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Elternvertreter - der undankbarste Job der Welt

Sich um all den Kram zu kümmern, der Eltern an der Schule nicht passt: eigentlich kein Job für Bettina Schuler. Die sich trotzdem zur Elternvertreterin wählen ließ - und es sofort bereute.
Bettina Schuler ( www.bettinaschuler.de), 39, lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Gemeinsam mit Anja Koeseling hat sie den Sammelband "Schlachtfeld Elternabend" (Eden Books) herausgebracht, in dem Eltern und Lehrer die aberwitzigsten, wahren Geschichten aus dem Krisengebiet Schule erzählen.
Bettina Schuler ( www.bettinaschuler.de), 39, lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Gemeinsam mit Anja Koeseling hat sie den Sammelband "Schlachtfeld Elternabend" (Eden Books) herausgebracht, in dem Eltern und Lehrer die aberwitzigsten, wahren Geschichten aus dem Krisengebiet Schule erzählen.
© Tina Linster

Eigentlich hätte ich es von Anfang an wissen müssen. Immerhin war ich ein gebranntes Kind und schon im Kindergarten als Rabenmutter verschrien, nur weil ich nichts dagegen hatte, dass mein Kind einmal pro Woche Pfannkuchen aß - natürlich mit Apfelmus und nicht mit Zimt und Zucker, wo denken Sie nur hin.

Ich hatte also schon genug leidige Erfahrungen mit der Elternschaft gemacht. Doch aus einem mir unerfindlichen Grund schnellte trotzdem mein Arm nach oben, als auf dem Elternabend der 1. Klasse die Frage nach dem Elternvertreter aufkam. "Wie schön, Frau Schuler", sagte die Klassenlehrerin meiner Tochter. Hatte ich das gerade wirklich getan? Und war ich eigentlich komplett verrückt geworden?

Diplomatie? Nicht gerade meine Stärke

"Ja", war die Antwort meines Mannes als ich ihm nur eine Stunde später von meiner Wahl erzählte, "und sollte man dafür nicht diplomatisch sein?" Ein Talent, das neben Pünktlichkeit, geografischer Orientierung und Kochen definitiv nicht zu meinen Begabungen zählte. Ganz im Gegenteil. Wenn mir etwas nicht passt oder ich jemanden nicht leiden kann, sieht man mir das aus zehn Metern Entfernung an. Keine gute Voraussetzung also, um zwischen einer resoluten Lehrerin und überengagierten Eltern zu vermitteln - wie sich bereits einen Tag später herausstellte, als mich die Mutter einer Klassenkameradin meiner Tochter vor dem Klassenzimmer abfing.

"Sag mal, du bist doch jetzt Elternsprecherin..." - das verhieß nichts Verheißungsvolles. Verschwörerisch beugte sie sich zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr. "Es gibt da etwas, über das wir wirklich dringend sprechen müssen."

Schlug die Lehrerin etwa die Kinder? Gab sie ihnen Drogen? Oder ging es hier gar um ein Kapitalverbrechen? Doch es kam noch viel schlimmer. Denn unsere Lehrerin stellte sich weder als Schwerverbrecherin noch als skrupelloser Drogendealer heraus. Nein, der Mutter fehlte lediglich - Obacht! - die Herzenswärme. Gegenüber den Eltern wohlgemerkt.

"Wenn ich Leyla morgens in die Klasse bringe, dann hat Frau Mayer nur Augen für das Kind". So wie es bei einer Lehrerin sein soll.

"Aber sie kann doch wenigstens 'Guten Morgen' zu mir sagen." Okay, das war vielleicht etwas unhöflich, aber wahrscheinlich hatte sie einfach noch nicht genug Kaffee getrunken.

"Aber wie soll ich mein Kind guten Gewissens zur Schule bringen, wenn ich keine Beziehung zu der Lehrerin habe?" Schon mal etwas von Schulpflicht gehört?

"Sag mal, willst du mich verarschen?" Ich? Also das würde ich doch nie, ich weiß gar nicht, was...

"Ich habe das Gefühl, du nimmst mich nicht ernst." Wie käme ich denn dazu?

"Du bist doch Elternsprecherin!" Trotzdem werde ich unsere Lehrerin nicht mit so einem Mist belangen.

"Hast du meine Sorgen etwa als Mist bezeichnet?" Äh, welche Sorgen?

"Warum bist du überhaupt Elternsprecherin geworden?" Das begann ich mich in den 30 Minuten, die die Mutter weiter auf mich einredete, auch zu fragen.

Ständig klingelte das Handy

Und als nur wenige Sekunden nach Beendigung des Gesprächs mein Handy klingelte, sah ich mich schon mit der nächsten Befindlichkeit konfrontiert.

"Weißt du eigentlich, dass die Kinder im Unterricht nicht trinken dürfen?" Im Augenblick wusste ich noch nicht einmal, wer da am anderen Ende der Leitung sprach, doch das schien nicht weiter zu interessieren.

"Wie sollen die Kinder sich denn konzentrieren, wenn sie nicht trinken dürfen?" In dem sie nach vorn schauen und der Lehrerin zuhören.

"Trinken fördert die Konzentration. Das ist wissenschaftlich er-wie-sen!" Ebenso, dass sie dadurch auch viel häufiger auf Toilette müssen. Was ein bisschen Unruhe in die Klasse bringen dürfte...

"Aber sie müssen doch trinken!" Aber doch nicht alle zehn Minuten.

In Zukunft ohne mich

So ging es weiter. Gefühlt zwei Stunden. Und als endlich, dank meines leeren Akkus, das Krakeelen meines unbekannten Gesprächspartners abbrach, wurden mir drei Dinge schlagartig klar.

Erstens: Ich musste dieses Amt so schnell wie möglich wieder loswerden. Zweitens: Als Elternvertreter musste man nicht nur Nerven aus Drahtseil haben, sondern auch ein guter Schauspieler sein. Denn ansonsten würde man es sich innerhalb kürzester Zeit mit allen Eltern verscherzen.

Drittens: Ich würde nie wieder, wirklich nie wieder ein böses Wort über einen Elternsprecher verlieren. Denn man sollte allen, die den Job länger als drei Monate machen, tausendfach dafür danken, dass sie für einen diese Bürde tragen.

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