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Privatinsolvenz "Diese Katastrophe hat mich gestärkt!"

Privatinsolvenz: Was wir daraus lernen können
© Digital Storm (Symbolbild) / Shutterstock
BRIGITTE.de-Leserin Simone* (42) wurde durch eine Trennung in die Privatinsolvenz getrieben. Dadurch hat sie erfahren, was im Leben wirklich zählt.

Nach der Trennung kam der Terror

Ende 20 entschied ich mich, meinen Mann zu verlassen. Zumindest wollte ich aus unserem gemeinsamen Haus ausziehen, das wir gerade erst vor elf Monaten bezogen hatten.

Was darauf folgte, war ein Amoklauf meines zutiefst gekränkten Noch-Ehemannes. Es ist erstaunlich, zu welchem Aktionismus „Mann“ plötzlich auflaufen kann und wie schnell aus Liebe Rachsucht wird. Statt Ruhe zum Nachdenken hatte ich in meiner eigenen Wohnung schnell das genaue Gegenteil, nämlich telefonischen, emotionalen und finanziellen Terror.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich ein Mensch mit einem recht soliden Leben gewesen, mit Geld konnte ich immer gut umgehen. Ich befand mich gerade in der Endphase meines Studiums, genauer gesagt: In der Zeit, in der ich an meiner Magisterarbeit schrieb.

Er zahlte keinen Unterhalt

Rechtlich gesehen stand mir Trennungsunterhalt zu, den ich auch in Anspruch nehmen wollte – zumindest so lange, bis mein Studium beendet war und ich mein eigenes Geld verdienen konnte. Eine Wahl hatte ich ohnehin nicht: Mit meinem Studentenjob konnte ich nicht mal die Miete meiner kleinen Wohnung zahlen.

Mitten in diesem Wirrwarr gelang es Amor, einen gezielten Pfeil abzuschießen: Ich verliebte mich in einen anderen Mann. Es hätte alles so schön sein können.

Natürlich hatte ich Verständnis für die Situation meines Noch-Ehemannes, der fix und fertig war, als er von meinem neuen Partner erfuhr. Mit vielen Einigungsvorschlägen versuchte ich, ihm die Situation so annehmbar wie möglich zu machen. Beispielsweise hätte er den Unterhalt auch als Darlehen an mich zahlen können, und ich hätte später alles abgestottert.

Meine neue Liebe machte jede Einigung unmöglich

Doch spätestens meine neue Liebe machte jeden Einigungsversuch zunichte. Die Eifersucht feuerte den Hass nur noch mehr an und so hatte ich die Rechnung ohne den Wirt – in diesem Falle meinen Mann – gemacht: In einer Nacht- und Nebelaktion zog er aus unserem gemeinsamen Haus aus, nahm einen Job in der Schweiz an und stellte die Zahlung der Raten für unseren Kredit bei der Bank ein. Unterhalt an mich zahlte er überhaupt nicht.

Da wir beide den Kreditvertrag für das Haus unterschrieben hatten, befand ich mich nun in der Situation, dass ich nicht nur meine Wohnung und meinen Lebensunterhalt nicht mehr zahlen konnte, ich hatte nun auch noch die Bank am Hals. Diese wandte sich nun an mich, da mein Noch-Gatte ins Ausland verzogen war und die Zahlungen eingestellt hatte.


Einige Monate waren inzwischen ins Land gegangen, und mein neuer Partner fragte mich, ob ich bei ihm einziehen wollte – ich wollte, und so hatte sich ein Teil des Problems gleich mit gelöst.
Trotzdem musste ich mein Studium vorübergehend aussetzen und einen Job annehmen.

Die Bank zwang mich in die Privatinsolvenz

Unser Haus wurde zu einer extrem niedrigen Summe zwangsversteigert, weil mein Ex-Mann (wir waren inzwischen rechtskräftig geschieden), sich jedem Verkauf widersetzte. Den entstandenen Schaden wollte die Bank von mir ersetzt bekommen.
Ein absurdes Szenario, das mich dazu zwang, Privatinsolvenz anzumelden.

Ohne diesen Schritt hätte ich nicht gewusst, wie ich jemals wieder aus der Schuldenfalle hätte herauskommen sollen. Die Zinsen und Zinseszinsen für derart hohe Schulden laufen schneller auf, als man mit dem Finger schnippen kann.
In einer Situation wie dieser, wenn ständig farbige Briefe im Briefkasten landen, die von Pfändungen, Zwangsvollstreckung und Zwangsversteigerung handeln, kann man eine richtige Paranoia vor dem Briefkasten entwickeln.

Es sind äußerst gemischte Gefühle, wenn man eine Privatinsolvenz anmelden muss. Einerseits weiß man, dass man ab jetzt aus der ganzen Angelegenheit „raus“ ist und das Drama ein Ende haben wird. Andererseits wird man in vielen Bereichen des Lebens vollständig entmündigt, und die sieben Jahre „Wohlverhaltensphase“ können eine verdammt lange Zeit sein.

Über weite Strecken hatte ich so wenig Geld, dass ich noch vieles aus meinem restlichen Besitz verkaufen musste, um über die Runden zu kommen. Es war eine Zeit extremer Gefühlslagen: Dauernde Anspannung, auch in der neuen Beziehung, Nervenzusammenbrüche, Depression.

Dazwischen aber auch immer wieder Highlights und das gute Gefühl, ohne Besitz auch zufrieden sein zu können. Ohne meine Familie, meine wirklich tollen Freunde, meinen neuen Partner und meinen Ehrgeiz, das alles durchzustehen, hätte ich es wohl nicht geschafft.


Glück im Unglück

Am Ende hatte ich Glück im Unglück: Die Bank verkaufte die Forderung an ein Inkassounternehmen, mit dem ich verhandeln konnte. Mein Vater sprang ein und kaufte mich mit einigen tausend Euro aus der restlichen Forderung heraus. Drei Jahre vor der Restschuldbefreiung war ich aus der Misere raus.

Meine neue Beziehung ist nach drei Jahren in die Brüche gegangen, und die Summe der Schwierigkeiten hat ganz sicher dazu beigetragen. Mein Studium konnte ich immerhin in einem zweiten Anlauf zu Ende bringen.

Heute weiß ich: Beruflich und finanziell bin ich so leicht nicht mehr aus der Fassung zu bringen – ich weiß, was ich kann, und was ich alles überstehen kann. Und ich werde mich nie wieder von einer Bank versklaven lassen. Meine Gesundheit hat sicher gelitten in dieser Zeit, und ich bin etwas dünnhäutiger geworden. Aber meine Freundschaften sind noch stärker geworden, und auch meine Familie hat mich nie im Stich gelassen.

So weiß ich nun umso mehr, was zählt im Leben: Freundschaft und Liebe können einen durch alle Schwierigkeiten tragen. Ich habe auch wieder geheiratet und eine eigene Familie gegründet.

*Name ist der Redaktion bekannt

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