Anzeige

Scheidung – und jetzt? Wie ich als Granny-Aupair durchstartete

Als Granny-Aupair durchstarten
Sigrun Peller
© Martin Steffen
Nachdem ihre Ehe zerbrach, lebte BRIGITTE.de-Leserin Sigrun Peller, 60, ihre Abenteuerlust aus und ging als Granny-Aupair nach Neuseeland. Dabei sollte es aber nicht bleiben ...

Dass Ehen in die Brüche gehen und Familien sich auflösen, ist ja an sich nichts Ungewöhnliches. Trennungen und Scheidungen passieren rechts und links von unserem Weg und wir machen uns kaum Gedanken darüber. Bis es uns selbst erwischt. Dazu aus heiterem Himmel, unvorbereitet und sogar an einem besonderen Tag, der Silberhochzeit. 48 Jahre, vier Kinder, zum Teil erwachsen, kein Job – so war es bei mir.

Doch fünf Jahre später nahm meine Geschichte eine besondere Wendung, die es verdient, erzählt zu werden. Schon allein deshalb, damit andere ebenfalls den Mut finden, sich auf den Weg zu machen, falls sie die Lust dazu verspüren.

Ich war frei, meine Lebenswunschliste anzugehen

Mein jüngstes Kind war flügge geworden, die Scheidung endlich durchgepaukt, die finanzielle Grundlage geregelt – nun sah die Welt schon besser aus. Doch was macht man mit der neu gewonnen Freiheit? Hadern, weil man alleine ist und sein altes Leben aufgeben musste? Nein, das war nichts für mich! Ich war bereit für einen Neuanfang, für welchen auch immer.

Ganz oben auf meiner Wunschliste stand "gut Englisch sprechen können" und gleich darunter "nach Neuseeland reisen". Fünf Jahre zuvor hatte ich das erste Mal von "Granny Aupair" gehört – und eine Granny-Aupair in Neuseeland zu sein, das roch so wunderbar nach Veränderung, Exotik und Selbstbestimmung. Was für ein starker Mix und was für ein guter Zeitpunkt. Ich war frei!

Auf einer Website zur Vermittlung von Aupairs mit und ohne ergrautem Haar schloss ich eine dreimonatige Mitgliedschaft ab und fand auf diesem Weg meine Gastfamilie in Neuseeland. Dank einer dazwischengeschalteten Vermittlungsagentur erfuhr ich, dass man als über 30-Jährige nicht ohne Weiteres als Aupair in Neuseeland arbeiten kann – es sei denn, man beantragt ein Studentenvisum mit Arbeitserlaubnis. Ich war dabei!

Während die Agentur sich um die Verträge mit der Sprachschule und der Gastfamilie kümmerte und mir beim Ausfüllen des Visumantrags zur Seite stand, konnte ich entspannt nach vorne blicken. Wer weiß, vielleicht hätte ich wegen meiner verkümmerten Englischkenntnisse sogar aufgegeben, all diese Hürden zu nehmen.

"Welcome, Sigrun!"

Mit einem Zehnmonatsvisum in der Tasche reiste ich schließlich in Neuseeland ein. Meine Gastfamilie: Vater, Mutter und zwei Kinder (9 und 11 Jahre) waren an der wunderschönen Bay of Plenty zu Hause, was nun für sechs Monate auch mein Heim werden sollte. Alles war aufregend und neu. Meine Familie zauberhaft, die Fürsorge für die beiden Kinder eine Herzensangelegenheit, die Sprachschule fordernd und verjüngend zu gleich. Je nach Akzent des Gegenübers sah ich mich unterschiedlichen Verständnisschwierigkeiten ausgesetzt.

Doch mit der Zeit wuchs der Radius, in dem ich mich bewegte, in dem ich andere verstand und mich ausdrücken konnte. Wochenendausflüge mit meinen jungen Mitstudierenden, Winterurlaub mit der Gastfamilie, Auckland, Taupo, Rotorua … mein Englisch wurde stetig besser, mein Selbstbewusstsein stärker, mein soziales Umfeld wuchs. Nach drei Monaten war ich richtig angekommen in der neuen Welt.

Als adoptiertes Familienmitglied auf Zeit konnte ich mich behütet an alle Anforderungen herantasten. So wie ein Kind, das im Schutze der Familie laufen und sprechen lernt.

Einsamkeit und Langeweile gab es nicht, es war immer was los. In der Freizeit konnte ich natürlich meinen eigenen Interessen nachgehen, was nicht nur ich begrüßte, sondern auch die Familie. Es gab ja viel zu entdecken in Neuseeland und ganz besonders in mir selbst.

Das Schöne am Granny-Aupair-Job war außerdem, dass ich für meinen Lebensunterhalt nichts zahlen musste und sogar ein eigenes Auto kostenlos zur Verfügung hatte. Davon abgesehen bekam ich ein Taschengeld. So macht Reisen und Arbeiten Spaß! Nur für die Sprachschule und die Agentur musste ich tief in die Tasche greifen, aber das war es mir wert gewesen. Und ich kam definitiv reicher nach Hause, als ich losgezogen war.

Nun wollte ich mehr

Nach meinem Granny-Aupair-Abenteuer in Neuseeland war ich auf den Geschmack gekommen und hängte einen weiteren Einsatz in England dran. Danach ging es nach Australien. Inzwischen bin ich zur Globetrotter-Granny mutiert, mit Lust am Reisen und Erleben, am Kulturaustausch und an der steten Horizonterweiterung. "Das Granny-Aupair-Experiment" – so nenne ich meinen Neuanfang. Und er hätte nicht besser sein können!

Die Autorin: Früher Nesthockerin, heute Reise-Oma: Sigrun Peller ist Unterfränkin, Innenarchitektin, Kunstliebhaberin, Schriftstellerin und fotografiert und malt gerne. Die Mutter von vier Kindern lebt in einer Partnerschaft in der Schweiz.

Als Granny-Aupair durchstarten
© epubli

Buchtipp: In ihrem Buch "Das Granny-Au-Pair Experiment: Wie eine Reise mein Leben veränderte" berichtet Sigrun Peller ausführlich über ihren Neubeginn als Granny-Aupair. (epubli, 17,50 Euro).

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel