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Samenspende "Nichts, wofür ich mich schämen muss": Wie es sich anfühlt, ein Spenderkind zu sein

Samenspende: Wie es sich anfühlt, ein Spenderkind zu sein - eine junge Frau erzählt
© Brigitteonline
Dina (22) aus Dänemark kam mithilfe einer Samenspende zur Welt. Wie es sich für sie anfühlt, ein Spenderkind zu sein, erzählt Dina hier ganz offen im Gespräch mit BRIGITTE.de.

Mithilfe einer Samenspende ein Kind bekommen zu haben oder gezeugt worden zu sein, ist kein Thema, über das viel in der Öffentlichkeit gesprochen wird, denn es ist oftmals mit Ängsten, Vorbehalten und Scham belegt. Doch viele der Menschen, die mit dem Thema in Verbindung stehen, finden: Damit soll Schluss sein! Anlässlich der Eröffnung der deutschen Filiale der dänischen Samenbank "European Sperm Bank" im Februar 2019 in Hamburg haben darum einige Menschen, für die Samenspende in ihrem Leben eine sehr wichtige Rolle spielt, ihre Geschichte erzählt. 

Eine von ihnen ist Dina, eine junge Dänin, die mittels Samenspende auf die Welt gekommen ist. Dina ist eine lebhafte, junge Frau mit funkelnden, fröhlichen Augen. Sie spricht gerne und offen darüber, wie sie gezeugt wurde, denn sie möchte es anderen mit ihrer Geschichte leichter machen, mit diesem Thema offen umzugehen. Wie sie davon erfahren hat, dass ihr biologischer Vater ein anonymer Samenspender ist und wie dieses Wissen ihr Leben verändert hat – ein Protokoll.

Samenspende ist nichts, wofür man sich schämen muss. Meine Geschichte ist eine positive.

"Meine Mutter und mein Vater haben meiner Schwester und mir von Anfang an erzählt, dass wir mithilfe von Samenspenden zur Welt gekommen sind. Vom Moment unserer Geburt an wurde uns gesagt, dass unsere Eltern etwas Hilfe brauchten, um uns bekommen zu können. Mit sieben oder acht habe ich dann realisiert, was das eigentlich bedeutet und wie das funktioniert. Heute bin ich 22 und meine Schwester ist 19 Jahre alt. Unsere biologischen Väter sind unterschiedliche Spender, da haben meine Eltern nicht weit genug vorausgedacht.

"Mein Vater konnte keine Kinder zeugen"

Die Samenspende brauchten meine Eltern, weil mein Vater keine Kinder zeugen konnte. Darum haben sie sich sehr schnell für eine Samenspende entschieden. Meine Mutter ist immer schon ganz offen mit diesem Thema umgegangen. Wann immer meine Schwester und ich Fragen dazu haben, erklärt sie uns so viel, wie es ihr möglich ist. Meinem Vater ist es eher peinlich, darüber zu sprechen, aber ich denke, das ist ganz natürlich. 

Das Wissen darum, dass ich mithilfe einer Samenspende gezeugt wurde, hat mein Leben nicht wesentlich verändert. Es ist nur so, dass ich jetzt eine interessante Geschichte zu erzählen habe, wenn mir mal die Gesprächsthemen ausgehen. Ich verspüre nicht den Wunsch, meinen Samenspender kennenzulernen. Er ist zwar der Grund dafür, dass ich da bin, aber seine Persönlichkeit interessiert mich nicht wirklich. Ich habe meinen Vater und meine Mutter, meine Schwester und meine Freunde. Er würde in dieses Leben nicht hineinpassen. 

Das Wissen hat die Beziehung zu meinen Eltern gestärkt

Das Verhältnis zu meinen Eltern hat sich durch das Wissen um die Samenspende nicht verschlechtert. Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn sie mir erst mit 18 erzählt hätten, wie ich gezeugt worden bin. Aber weil sie schon immer darauf vertraut haben, dass meine Schwester und ich reif genug sind, um mit diesem Wissen umzugehen, ist meine Beziehung zu ihnen eher sogar noch stärker. 

Ich denke, die Art und Weise, wie die Familien mit dem Thema Samenspende umgehen, ist sehr wichtig, denn das ist eine große Entscheidung. Ich weiß von vielen Leuten, die traumatisiert wurden, weil sie erst sehr spät erzählt bekommen haben, dass sie mittels Samenspende gezeugt wurden. Erzählst du deinen Kindern offen davon oder erzählst du ihnen nichts? Das macht einen großen Unterschied. Ich denke, es ist sehr wichtig, den Familien und den Kindern offen davon zu erzählen, denn so etwas erst sehr spät zu erfahren, verändert sonst auf einen Schlag dein ganzes Leben und deine Sicht auf alles, was du bis dahin erlebt hast.

Ich bin mir sicher, dass ich gerade deshalb so gut damit umgehen kann, weil meine Eltern von Anfang an ehrlich zu uns waren. Die Entscheidung, wann du deinen Kindern davon erzählst, solltest du aus meiner Sicht schon treffen, bevor du ein Kind auf diese Weise bekommst. Dazu will ich ermutigen. Denn es gibt nichts, wofür man sich schämen müsste. Viele Menschen nutzen die Möglichkeiten der Samenspende und viele Leute brauchen Hilfe, um Kinder bekommen zu können. 

Sollte ich jemals Hilfe brauchen, um Kinder zu bekommen, wäre Samenspende definitiv eine Option. Ich würde alle Möglichkeiten überdenken, aber die Möglichkeit der Samenspende erscheint mir so natürlich wie vielen Menschen. Ich denke, viele Frauen möchten lieber auf diese Weise ein Kind bekommen und schwanger sein, anstatt zu adoptieren. 

Ich habe keine Sorge davor, dass in mir oder einem solchen Kind Persönlichkeitszüge eines unbekannten Spenders zum Ausdruck kommen könnten. Es mag schon sein, dass ich aussehe wie er, aber er beeinflusst nicht, wie ich bin. Ich denke nicht, dass ich seinen Charakter oder seine Persönlichkeit habe. Ich glaube daran, dass meine Mutter und mein Vater mich geformt haben, meine Freunde und meine Umgebung. Das ist sicherlich ein Punkt, zu dem es unterschiedliche Meinungen gibt. Aber ich muss nichts über meinen Spender wissen.

Ich möchte Eltern von Spenderkindern Mut machen

Meine Geschichte ist eine positive. Darum habe ich auch nicht das Bedürfnis, mich für eine Änderung bestehender Gesetze zur künstlichen Befruchtung einzusetzen. Das ist nicht mein Kampf. Ich erzähle meine Geschichte nur, um anderen Eltern von Spenderkindern Mut zu machen, mit ihnen ebenso offen und gut mit dem Thema umzugehen, wie meine Eltern mit mir. Ich bin überzeugt davon, dass viele Menschen Spenderkinder sind, ohne davon zu wissen. 

Video: Erfahrungsbericht einer Single-Mutter

Mitte 30 und Single: Single-Mama Hanna Schiller erzählt in diesem Video-Interview von RTL Nord von ihrem Entschluss, sich via Samenspende künstlich befruchten zu lassen und warum sie damit so offen umgeht. 

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INFORMATIONEN

Das Samenspenderregistergesetz

  • Mit dem Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen vom Juli 2018 hat jeder Mensch, der durch eine Samenspende im Rahmen einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung, nach Behandlung ab Juli 2018, gezeugt worden ist, das Recht zu erfahren, von wem er abstammt. Dies geschieht durch Nachfrage bei einem zentralen Samenspenderregister beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Darüber hinaus ist die gerichtliche Feststellung der juristischen Vaterschaft des Samenspenders ausgeschlossen: Damit wird der Samenspender insbesondere von Ansprüchen beim Sorge-, Unterhalts- und Erbrecht freigestellt. 
  • Seit der Gründung der European Sperm Bank aus Kopenhagen im Jahr 2004 wurden nach Angaben des Unternehmens mehr als 35.000 Kinder in mehr als 100 Ländern der Welt mit einer Samenspende der ESB gezeugt. Der deutsche Verein "Spenderkinder" geht davon aus, dass in Deutschland etwa 100.000 Menschen leben, die durch Samenspenden entstanden sind. 
  • Nach Informationen der ESB ist fast jedes zehnte Paar in Deutschland zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos (Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend). Die Gründe dafür sind vielfältig: Wenn der männliche Partner zeugungsunfähig ist oder eine Erbkrankheit hat, dann ist eine ärztlich begleitete Behandlung mit Spendersamen eine Möglichkeit, den Wunsch nach Familie wahr werden zu lassen. Aber auch für gleich- geschlechtliche Frauenpaare oder Single-Frauen ist die Familiengründung durch Samenspende eine Option. 

Mehr Informationen zum Samenspenderregistergesetz findest du hier: bundesgesundheitsministerium.de.

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