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"Warte nicht darauf, deinen Traum zu leben – lebe ihn JETZT!"

BRIGITTE.de-Leserin Anna (29) hat ihren Job gekündigt. Seit zehn Monaten sitzt sie nun im Sattel - und radelt von Kanada bis nach Mittelamerika.
Anna ist das Radmädchen
Vor sechs Jahren überredete ihr damaliger Freund sie zu einer Radreise in Patagonien. Erst skeptisch und anfangs überfordert, lernte Anna diese Art des Reisens zu lieben. Vor einem Jahr kündigte sie ihren Job. Seitdem ist sie schon über 10 000 Kilometer von Kanada bis nach Guatemala geradelt. Mit im Gepäck: Werkzeug, Kleid und Nagellack. Unterwegs trifft sie immer wieder auf andere Radreisende, mit denen sie ein Stück gemeinsam fährt.
© privat

Jetzt oder nie!

Eines Tages muss man im Kopf den Schalter umlegen und sich sagen: "Ok. Jetzt oder nie". Das "Irgendwann" streichen und loslegen. Denn den perfekten Zeitpunkt, um seine Träume umzusetzen, gibt es nie. Man findet immer Argumente dagegen, aber dann wird der Traum immer ein Traum bleiben.

Vor genau einem Jahr saß ich im Flugzeug nach Vancouver, Kanada. Im Gepäck befand sich statt zu vieler Klamotten: ein Benzinkocher, Zelt, Isomatte, Schlafsack, Fahrrad und Werkzeug.

Ich wollte über mich hinauswachsen

Geplant hatte ich nicht allzu viel. Ich wollte alles auf mich zukommen lassen. Vor der Abreise war mir klar, dass es kein Entspannungsurlaub werden würde, sondern eine Reise, auf der es auch mal unbequem und herausfordernd wird. Aber genau das wollte ich: erfahren, erleben, mich weiter entwickeln, die eigenen Grenzen ausloten und über sie hinauswachsen (müssen). Und genau das passierte.

Ich fuhr durch die Hitze der mexikanischen Baja California. Dort stieg die Temperatur oft auf über 50 Grad Celsius am Tag. Alles klebte. Ich war klitschnass von meinem eigenen Schweiß. Der heiße Wüstenwind blies mir ins Gesicht und bedeckte mich mit Staub. Wir standen noch vor Sonnenaufgang auf, um möglichst viele Kilometer vor der Mittagshitze zu schaffen. Wir rechneten still vor uns hin, wie viele Liter Wasser wir noch dabei haben.

Ich lernte, mich selbst zu überwinden

Besonders herausfordernd waren die Pässe in Mexiko und Guatemala. Stundenlang strampelte ich im kleinsten Gang und hoffte, dass ich bald den höchsten Punkt erreichen würden. Aber es ging immer weiter bergauf. Teilweise war es so steil, dass ich nur im Stehen treten konnte. Meine Beine begannen zu zittern und meine Lunge brannte. Auf 3700 Metern Höhe ist zu spüren, dass weniger Sauerstoff in der Luft ist. Ständig musste ich anhalten, um zu Atem zu kommen. Nachts herrschte teilweise Frost.

Aber all das macht meine Reise aus. Und die Erinnerungen daran sind die besten, denn ich habe sie mir erkämpft. Ich blicke mit einem Lachen auf die Momente zurück, in denen ich verzweifelt und nass vom Schweiß oder vom Regen dastand. In denen ich mich den nicht enden wollenden Berg hochkämpfte. Oder eine Reifenpanne meine Nerven testete. Diese Momente der Selbstüberwindung wird mir niemand mehr nehmen können.

Das Beste sind die Begegnungen

Darüber hinaus sind es die Begegnungen, die diese Reise zu einem gelebten Traum werden lassen. Ich lernte die unterschiedlichsten Menschen kennen: einen Autor, einen ehemaligen Kleinkriminellen (nun der liebste Familienvater), einen Piloten, der mich auf eine Spritztour mitnahm, eine Make-up-Artistin, Firmenvorstände, 82-Jährige, die selber noch auf dem Rad reisen (man ist NIE zu alt!), Fahrradclubgründer. Und viele mehr.

Die Menschen haben mir ihre Sehenswürdigkeiten gezeigt. Einheimische luden mich zum Essen ein. Ich bekam Geschenke. Andere banden mein Rad aufs Auto und nahmen mich Hunderte Kilometer mit. Ich wurde in Häuser eingeladen und der ganzen Familie vorgestellt. Menschen, die selber nicht viel zum Teilen haben, teilten mit mir. Sie leben in Armut, kochen auf Holzfeuern und duschen mithilfe eines Yoghurtbechers aus einer Regentonne.

Kein Fünf-Sterne-Hotel kann das alles bieten

Wenn ich daran denke, geht mir das Herz auf. Ich bin sprachlos und beschämt. Es ist offensichtlich, dass ich aus einem reichen Land komme und dennoch erlebe ich so viel Herzlichkeit. Ich werde mit Neugierde betrachtet. Kinder aus Maya-Dörfern bestaunen Zelt und Benzinkocher. Menschen winken und hupen, lachen und laden mich zu sich ein. Das alles ist durch kein Fünf-Sterne-Hotel zu ersetzen.

Ich bin zutiefst glücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben. Ich bin dankbar - dankbar, dass ich imstande war, diese Reise zu machen. Und ein bisschen stolz bin ich auch. Stolz darauf, eine Reise ins Unbekannte gewagt zu haben, denn das war der schwerste Schritt.

Ihr wollt mehr erfahren? Weitere Infos von Anna gibt's unter www.radmaedchen.com,https://www.instagram.com/_radmaedchen_ und https://www.facebook.com/radmaedchen

Ein Interview über ihre Erfahrungen lest ihr auch auf mightygoods.com.

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