Mädchen, das überhaupt nicht wie ich aussah, einen anderen Namen trug, eine andere Familie hatte, ein anderes Umfeld, aber doch genau das Gleiche erlebt hatte wie ich.

Viele Gedanken und Gefühle in diesem Buch entsprechen meinen Erlebnissen und vielleicht war das auch der ausschlaggebende Grund, weiterzuschreiben und es zu veröffentlichen. Das Geschehen ist echt und es ist nicht nur meine eigene Geschichte. So viele Frauen und Mädchen erleben Ähnliches, immer noch. Ich will mit dem Buch Mut machen, dass das Leben nicht vorbei ist danach, dass es immer einen Weg gibt und dass niemand, der das erlebt hat, alleine ist. Das Buch hat mich auf eine gewisse Art und Weise gerettet, und die Hoffnung, die es mir geschenkt hat, will ich auch anderen geben.

Scham und Schuldgefühle dürfen nicht die Oberhand gewinnen

Neben dem Schreiben hat es mir vor allem geholfen, so offen wie möglich mit dem Thema umzugehen. Es ist unglaublich schwer, unangenehm und fühlt sich fast unmöglich an, doch ich denke, es ist ein sehr wichtiger Schritt, zu erkennen, dass es kein Tabuthema sein darf. Es passiert überall. Nicht nur Vergewaltigungen, auch Respektlosigkeiten, Übergriffe, Demütigungen. Viele Frauen haben Angst, abends alleine nach Hause zu gehen. Ich kenne keine Frau, die nicht eine unangenehme Geschichte auf Lager hat. Genau deshalb dürfen wir nicht aufhören, darüber zu reden und das Thema immer und immer wieder öffentlich zu machen.

Mein starkes Schamgefühl und meine Schuldgefühle wurden weniger, je öfter und mehr ich darüber gesprochen habe. Ich habe mir auch immer wieder vor Augen gehalten, dass diese Dinge passieren, dass das in keiner Weise in Ordnung ist, und dass Scham und Schuldgefühle nicht die Oberhand gewinnen dürfen.

Sexuelle Belästigungen und Übergriffe sind leider Teil unserer Gesellschaft und sie dürfen nicht mehr ignoriert werden, auch die kleinste Geschichte nicht. Oft habe ich den Satz gehört, wenn ich mit anderen Frauen Erfahrungen ausgetauscht habe: "Es ist jetzt nicht so schlimm, aber …" Aber es ist schlimm, egal welches unangenehme Erlebnis es gewesen sein mag. Keines ist harmlos oder weniger erwähnenswert. Und auch wenn es so schmerzhaft und unangenehm ist, wie es für mich auch war und immer noch ist, hat es mir tatsächlich geholfen, das Leid mit anderen zu teilen und mich zu öffnen. 

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