Anzeige

Warum will ich es bloß immer allen recht machen?

Eigentlich will sie nur glücklich sein. Doch auf dem Weg dahin versucht Paulina Maturowski, es allen recht zu machen. Begleitet von der Angst, doch nie genug zu sein.
Paulina Maturowski, 26, ist Tochter, Verlobte, Tante, Schwester, Freundin und vieles mehr. Das alles nahezu gleichzeitig. "Dabei immer perfekt sein und jedem gerecht werden zu wollen, ist das ein aussichtsloser Kampf oder das Streben nach Glück?"
Paulina Maturowski, 26, ist Tochter, Verlobte, Tante, Schwester, Freundin und vieles mehr. Das alles nahezu gleichzeitig. "Dabei immer perfekt sein und jedem gerecht werden zu wollen, ist das ein aussichtsloser Kampf oder das Streben nach Glück?"
© Privat

Wer eine Lösung sucht, ein süßes, einfaches Rezept, wie man es schafft, sich von den Erwartungen anderer freizumachen und es nicht mehr allen recht machen zu wollen, der ist hier richtig. Und zwar so richtig falsch. Wem aber die Gewissheit hilft, dass es irgendwo da draußen Menschen gibt, die sich mit ähnlichen Gedanken und Sorgen plagen, dem sei gesagt: Du bist nicht allein...

Ich habe kein Rezept und auch keine Lösung, aber ich habe Angst. Ich habe Angst, nicht genug zu sein. Nicht gut genug, nicht schlau genug, nicht clever genug, nicht schön, groß, klein, dünn, dick, und so weiter... Groß und klein, dick und dünn? Das eine schließt das andere aus? Stimmt. Egal.

Um aufzuzählen, was ich in meinen Gedanken eigentlich alles gleichzeitig sein und tun müsste, um es aus meiner Sicht allen recht zu machen und allen zu genügen, könnte ich locker meinen Jahresurlaub aufwenden und wäre danach vielleicht immer noch nicht fertig.

Wer entscheidet, was "genug" ist?

Wieso bin ich eigentlich so? Ich weiß es gar nicht so recht. Vielleicht bin ich einfach besonders sozial. Aber das macht mich wiederum sehr asozial - mir selbst gegenüber. Wer sagt denn, dass ich es nicht verdient habe, es mir selbst recht zu machen? Uff, das wäre ja noch ein Mensch mehr, dem ich es recht machen müsste. Noch ein Punkt mehr auf meiner Liste.

Und wer entscheidet eigentlich, was "genug" ist? Und wann ist man genug? Hat das genug irgendwann mal ein Ende und man kommt an einem Ziel an? Wie bei einem Marathon? Läuft man eines Tages über die Ziellinie, durchreißt das Band und alle jubeln einem zu? Man schüttet sich das restliche Wasser aus der Trinkflasche über den heißen, schwitzenden Kopf und ist angekommen? Und dann? Bekommt man eine glitzernde, goldene Medaille und darf in Ruhe weiterleben? Fehlt einem dann nicht etwas? Ein Ziel? Aber was soll man mit einem Ziel, von dem man selbst das Gefühl hat, es nie zu erreichen?

Während ich über solche Dinge nachdenke, laufe ich eifrig weiter. Ich bleibe für einen kurzen Moment an den Zwischenetappen stehen, esse vielleicht etwas Süßes, um den Kreislauf in Schwung zu bringen und trinke, um den Wasserverlust auszugleichen, aber dann geht's unbeirrt weiter.

Jede kleine Bemerkung lässt mich an mir zweifeln

Ich muss dies, ich muss das... Wer sagt denn das?! Manchmal frage ich mich das auch und dennoch tue ich alles, um so zu sein, wie ich glaube sein zu müssen, und dann kommt irgendwer daher, sagt etwas Belangloses und alles gerät ins Wanken, weil ich direkt wieder in den Optimierungsmodus schalte.

Bei jeder noch so kleinen Bemerkung von sogar x-beliebigen Leuten fange ich wieder an, an mir selbst zu werkeln. Ob das jetzt an meinem Aussehen, an meinem Charakter, an meiner Wohnung, Freizeit oder was auch immer ist, ist egal. Hauptsache, anpassen, um wieder zu genügen.

Das ist ja anstrengend, denken sich vielleicht einige. Ja, verdammt, das ist es. Dann lass es doch einfach, sagen wieder andere. Nur leider geht das nicht so einfach. Das Optimieren und an mir selbst Rummäkeln und Ändern, das gehört leider irgendwie zu mir. Und die Angst abzulegen, nur weil irgendjemand meint, dass es zu anstrengend sei - das wäre ja irgendwie auch wieder der Versuch, jemandem zu genügen...

Die Angst, irgendwem nicht zu gefallen oder plötzlich, aufgrund irgendwelcher Ansichten der Gesellschaft selbst zu glauben, nicht zu genügen - diese Angst ist einfach da. Sie gehört zu mir wie das Atmen. Das ist nicht immer einfach, aber es ist zumindest nicht immer nur schwer.

Meine Angst und ich - wir sind nicht allein

Manchmal ist es ein automatisierter Prozess, den ich kaum bemerke. Und tief in mir drin weiß ich, dass ich nicht allein bin mit dieser Angst. Aber es hat vielleicht nicht jeder den Mut, sie zuzugeben. Denn dadurch könnte man ja vielleicht wieder nicht genügen, denn wie gut ist schon ein Mensch, der Angst hat und sein will, wie er glaubt, dass ihn andere haben wollen?

Tief in mir drin hoffe ich, dass mit dem Alter auch die Gelassenheit kommt. Ich glaube nicht, dass ich die Angst ganz verlieren werde. Aber vielleicht wird sie mal, in ganz ferner Zukunft, wie ein guter, alter Bekannter sein, der ab und zu vorbeikommt, nach dem Rechten schaut, vielleicht auch ein paar Nächte auf meiner Couch übernachtet, aber irgendwann auch wieder geht.

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel